Am Tag darauf gab’s Gulasch. Bernd Biller stand in der Küche und bereitete das Essen für sich und seine Frau Angelika vor. Als wäre nichts gewesen. Es trudelten weiterhin Glückwünsche ein – aber auch Fragen wie: Der ist schon auf? Denn hinter dem Cheftrainer der Ringer der TSV Herbrechtingen, die gerade den Aufstieg in die Regionalliga geschafft hatten, lagen äußerst aufregende Stunden mit einem emotionalen Auf und Ab.
Morgens vor dem vermeintlich alles entscheidenden Kampf der Saison ereilte die TSV-Ringer die Botschaft, dass ausgerechnet Maxim Sarmanov, einer der Punktegaranten, aus privaten Gründen fehlen wird. Bernd Biller ist eher ein Mann, der solche Tiefschläge mit sich selbst ausmacht. Aber: „Ich habe gleich gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Er war richtig down“, beschreibt Angelika Biller die Gefühlslage ihres Mannes, den sie wie folgt aufzumuntern versuchte: „Es kann auch bei den Gegnern etwas sein. Vielleicht gleicht es sich dann ja aus.“
An diese Worte seiner Frau musste wiederum Bernd Biller während der Halbzeit des Kampfes gegen Aichhalden denken. Denn tatsächlich sollte Angelika Biller Recht behalten, beim Gegner wog ein Ringer deutlich zu viel. „Da ist mir schon ein Stein vom Herzen gefallen“, räumt Bernd Biller ein. Der dadurch feststehende Sieg im ersten Einzelkampf war eine Voraussetzung für den späteren Herbrechtinger Mannschaftstriumph. Nach dem 18:15-Sieg am vorletzten Kampftag der Saison steht die TSV als vorzeitiger Meister der Oberliga fest.

Die emotionale Achterbahnfahrt hatte somit ihren Höhepunkt gefunden. „Ich war etwas ungläubig und auch nicht mehr wirklich Herr meiner Gefühle“, beschreibt Bernd Biller, der mit der TSV Herbrechtingen im Jahr 2008 das letzte Mal in die Regionalliga aufgestiegen war. Seine Tochter Lena stellte ihm gegenüber fest: „So aufgeregt habe ich dich schon lange nicht mehr erlebt.“
Doch auch im Moment des großen Triumpfes erinnerte Bernd Biller bei seiner Meisterrede an Wegbegleiter vergangener Jahrzehnte – in dem er das TSV-Maskottchen „Mecki“ hochleben ließ. Der Steiff-Igel ist seit 1968 Teil der Herbrechtinger Ringer und steht bei jedem Kampf in der TSV-Ecke. Auf diese Weise habe er Generationen von Ringern begleitet, im Oktober feierte „Mecki“ sogar seinen 1000 Mannschaftskampf. „Mecki ist unser Pelé“, scherzte Biller während seiner Rede, mit einer Anspielung an den Brasilianer, der als König des Fußballs gilt – und sogar deutlich über 1000 Spiele bestritten hat.

Auf so viele Kämpfe kommt Sotirios Chochlionis zwar noch nicht. Allerdings ist er bereits mit 19 Jahren ein Stützpfeiler der TSV-Ringer. Und auch sein Beispiel zeigt, was für ein familiärer Zusammenhalt bei den Ringern herrscht. Bei den Kämpfen sind neben seinen Eltern auch sein Bruder und seine Schwester sowie Onkel und Cousins dabei. Nach dem Sieg in seinem Einzelkampf lief Sotirios Chochlionis zu seiner Mutter Christina ins Publikum – um sich mit ihr zu freuen. „Ja, das passiert öfter. Es ist einfach schön, wenn die Familie dabei ist“, sagt der BWL-Student, der sein Abitur am Buigen-Gymnasium gemacht hat. Ob er noch immer auf Wolke sieben schwebt? „Komplett“, betont Sotirios Chochlionis. Mit sieben Jahren hatte er mit dem Ringen bei der TSV angefangen, seine beiden Onkel hatten gerungen – und steht zwölf Jahre später mit seinem Heimatverein in der Regionalliga.

„Bei uns geht eine Saison vier Monate. Da muss alles perfekt passen“, sagt Riccardo Caricato über den Aufstieg. „Wir hatten einen holprigen Start, haben uns aber durchgebissen“, so der 24-Jährige, der vor zwei Jahren aufgrund eines Bandscheibenvorfalls sogar knapp ein dreiviertel Jahr aussetzen musste. Der Ausnahmeringer hätte den Sprung in die Regionalliga sicherlich früher schaffen können – wenn er denn gewechselt hätte. Der Industriemechaniker sagt aber: „Mein Ziel war es, den Aufstieg mit meinem Heimatverein zu schaffen. Das ist schon etwas Besonderes.“
Auf diese Weise konnte er auch eins miterleben: Wie Cheftrainer Bernd Biller die Tanzfläche erobert. Zu welchem Lied? „Major Tom von Peter Schilling. Das kenne ich noch aus meiner Jugend“, erzählt Bernd Biller. Völlig losgelöst also? „Ich drehe mich dann, für mein Gewicht, völlig losgelöst“, scherzt Biller und schiebt nach, dass er dann auch Pirouetten hinbekommt.

Bei der Meisterfeier hielt es der Cheftrainer immerhin bis halb vier durch, bevor er sich von seiner Tochter Lena abholen ließ. Sein letzter Kommentar, bevor es in den Meisterschlaf fiel: „Ich bin platt.“ Zum Glück hatte er am Tag zuvor bereits das Gulasch vorbereitet...


