Mit Kraft an der Stange

Wie die SKG Giengen mit Vorurteilen im Pole-Sport aufräumt

Poledance ist längst mehr als sinnlicher Tanz. Weltweit wächst die Wettkampfszene, auch in Giengen hat sich das Sportwerk als feste Anlaufstelle etabliert. Warum Pole nicht nur den Körper, sondern auch den Geist fordert – und wie sowohl Anfänger als auch Fortgeschrittene hier ihre Grenzen überwinden können.

Pole, also das akrobatische Turnen an der Stange, ist längst nicht mehr das, wofür viele es halten. Was einst auf Showtanz reduziert wurde, ist heute ein ernstzunehmender Sport – mit internationalem Verband, Technikanforderungen und wachsender Wettkampfszene.

Der Pole-Sport vereint Kraft, Beweglichkeit, Koordination und Körperspannung. Trainiert wird an vertikalen Stangen, entweder statisch oder drehbar, mit Übungen aus Akrobatik, Tanz und Funktions-Training. Auch in Giengen hat sich dafür ein fester Trainingsort etabliert: das Sportwerk der Sport- und Kulturgemeinschaft Giengen 2020.

Montagabend, Kursbeginn im Sportwerk. LED-Lichter beleuchten den Kursraum. Damaris Barth, Trainerin und aktive Pole-Athletin, beginnt mit einem dynamischen Warm-up. Auf Yogamatten wird zu Musik gedehnt, Arme, Beine und Handgelenke vorbereitet – rhythmisch, aber kontrolliert. Dann geht es an die Stangen. Geübt werden erste Griffe, das Ziehen zur Stange hin oder weg, leichte Basisbewegungen. Manche nutzen Kissen als Unterstützung für Füße oder Knie. „Mir ist wichtig, dass sich alle wohlfühlen“, sagt Barth.

Damaris Barth ist Pole-Trainerin – und pendelt zwischen Göppingen und Giengen, wo sie im Sportwerk regelmäßig Kurse gibt. Rudi Penk

Die 31-Jährige kommt aus Böbingen. Durch ihren Bürojob habe sie bereits mit 24 Rückenprobleme bekommen, suchte nach einem Ausgleichssport und kam über eine Bekannte zum Poledance. „Es hat mich sofort in den Bann gezogen“, sagt sie. Für Barth liegt die Begeisterung in der Vielseitigkeit: Pole verbindet aus ihrer Sicht Ganzkörpertraining mit Athletik und Eleganz. Seit sieben Jahren ist sie aktiv dabei, unterrichtet in mehreren Studios und trainiert für Wettkämpfe. In diesem Jahr belegte sie bei der Deutschen Pole- und Aerial-Meisterschaft in Gießen im Bereich Pole-Sport den dritten und bei Artistik-Pole den zweiten Platz.

Anfänge in chinesischen und indischen Shows

Poledance hat seine Wurzeln in historischen Turnkünsten wie Mallakhamb oder der chinesischen Stange. Später vermischten sich diese mit Showelementen aus Clubs – ein Image, das der Sport bis heute nicht ganz abgeschüttelt hat. Doch die Szene hat sich längst weiterentwickelt: von sinnlichem Exotik-Dance in hohen Schuhen über athletische Tricks bis hin zu künstlerischem Ausdruckstanz. In den Kursen wird das gezielt unterteilt, ebenso im Wettkampfsport. „So ist für jeden etwas dabei“, sagt Barth. Sie sieht Potenzial in Giengen – ein Grund, warum sie hier unterrichtet. „Ich finde, es sollte mehr zur Normalität werden, zum Poledance zu gehen. Wie der Besuch im Fitnessstudio oder zum Turnen zu gehen.“

Bei den Anfängern werden zuerst Basis-Bewegungsabläufe gezeigt. Dabei ist auch der richtige Griff an der Stange wichtig. Rudi Penk

Neben körperlicher Fitness spielt für sie auch der mentale Aspekt eine große Rolle. „Wenn du kopfüber hängst, kostet das viel Überwindung, sich selbst und seinem Körper zu vertrauen, an der Stange zu hängen und nicht herunterzufallen.“ Von unten wirkten viele Figuren leicht, doch die Umsetzung sei eine große Herausforderung. „Im Stehen ist es klar: der linke Arm da, der rechte Arm da – doch plötzlich hängst du kopfüber, und du denkst dir: Wo soll mein Bein hin?“, sagt sie und lacht.

