Glasfaserausbau

Warum Giengen sein Leerrohrnetz mit Verlust verkauft

Bei vier Gegenstimmen hat der Gemeinderat der Stadt Giengen dem Verkauf seines Leerrohrnetzes an eine Tochter der Firma BBV („Toni“) zugestimmt. Dass die Stadt ihre Investitionen nicht wieder hereinholt, wurde bedauert.

Die Stadt Giengen verkauft ihr Netz an Breitband-Leerrohren an die Firma Infrafibre Networks, eine Tochter der Firma Breitbandversorgung Deutschland (BBV), die im Stadtgebiet den Breitbandausbau plant. Der Verkauf war zwar längst als wahrscheinlicher Bestandteil der Zusammenarbeit zwischen Stadt und BBV bekannt gewesen, dennoch war der Beschluss im Gemeinderat nicht unumstritten: Vier Ratsmitglieder stimmten dagegen, drei enthielten sich.

Die BBV-Tochter erhält damit allerdings kein vollständig ausgebautes Leerrohrnetz für den Breitbandausbau. Giengen hat vielmehr bereits 2014 mit dem „Allgemeinen Breitbandplan“ beschlossen, bei Tiefbauarbeiten nach Möglichkeit auch gleich Breitbandleerrohre zu verlegen, damit für den flächendeckend geplanten Ausbau nicht erneut Gehwege oder Straßen aufgegraben werden müssen.

Giengen verkauft 8,2 Kilometer Leerrohrnetz mit Verlust

Im Laufe der Jahre kamen so in Giengen, Hürben, Burgberg und Hohenmemmingen insgesamt 8,2 Kilometer Leerrohrnetz und rund 500 Hausanschlüsse zusammen. Die Herstellungskosten beliefen sich auf brutto 1,76 Millionen Euro. Die ursprüngliche Strategie, erklärte Christian Gaugler von der städtischen Tochter Digikomm im Gemeinderat, sei gewesen, das Netz zu bauen und an die Firma Netcom als Netzbetreiber zu verpachten. Als BBV dann allerdings auf die Bühne trat und den sogenannten eigenwirtschaftlichen Ausbau anbot, war die Stadt automatisch nicht mehr förderfähig.

Einen Anteil am Netz im Wert von etwa 200.000 Euro behält Giengen. Streckenweise, so Gaugler, seien bis zu drei Leerrohre parallel verlegt worden, BBV brauche aber nur zwei. Damit behalte die Stadt dort einen Strang als Reserve. Zum Teil ist das Rohrnetz auch bereits abgeschrieben, sodass der Restbuchwert zum Jahresende 2023 noch rund 1,3 Millionen Euro betrug.

Nur ein Bieter für das Leerrohrnetz

Der Erlös aus der Ausschreibung fällt freilich deutlich geringer aus: Die Firma Infrafibre Networks erhält das Netz zum Preis von rund 608.500 Euro. Auf die Kernstadt Giengen entfallen dabei 386.400 Euro, auf Hohenmemmingen 95.500 Euro und auf Hürben und Burgberg 126.600 Euro. Infrafibre Networks war der einzige Bieter.

Oberbürgermeister Dieter Henle betonte im Rat, dass die Stadt sich ein Rückkaufsrecht vorbehalte. „Wir wollen absichern, dass auch wirklich ausgebaut wird“, so Henle. Damit sprach der OB indirekt einen Punkt an, der in der Diskussion auch mehrere Ratsmitglieder beschäftigte: Nach ursprünglicher Zusage seitens BBV sollte das Glasfasernetz in Giengen und den Teilorten Ende 2024 fertiggestellt sein. Zuletzt betonten sowohl Stadtverwaltung als auch BBV, dass in Giengen ausreichend Verträge abgeschlossen worden seien, um den Ausbau umsetzen zu können. Auf einen Zeitpunkt für den Baubeginn wollte man sich jedoch noch nicht festlegen.

Stadtrat Bader: Entscheidung aus heutiger Sicht falsch

Nicht zuletzt die Verzögerung veranlasste Werner Bader (CDU-Wählerblock) zur Fundamentalkritik: „Aus heutiger Sicht finde ich die damalige Entscheidung zum Kooperationsvertrag als falsch.“ Daher könne er, so Bader, auch dem Verkauf des Leerrohrnetzes nicht zustimmen. OB Henle gab zu bedenken, dass sich die Stadt am Markt neutral verhalten müssen. Zudem hätte Giengen bis zu 30 Millionen Euro ausgeben müssen, wenn sie nach alter Strategie das gesamte Netz selber gebaut hätte.

Um nicht Rohre nutzlos im Boden liegen zu haben, müsse die Stadt das Netz „leider mit Verlust verkaufen“, bedauerte Dr. Erwin Kleemann (Unabhängige/Grüne). Die gleiche Meinung vertrat auch Jörg Bayer (CDU-Wählerblock). Er sehe den Verkauf als alternativlos an, es sei den Bürgerinnen und Bürgern nicht zu vermitteln, wenn einerseits die Stadt Rohre verlegt habe und BV dann erneut aufgrabe, um weitere Rohre einzuziehen. Sylvia Gohle (SPD) wollte wissen, warum die Stadt das Netz nicht verpachte. Ein auf viele Abschnitte verteiltes Netz zu verpachten, sei nicht vorgesehen, allerdings werde es möglich sein, dass andere Anbieter eines Tages das fertiggestellte Netz ebenfalls nutzen können.

Zwei Städte kooperieren im Kreis mit BBV

Der Kooperationsvertrag zwischen Stadt Giengen und BBV wurde im Oktober 2022 geschlossen. Damals war von einem Investitionsvolumen in Höhe von 25 Millionen Euro die Rede. Einen vergleichbaren Vertrag hat BBV auch mit der Stadt Heidenheim abgeschlossen. Dort sorgte im Januar die Nachricht für Unmut, dass der Glasfaserausbau sich mutmaßlich deutlich verzögert. Als Grund wurde damals seitens BBV ausgeführt, dass das Interesse der Bevölkerung noch nicht ausreichend groß sei.

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