Mitteldisziplin 70.3

Von Giengen nach Nizza und vielleicht nach Hawaii? Wie Oliver Raspe seinem Traum vom Ironman einen Schritt näher kommt

Vor zehn Jahren noch Raucher, heute erfolgreicher Triathlet: Oliver Raspe aus Giengen hat sich für die Ironman-70.3-Weltmeisterschaft 2026 in Nizza qualifiziert. Doch sein eigentliches Ziel liegt noch weiter entfernt – die Teilnahme am Ironman auf Hawaii:

Als Betriebsleiter eines Gebäudereinigungsdienstleisters den Kopf freizubekommen – das gelingt Oliver Raspe seit Jahren im Triathlon. Der 43-Jährige, geboren in Quedlinburg im Harz, hat über Umwege zum Ausdauersport gefunden und liebt ihn inzwischen mit voller Leidenschaft. Sein großes Ziel: die Qualifikation für die Ironman-Weltmeisterschaft auf Hawaii.

Vom Rauchstopp zum Triathlon

2015 hörte Raspe mit dem Rauchen auf – und nahm zu. Um die zusätzlichen Kilos wieder loszuwerden, beschloss er, mit dem Laufen anzufangen. „Schwimmen lag mir sowieso schon, und Radfahren kann ja jeder“, sagt er rückblickend. So fand er seinen Weg in den Triathlon – und blieb.

Längst absolviert der Giengener Distanzen, die für Außenstehende kaum greifbar sind. 1,9 Kilometer Schwimmen, 90 Kilometer Radfahren und 21,1 Kilometer Laufen: Diese Distanz meisterte er zuletzt beim Ironman 70.3 in Zell am See am 31. August – also einem halben Ironman. In 4:55 Stunden kam er ins Ziel und schnupperte erstmals Qualifikationsluft. Denn bei diesem Wettkampf wurden 70 Startplätze für die Ironman 70.3-WM 2026 in Nizza vergeben.

In Zell am See-Kaprun erkämpfte sich der Giengener Triathlet die Qualifikation für die Ironman-70.3-Weltmeisterschaft 2026 – hier die Teilnehmermünze. Foto: Rudi Penk

„Das war Zufall und gar nicht geplant“, erzählt Raspe. Sein Blick bleibt aber ohnehin auf ein anderes Ziel gerichtet: die Qualifikation für die Langdistanz-Weltmeisterschaft auf Hawaii. Schon im Oktober will er in Portugal versuchen, sich für genau diese WM zu qualifizieren.

Training neben dem Job

Zwischen 18 und 23 Stunden Training pro Woche stemmt der 43-Jährige – neben Beruf, Ehrenamt und Privatleben. Seit sechs Jahren gehört er dem Turnverein Hürben an, seit eineinhalb Jahren ist er dort stellvertretender Vorsitzender. Für den Verein startet er auch regelmäßig bei Wettkämpfen.

80 Prozent seiner Einheiten sind Grundlagen-Ausdauer, 20 Prozent Tempointervalle. Montags ist Ruhetag, geschwommen wird in den Seen der Region, gelaufen auf dem Sportplatz in Hürben oder auf der Ostalb. Radtrainings absolviert er draußen oder – wenn es regnet – auf der Rolle daheim. „Da, wo ich bin, trainiere ich“, sagt er. Im Sommer simuliert er Hawaii-Bedingungen: Hitzetrainings in der Mittagssonne. Denn Wettkämpfe finden oft in heißen Regionen statt, und der Körper müsse sich an die Belastung gewöhnen.

Zwischen Euphorie und Selbstzweifel

Nicht immer läuft es rund. 2021 stürzte er bei seiner ersten Trainingsfahrt mit dem neuen Triathlonrad schwer, nachdem eine junge Autofahrerin ein Stoppschild missachtet hatte. Mit einem gebrochenen Schultereckgelenk musste er pausieren. „Für den Kopf war der Unfall nicht gut. Seitdem bin ich vorsichtiger und auch ängstlicher“, sagt er.

„Manchmal frage ich mich, warum ich den Scheiß überhaupt mache“, sagt Raspe. Doch ein Zurück kommt für ihn nicht infrage – dafür ist seine Leidenschaft zu groß. Gerade weil er so viel investiert, sind Zweifel und Anspannung vor großen Wettkämpfen fast unvermeidlich. Oft schläft er in den Nächten davor schlecht: „Mein Kopf ist dann aufgebracht. Ich weiß aber, dass mein Körper Ruhe braucht.“

Oliver Raspe (links) reist zusammen mit Freund und Sponsor Sebastian Jooß zu vielen seiner Wettkämpfe. Foto: Rudi Penk

Umso wichtiger sind Menschen an seiner Seite – wie Freund, Sponsor und persönlicher Cheerleader Sebastian Jooß. Der Inhaber der Firma Rein begleitet Raspe nach Portugal. „Nach zehn Stunden Wettkampf brauche ich jemanden, der mir hilft – das Rad hält und sich ums Drumherum kümmert“, sagt Raspe. Jooß beschreibt seinen Kollegen als „den ehrgeizigsten Menschen, den ich je kennengelernt habe“.

Leidenschaft mit hohen Kosten

Ein günstiges Triathlonrad kostet rund 10.000 Euro, spezielle Schuhe etwa 300 Euro. Hinzu kommen Reisen: „Ich verbinde meine Jahresurlaube mit den Wettkämpfen“, sagt Raspe. Mindestens eine Woche vor dem Start reist er an, um sich an Strecke, Klima und Zeitverschiebung zu gewöhnen.

Während des Wettkampfes sind Ernährung und Verpflegung entscheidend: Raspe versorgt sich permanent mit Elektrolyten und Kohlenhydraten. Sein Motto: „Es gibt immer eine Steigerung.“

Nizza ist erst der Beginn

Raspe läuft am liebsten. „Das ist meine stärkste Disziplin – und es zeigt sich auch in den Auswertungen.“ Der Triathlon sei für ihn aber vor allem wegen seiner Vielseitigkeit faszinierend. „Es macht einfach Spaß, weil man ständig Abwechslung hat.“ Bei einem Gespräch, erinnert sich Sebastian Jooß, fragte jemand Oliver Raspe, warum er keinen Marathon laufe. Dessen Antwort: „Marathon mache ich nach dem Schwimmen und Radfahren.“

Marathon mache ich nach dem Schwimmen und Radfahren.

Oliver Raspe, Ironman-70.3-Weltmeisterschaft-Teilnehmer

Ob in Nizza 2026 oder irgendwann auf Hawaii – Oliver Raspe bleibt auf Kurs. „Ich bin mein größter Kritiker und möchte mein Ziel erreichen.“ Anderen rät er, einfach loszulegen: „Man braucht Durchhaltevermögen, dann kommt alles andere von selbst.“

Was ist ein Ironman 70.3?

Der Ironman 70.3 ist ein Triathlon über die Mitteldistanz und gehört zur Marke Ironman. Ein kompletter Ironman umfasst 140,6 Meilen, das entspricht 226 Kilometer. Die Hälfte dieser Distanz ergibt 70,3 Meilen (113,14 km) – daher der Name. Früher sprach man vom „Half Ironman“, Anfang der 2000er-Jahre wurde die Bezeichnung Ironman 70.3 eingeführt und eine eigene Rennserie aufgebaut. Ein Wettkampf über diese Distanz besteht aus 1,9 Kilometern Schwimmen, 90 Kilometern Radfahren und einem Halbmarathon über 21,1 Kilometer.

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