Seit sage und schreibe fast 16 Jahren ist Frank Schmidt Trainer des 1. FC Heidenheim. Er hat aus dem einstigen Fußball-Oberligisten nicht nur einen etablierten Zweitligisten gemacht, sondern auch einen potenziellen Bundesliga-Klub. Zehn Spieltage vor Saisonschluss steht der FCH auf Rang drei, der am Ende zur Relegation berechtigen würde. Ein Zähler trennt das Schmidt-Team vom Tabellenzweiten Hamburger SV, lediglich zwei Punkte sind es auf Spitzenreiter Darmstadt 98. „Wir befinden uns nicht ohne Grund dort oben in der Tabelle“, sagt der 49-jährige Fußball-Lehrer zu Beginn unseres Gesprächs, für das er sich gut eine Stunde Zeit nimmt.

Herr Schmidt, es gibt viele, die sagen: So gut wie in diesem Jahr waren die Aufstiegschancen für Heidenheim nie. Was sagen Sie?

Frank Schmidt: Also, da kann ich nicht widersprechen. Es ist alles sehr eng beieinander an der Tabellenspitze.

Hätten Sie im vergangenen Sommer damit gerechnet, dass ihr Team nach mehr als zwei Drittel der Saison ganz oben mitmischt?

Nein, das konnte man auch nicht. Überlegen Sie mal: Wir haben mit Robert Leipertz (Wechsel zum SC Paderborn, Anm. d. Red) und Tobias Mohr (Schalke 04, Anm. d. Red) unsere beiden Außenbahnspieler verloren. Und dazu noch Abwehrspieler Oliver Hüsing (Arminia Bielefeld, Anm. d. Red). Ich habe schon sechs, sieben Klubs gesehen, von denen ich dachte: Die müssten, was ihre Voraussetzungen und ihren Transferaktivitäten betrifft, am Ende der Saison eigentlich vor uns stehen.

Mit Spielerabgängen kennen Sie sich ja aus als Coach in Heidenheim. In den vergangenen Jahren sind immer wieder Schützlinge zu höherklassigen Klubs gewechselt oder dorthin, wo sie mehr verdienen konnten.

Das stimmt. Gut, dass deshalb unsere Zugänge wieder top waren für diese Saison. So hatten wir drei Spieler, die sofort den Sprung in die Startelf geschafft haben: Adrian Beck, Lennard Maloney und Jan-Niklas Beste.

Sie sind nun schon seit 2007 Trainer in Heidenheim.

Schon verrückt ...

Wie häufig haben Sie sich denn in dieser Zeit neu erfinden müssen?

Als Trainer schon einige Male. Du musst dich immer wieder aufs Neue auf die sportlichen Gegebenheiten einlassen, auf den Kader Rücksicht nehmen, den du zur Verfügung hast. Manchmal sind das nur Nuancen, die sich ändern. In dieser Saison haben wir wieder ein paar Dinge verändert. Wir haben zum Beispiel einen offensiveren Spielstil gewählt.

Und der Mensch Frank Schmidt? Hat der sich in den vergangenen Jahren neu erfunden?

Nein, ich denke, das habe ich überhaupt nicht. Ich würde sagen, ich bin nach wie vor berechenbar unberechenbar.

Berechenbar unberechenbar?

Ich gebe meinen Spielern einen großzügigen Rahmen vor. Es gibt aber auch Grenzen, von denen sie wissen, dass man sie besser nicht überschreitet.

Der Trainer ist der Boss.

Jeder weiß, dass ich einer bin, der, wenn es angebracht ist, auch mal laut werden und auf den Tisch hauen kann (lächelt). Ich bin aber auch ein Trainer, der Spieler, die Probleme haben, in den Arm nehmen kann. Das ist die Herausforderung, das ist die Kunst.

Darf man als Spieler den Trainer Frank Schmidt auch mal kritisieren?

Also, ich habe nichts dagegen, wann man mal einen Witz auf meine Kosten macht (lacht). Ich nehme mich als Trainer nicht wichtiger als ich bin. Aber klar ist dennoch: Wir als Trainerteam geben die Richtung vor. Ich als Trainer muss in verantwortlicher Position vorangehen und die richtigen Entscheidungen treffen.

