Michael Ende hatte nicht nur ein riesiges Herz für Kinder, sondern auch für Tiere und insbesondere für Schildkröten. Dreimal nehmen diese langsamen, aber klugen Tiere in seinem Werk einen besonderen Platz ein. In „Die unendliche Geschichte“ ist es die alte Morla, bei „Momo“ die berühmte Kassiopaia und in „Tranquilla Trampeltreu“ schließlich hat Ende ihr eine eigene wunderbare Geschichte gewidmet. Als Bilderbuch, versehen mit den zauberhaften Illustrationen von Marie-Luise Lemke-Pricken, erstmals 1972 im Thienemann-Verlag erschienen, gibt es bei „Tranquilla Trampeltreu“ im Schaffen Michael Endes einen weiteren Höhepunkt: Ende und der Komponist Wilfried Hiller verfassten 1980/81 die erste gemeinsame Kinderoper, die 1981 im Münchner Stadtmuseum uraufgeführt wurde. Seitdem wandert die liebenswerte und beharrliche Schildkröte auf ihrem Siegeszug durch die Kinderzimmer, in Schulen und Therapieräumen, auf den Bühnen der Welt und natürlich in den Herzen der Kinder.

Zwei Darsteller genügten

Was war zu sehen? Am vergangenen Samstag verzauberte die Schaubühne Augsburg mit nur zwei Darstellern im voll besetzten Margarete-Hannsmann-Saal der Stadtbibliothek Heidenheim die großen und kleinen Zuschauerinnen und Zuschauer. Christian Beier war Tranquilla, die „Ruhige“, Entschlossene, die sich durch niemand von ihrem Weg abbringen lässt – und Tiere, die ihr abraten, die sie verspotten und nicht an sie glauben, begegnen ihr viele. Tranquilla hört sich alles freundlich an auf ihrem Weg zur Hochzeit des Sultans, des Löwen Leos des 28., und entgegnet allen immer wieder nur: „Schritt für Schritt! Mein Entschluss steht fest!“

Der erfahrene Kindertheaterakteur Beier verkörpert die Schildkröte – und nicht zu vergessen den ihn begleitenden Frederick, den Wurm – wundervoll: witzig, humorvoll, inbrünstig und immer unter Einbeziehung der kleinen Zuschauerinnen und Zuschauer – und die sind von Anfang an begeistert dabei sein. Es wird viel gelacht, Trampeltreu werden Tipps gegeben („Vergiss nicht deinen Panzer!“ – in dem die Schildkröte, neben ihrem an den Roller angehängten Wägelchen auch noch einiges Nützliches verstaut hat), sie bittet um Unterstützung aus dem Publikum („Bitte das Schild gaaaanz hoch halten!“) und geht singend ihren Weg.

Toll verkörperte Tiere

Dabei begegnen ihr die verschiedensten Tiere, alle fantastisch verkörpert von Raphaela Miré, Beiers Tochter und seit vielen Jahren an seiner Seite im renommierten Augsburger Kindertheater. Miré zieht sich in Windeseile jedes Mal um und präsentiert ein neues wunderschönes Kostüm. Sie verleiht mit ihrer Spielfreude jedem Tier eine eigene Note: Die Spinne Fatima Fadenkreuz ist gruselig-hämisch, die unglaublich witzige Eidechse schläft dauernd ein. Der etwas eingebildete Rabe Hatschi Halef Habakuk teilt Tranquilla von oben herab mit, dass der Sultan Leo der 28. im Krieg von seinem Feind, dem Tiger Sebulon Säbelzahn, schwer verwundet wurde und schließlich gestorben ist. Doch selbst da bleibt die Schildkörte auf ihrem Weg. Und schließlich, nachdem sie sogar mit dem Zug ins Löwenland fahren kann, ist das Ende ihres Weges erreicht. Und siehe da: Es gibt eine Hochzeit! Der neue Sultan, Löwe Leo der 29., feiert sie just an diesem Tag! Und zusammen mit dem kleinen Äffchen vom Löwenhof bringen sie dem Sultan das Hochzeitsständchen dar. Zauberhaft!

Ermutigende Botschaft

Ein rundum gelungenes Kindertheater mit ermutigender Botschaft an die Kinder (und Erwachsenen): Bleib auf deinem Weg! Lass dich nicht beirren und du kommst „Schritt für Schritt“ an deinem Ziel an.

Die weiteren Kindertheaterstücke der Stadtbibliothek in diesem Jahr sind bereits ausverkauft. Am 20. November wird das „Neinhorn“ aufgeführt und am 10. Dezember bekommt Petterson Weihnachtsbesuch.