Präventive Übungen, viel Hautkontakt

Damit es gar nicht erst zu Verletzungen kommt, wird im Pole-Sport Wert auf ein behutsames Heranführen gelegt. Die Grundlagen sollen sicher sitzen, bevor komplexere Figuren geübt werden – auch, um Überlastungen oder Entzündungen zu vermeiden. Viele Teilnehmerinnen tragen kurze Shorts und Sport-Oberteile – nicht aus ästhetischen Gründen, sondern um besser an der Stange zu haften. „Packt man zwischen Haut und Stange Stoff, dann rutscht man stark“, erklärt Barth.

Ein Vorteil des Sports: Fortschritte zeigen sich oft schnell – auch, weil man mit dem eigenen Körpergewicht trainiert. „Schon die Hand von der Stange zu lösen, ist da ein Erfolg“, sagt Barth. Das beobachtet sie regelmäßig bei sich selbst und auch bei ihren Schülerinnen. Ein weiterer positiver Aspekt: ein besseres Körpergefühl und mehr Selbstbewusstsein.

Die Stange kennt kein Alter

In Barths Kursen zeigte sich zudem, dass Pole für viele Zielgruppen geeignet ist. Nadine Kopp etwa nimmt regelmäßig teil, springt bei Bedarf auch als Vertretung ein. Die 23-Jährige wurde vor zweieinhalb Jahren auf den Kurs beim Sportwerk aufmerksam. Auch bei Stretching-Einheiten ist sie mit dabei. Was sie motiviert, sind die sichtbaren Erfolge – und das Miteinander: „Alle unterstützen sich einfach, wo sie können.“

Nadine Kopp (23) ist regelmäßig als Teilnehmerin, aber auch als Vertretung im Pole-Kurs des Sportwerks Giengen dabei. Chiara Sülzle

Marianna Valavani kam über einen anderen Weg zum Pole. Nach der Geburt ihres Kindes vor zweieinhalb Jahren suchte die 32-Jährige nach einem Sport, der Kraft und Flexibilität verbindet. Für sie ist Pole dabei die ideale Herausforderung. „Und selbst wenn man die Figuren dann kann, kann man immer weiter dran feilen, sie zu verschönern oder eleganter auszuführen.“

Marianna Valavani (32) hat im Pole für sich eine neue Herausforderung nach der Elternzeit gefunden, um Kraft und Flexibilität zu vereinen. Chiara Sülzle

Damaris Barth, ihre Trainerkolleginnen im Sportwerk und viele aus der Pole-Community wünschen sich mehr Offenheit gegenüber dem Sport – und mehr Wertschätzung für die Leistungen. „Ich wünsche mir mehr Anerkennung für die Athleten, die so viel Arbeit reinstecken“, sagt sie. Wer skeptisch sei, solle es einfach mal ausprobieren. „Jeder sollte einen Sport finden, der einen fesselt – so wie Pole mich gefesselt hat.“

Pole- und Stretchingkurse im August

Nach einer kurzen Sommerpause vom 4. bis 17. August startet das Training im Sportwerk Giengen wieder ab dem 18. August. Montags finden Pole-Kurse für Anfänger (18 Uhr) und Fortgeschrittene (19 Uhr) statt – am 18. August mit Damaris Barth, am 21. mit Jenny Kober.

Dienstags leitet Anja Schadhauser jeweils um 20 Uhr Stretching-Einheiten. Mittwochs gibt Dilara Öner um 19 Uhr einen gemischten Pole-Kurs. Donnerstags folgen um 19 Uhr Stretching und um 20 Uhr Tanzen mit High Heels. Anmelden können sich Interessierte per Mail an birgitta.schadhauser@agentur2balive.de, oder per WhatsApp bei Anja Schadhauser unter Tel. 017645041511.

Jetzt einfach weiterlesen
Jetzt einfach weiterlesen mit HZ
- Alle HZ+ Artikel lesen und hören
- Exklusive Bilder und Videos aus der Region
- Volle Flexibilität: monatlich kündbar