Bischof Fürst gibt mit Kretschmann geraubte Glocken zurück
Der katholische Bischof Gebhard Fürst hat in Polen mehrere von den Nationalsozialisten gestohlene Kirchenglocken an ihre früheren Besitzer zurückgeben. Dabei wurde er von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) begleitet. Insgesamt seien drei Glocken an Vertreter von Gemeinden in Straszewo (Dietrichsdorf), Frombork (Frauenburg) und Zegoty (Siegfriedswalde) übergeben worden, sagte ein Sprecher der Diözese Rottenburg-Stuttgart am Sonntag. Zwei stammen demnach aus einer Kirche in Esslingen, eine aus Aichtal.
Nach einem Gottesdienst in Elblag (Elbing), bei der am Samstag eine etwa 300 Kilogramm schwere Glocke aus dem Jahr 1719 übergeben wurde, sagte Bischof Fürst: «Die Glocke hat die gemeinsame Geschichte beider Nationen erfahren und mitgeprägt». Nun stifte sie Gemeinschaft.
Die Glocke gehörte den Angaben nach zu rund 100.000 Glocken, die ab 1940 auf Befehl der Nationalsozialisten aus dem gesamten damaligen Deutschen Reich der Rüstungsindustrie zur Verfügung gestellt werden mussten. Rund 1300 aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten konnten nach Kriegsende aus politischen Gründen nicht zurückgegeben werden. Ab 1950 landeten diese als Leihgabe in den Gemeinden der jungen Bundesrepublik - so auch in der Diözese Rottenburg-Stuttgart.
Die Rückgabe fand im Rahmen des Projekts «Friedensglocken für Europa» statt. In den kommenden Jahren sollen weitere Glocken nach Polen und Tschechien zurückgebracht werden, insgesamt rund 60 Stück. Als Ersatz finanziert die Diözese den betroffenen Kirchengemeinden neue Glocken.
Die Reise hatte für Kretschmann auch eine persönliche Dimension: Die Delegation aus Baden-Württemberg war nämlich hauptsächlich im Ermland unterwegs, der Heimat seiner Eltern. Dort kamen auch zwei ältere Geschwister Kretschmanns zur Welt, ein drittes Geschwisterkind starb 1945 an den Folgen der Flucht aus Ostpreußen. Kretschmann wurde 1948 in Spaichingen (Kreis Tuttlingen) geboren.