Sportschießen

Warum Franz Lotspeich aus Söhnstetten der erfolgreichste Vorderladerschütze der Welt ist

Franz Lotspeich ist der wohl erfolgreichste Vorderladerschütze der Welt. Zuletzt gewann der Söhnstetter drei Goldmedaillen bei der Europameisterschaft in Portugal. Bei der Beschreibung seiner Sportart wählt der 63-Jährige einprägsame Vergleiche:

Der Mann schafft gerne mit seinen Händen: Franz Lotspeich ist gelernter Kfz-Mechaniker, zuletzt hat der 63-Jährige beim Autohaus Sing in Heidenheim (Mercedes) gearbeitet. Zu seinen Hauptaufgaben zählten Smarts – ursprünglich hatte Lotspeich aber auch 25 Jahre lang Lkw repariert. „Gott sei Dank, habe ich mich nie so verletzt, dass ich beeinträchtigt war“, sagt er mit einem Lächeln.

Denn sonst hätte Franz Lotspeich nicht der erfolgreichste Vorderladerschütze werden können. Seit 1989 ist er für Deutschland bei Welt- und Europameisterschaften im Einsatz. In dieser Zeit hat er 36 Goldmedaillen gesammelt, dazu kommen 23 Silber- und 15 Bronzemedaillen. Alle Medaillen werden in einer Vitrine aufbewahrt, dreimal Gold gab es zuletzt bei der Europameisterschaft im portugiesischen Barcelos.

Hörschutz muss sein: Franz Lotspeich ist den Krach beim Schießen aber gewohnt. Foto: Rudi Penk

Italien, USA, Schweiz, Finnland, Frankreich, Spanien, Ungarn, Österreich, Australien und nun Portugal: Lotspeich hat den Namen seines Heimatortes in die Welt getragen. Und dabei die Welt gesehen? Die Anfrage seitens der Zeitung, ob er denn auch ein paar „Urlaubsbilder“ machen könnte, erwischte den Schützen jedenfalls auf dem falschen Fuß. „Morgens um 7.30 Uhr ging es mit dem Bus zum Schießen, abends ging es gegen 21 Uhr zurück zum Hotel“, beschreibt Lotspeich den Alltag eines Spitzenschützen. Dann hieß es oft: schnell etwas essen – und Ruhe. „Das ist schon ein bisschen schade“, sagt der Söhnstetter nach einem kurzen Überlegen. Auch einen Tag an die Wettkämpfe dranzuhängen, sei schwierig, denn es müssten schließlich die Interessen von 24 Sportschützen aus vielen verschiedenen Disziplinen, die für Deutschland antreten, berücksichtigt werden, erklärt Lotspeich. Es ging nämlich mit dem Bus vom Schwarzwald aus nach Barcelos (knapp 66 Kilometer nördlich von Porto) und wieder zurück.

Und Peng: Beim Schuss entsteht ein Feuerball. Foto: Rudi Penk

Um Sightseeing geht es Franz Lotspeich aber auch gar nicht. Der 63-Jährige geht in seiner Sportart vollkommen auf. Dann, wenn es darum geht, mit einem Gewehr auf Wurfscheiben aus Ton zu zielen und diese mit Schrotkügelchen zu treffen. Die Scheiben, die einen Durchmesser von elf Zentimetern haben (etwa eineinhalb Zentimeter dick), werden von einer Maschine aus einem Bunker „ausgeworfen“ und fliegen bis zu 60 Meter weit. Dabei werden sie bis zu 80 km/h schnell. Nach dem Schuss bildet sich eine Wolke aus Schrot, deren Ausdehnung in Länge und Breite mit der Entfernung aufgrund der Streuung zunimmt, erklärt Lotspeich. Ein sichtbarer Treffer, egal wie groß, ist nötig, das heißt, von der Tonscheibe wird bei einem Treffer ein Stück herausgebrochen.

Foto: Rudi Penk

Müssen denn die Schützen selbst auch schnell sein? Bei dieser Frage schmunzelt Lotspeich vielsagend. „In den letzten Jahren wird schneller geschossen, als vor 10, 15 Jahren“, sagt er, um nachzuschieben: „Vielleicht bin ich schuld dran. Ich schieße seit jeher sehr schnell. Man merkt schon, dass die anderen einen kopieren.“ Eine Art Vorreiter zu sein, sei aber „schon ein gutes Gefühl“, gesteht Franz Lotspeich. Ein ruhiger Puls wie bei einem Kugelschützen, der auf ein festverankertes Ziel schießt, sei dabei nicht so entscheidend. „Kugelschützen stützen den Ellbogen in der Hüfte ab und müssen sehr ruhig stehen. Wir sind ja in der Bewegung“, erklärt Lotspeich. Man müsse aber die Tonscheibe „gut aufnehmen können“, heißt es in der Schützensprache.