Sie arbeiten mit jungen, entwicklungsfähigen Spielern. Worauf kommt es dabei an?

Mir ist es wichtig, Spieler nicht nur technisch, taktisch, fußballerisch weiterzuentwickeln, sondern auch als Persönlichkeit, im Umgang mit Niederlagen, Enttäuschungen, aber auch Erfolgen. Bei uns lernen die Spieler, wie man sich in einer Gruppe verhält. Ich glaube, da sind wir ziemlich gut.

Der 1. FC Heidenheim ist ein etablierter Zweitligist. Der Respekt vor dem Verein scheint aber nochmal gestiegen zu sein in der Liga. Wie nehmen Sie das wahr?

Der Respekt ist definitiv gestiegen. Wenn ich höre, wie über uns gesprochen wird, ist das schon eine Form der Anerkennung. Wir tun viel dafür, dass wir als schwer zu bespielender Gegner wahrgenommen werden. Wir wollen das Spiel einfach halten.

Die Debatten über den Fußball sind mitunter sehr theoretisch geworden. Was halten Sie davon?

Mir ist das ehrlich gesagt manchmal zu viel. Dreier- oder Viererkette, Spiel mit nur einem Stürmer, die Grundordnungen – darüber wird mir zu viel diskutiert. Wie gesagt: Fußball ist an sich ein einfaches Spiel.

Worauf kommt es an?

Entscheidend ist, dass auf dem Platz ein Team steht, das in eine Richtung marschiert, die weiß, was sie tut und warum sie es tut.

Was genau meinen Sie damit?

Zum Beispiel, dass ein Spieler seine individuelle Klasse der Mannschaft zur Verfügung stellen muss. Das ist schon lange unsere Philosophie. Und diese klare Linie geben wir als Trainerteam vor.

2020 waren Sie mit dem FCH schon mal ganz nah dran. Sie scheiterten in der Relegation zur Bundesliga knapp an Werder Bremen. Wie lebendig ist  die Erinnerung an damals?

Ich bin kein Mensch, der in der Vergangenheit lebt. Mich interessiert die Gegenwart.

Wie groß ist Ihre Lust auf die Bundesliga?

Riesig groß! Jeder möchte doch dorthin. Das ist doch ganz klar. Jeder sagt, dieses Jahr packen sie es. Aber davon lasse ich mich nicht leiten. Sonst liefen wir Gefahr, dass der Fokus verloren geht. Wir sind in einer guten Ausgangsposition. Aber meine Mannschaft weiß: Sie muss ihre Ausgaben lösen. Wir wollen diesen dritten Platz nicht mehr hergeben.

Sie könnten auch Erster oder Zweiter werden und würden in diesen Fällen sogar direkt aufsteigen.

Wir beschränken uns nicht. Ich sehe uns, was die ersten beiden Plätze betrifft, jedoch immer noch als den Herausforderer.

An diesem Freitag empfangen sie den Karlsruher SC, der zuletzt den HSV 4:2 geschlagen und fünf Siege in Serie gefeiert hat. Das wird nicht einfach, oder?

Da kommt eine Mannschaft, die sich in einem Flow befindet. Die erste Halbzeit des KSC gegen den HSV war das Beste, was ich in dieser Zweitliga-Saison gesehen habe. Eine schöne Herausforderung für uns. Wir haben noch einige sehr schwere Spiele vor uns. Wir treten etwa auf dem Betzenberg beim 1. FC Kaiserslautern an und bei Hannover 96. St. Pauli, zusammen mit dem KSC die beste Rückmannschaft, kommt noch zu uns. Ich würde sagen: Der Spaß fängt gerade erst an.

Zur Person


Frank Schmidt ist gebürtiger Heidenheimer. Er kickte als Profi beim 1. FC Nürnberg, dem Wiener Sport-Club, in Vestenbergsgreuth, Alemannia Aachen, bei Waldhof Mannheim und auch in Heidenheim. Dort wurde er 2007 Trainer – und führte den Klub von der Oberliga bis in die 2. Liga.

An diesem Freitag (18.30 Uhr/Voith-Arena) empfängt der 1. FC Heidenheim zum Auftakt des 25. Zweitliga-Spieltags den derzeitigen Tabellenachten Karlsruher SC.