Viele Kügelchen: Die Schrotladung wird in kleinen Behältern transportiert. Foto: Rudi Penk

Lotspeich ist als Vorderladerschütze auf die Perkussionsflinte und Steinschlossflinte spezialisiert. Beide wiegen in etwa zwei Kilogramm. Und beide werden durch die Mündung geladen. Während Kugelschützen in der Regel eine dickere Schießjacke anhaben, damit sich die Schwingungen vom Körper nicht auf die Waffe übertragen, haben Vorderladerschützen neben einer normalen Kleidung nur eine leichte Schießweste an. „Da wir ja in Bewegung schießen, würde uns eine dickere Jacke behindern“, so Lotspeich.

Das Zündkraut führt Franz Lotspeich in einer Seitentasche seiner Schießweste mit. Foto: Rudi Penk

Doch was hat es mit seinen Flinten auf sich? Beide funktionieren mit Schrotkügelchen und Schwarzpulver. Dieses wird in den Lauf der Flinte eingefüllt und mit einem Filzpfropfen bedeckt. Danach kommen die Schrotkügelchen in den Lauf. Auch diese erhalten eine Abdeckplatte, damit die Kügelchen nicht herausfallen. Das Ganze wird im Lauf hinuntergeschoben. Beim Schießen mit der Steinschlossflinte gibt der Schütze ein sogenanntes Zündkraut auf eine Pfanne zwischen dem Hahn und einem Metallplättchen. Ein Feuerstein, der am Abzug befestigt ist, reißt aus dem Metallplättchen einen Funken, der wiederum das Zündkraut auf der Pfanne entzündet. Dieses brennt in den Flintenlauf und entzündet dort die Ladung. „So wie man es aus Seeräuberfilmen her kennt“, wählt Lotspeich ein Beispiel für Laien.

Der Funke, der alles in Gang setzt. Foto: Rudi Penk

„Der Stein muss ziemlich scharf sein“, erklärt Franz Lotspeich. „Es gibt gute und schlechte Zündungen. Bei einem Wettkampf mit 50 Scheiben kann auch schon mal eine schlechte Zündung dabei sein. Vielleicht schlägt der Stein etwas weniger Funken, es kommt auf viele Details an.“ Etwa einen Euro kostet einer, erklärt Lotspeich. „Sie werden in England gemacht. Momentan sind sie schwieriger zu bekommen.“ Englische Schützen würden nach allen fünf Schuss den Stein wechseln, um sicherzugehen, so Lotspeich, der anfügt: „Wir Deutsche, vor allem Schwaben, sind da ein wenig sparsamer. Nach jedem Schuss wird der Stein entweder abgeputzt, nach mehreren Schüssen nachgeklopft oder dann aber ersetzt.“

Klein, aber fein: Zündhütchen für die Perkussionsflinte. Foto: Rudi Penk

Die Perkussionsflinte, die etwas einfacher in der Handhabung ist, hat wiederum eine moderne Zündung, die mithilfe eines Zündhütchens funktioniert: Beim Abzug schlägt der Hammer (Hahn) auf das Zündhütchen drauf und zündet die Ladung im Lauf. Und auch hier für Laien: „Wie bei den roten Plastikzündhütchen bei Kinderpistolen.“

Das Zündhütchen ist aufgelegt. Foto: Rudi Penk

Bei der Europameisterschaft in Portugal gewann Lotspeich die Goldmedaille im Einzel mit der Steinschlossflinte. Mit einem fast perfekten Wettkampf und 48 von 50 möglichen Treffern stellte er so ganz nebenbei den Europarekord ein (Lotspeich hat aber auch schon mal 50 von 50 erreicht). Dazu gab es jeweils Gold mit der deutschen Mannschaft mit der Steinschloss- und der Perkussionsflinte. Im Einzel belegte Lotspeich mit der Perkussionsflinte den 5. Platz und hatte dabei nur einen Treffer weniger erzielt als die ersten vier Schützen, die dann ins Stechen mussten.

Auch ohne Schwarzpulver im Flintenlauf ist dank des Zündkrauts mächtig Feuer drin. Foto: Rudi Penk

Das wichtige Schwarzpulver musste vor der EM bestellt werden, da es nicht mit im Bus transportiert werden darf. Franz Lotspeich hatte mit einem Kilogramm Schwarzpulver aus der Schweiz kalkuliert, die Hälfte davon fürs Training vor Ort. „Es ist gerade so aufgegangen“, sagt er – und lacht. Hätte er zu wenig gehabt, hätte er sich bei seinen Nationalmannschaftskollegen oder sogar Kontrahenten leihen müssen. Das Pulver bezahlen die Schützen selbst (etwa 100 Euro), dafür werden aber die Kosten fürs Hotel, die Fahrt und auch das Startgeld vom Deutschen Schützenbund übernommen.

Diese drei Goldmedaillen gewann Franz Lotspeich in Portugal. Foto: Rudi Penk

Auch nach 36 äußerst erfolgreichen Jahren hat Franz Lotspeich noch lange nicht genug von seiner sportlichen Leidenschaft. Zu bislang 32 Welt- und Europameisterschaften sollen noch einige dazukommen. Und in der Zwischenzeit wird er weiter fleißig trainieren, entweder in Pforzheim, Sulzdorf (bei Schwäbisch Hall) oder Oggenhausen. Und Laien weiterhin seine Sportart mit viel Geduld erklären. Wer denkt jetzt nicht gerade an einen Seeräuberfilm?

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