Volodymyr Stankevych ist mit den Heidenheimer Fechtertagen eng verbunden. Seit 22 Jahren ist er Nationaltrainer der ukrainischen Degenfechter – und kam bereits selbst als Fechter zu den Wettkämpfen an die Brenz. Im Rahmen der diesjährigen Fechtertage nahm sich Stankevych Zeit für ein Interview, um über sein Heimatland zu reden, in dem seit einem Jahr ein Krieg tobt.
Herr Stankevych, vor einem Jahr überfielen russische Truppen die Ukraine. Wo waren Sie damals?
Volodymyr Stankevych: Zu Beginn der Angriffe war ich zu Hause in Kiew. Als die Angriffe heftiger wurden, half uns der Direktor des Olympischen Trainingscamps. Das Camp liegt außerhalb der Stadt. So konnten wir dort zunächst die Zeit verbringen. Bei Luftalarm versteckten wir uns im Bunker, glücklicherweise wurden wir dort nicht beschossen. Ein Teil unserer Fechter war zwischenzeitlich auf Vermittlung von Bayer Leverkusen nach Deutschland geflohen. So teilte sich die Gruppe auf. Später kamen wir dann bei den Fechtertagen 2022 in Heidenheim wieder zusammen. In der Zwischenzeit waren wir beim Weltcup in Georgien.
Wo leben Sie mit Ihrer Familie?
Meine Frau ist gerade in der Ukraine. Wir haben Glück, weil wir in einer dünner besiedelten Gegend außerhalb wohnen, zwischen Kiew und Tschernihiv. Dort wird nicht bombardiert. Mein Sohn, der auch Volodymyr heißt, ist bei den Heidenheimer Fechtertagen dabei.
Männer wurden in die ukrainische Armee eingezogen. Mussten Sie oder Ihre Fechter auch an die Front?
Normalerweise müssen erwachsene Männer bis 50 Jahre Kriegsdienst leisten. Profisportler wie unsere Fechter sind davon ausgenommen. Um die Ukraine verlassen zu dürfen, mussten wir uns verpflichten, zurückzukommen. So haben wir eine Ausnahmegenehmigung zur Ausreise für die Wettkämpfe. Wir müssen aber angeben, wo wir sind und wie lange wir dortbleiben.
Kam der russische Angriff für Sie überraschend?
Der Angriff kam für jeden von uns unerwartet, wir wussten von nichts. Jeder hat es gespürt, als es losging: Praktisch einen Tag lang flogen ununterbrochen Marschflugkörper über unseren Köpfen. Ich hatte keine Ahnung von den Plänen der Russen, im Fernsehen bekam ich auch nicht mit, dass es losgehen würde. Wir hätten eher damit gerechnet, dass es im Osten der Ukraine passiert, in Donezk und Luhansk. Aber dass sie so weit gehen, hätte niemand gedacht.
Der Krieg tobt noch immer in Ihrem Heimatland. Können Sie sich momentan überhaupt aufs Fechten konzentrieren?
Das Fechten ist mein Leben, das bekommt man nicht aus dem Kopf. Doch der Krieg ist jetzt eine Tatsache und beides miteinander zu verbinden, fällt in der Tat sehr schwer. Natürlich erschweren es die Gedanken an Krieg, sich aufs Fechten zu konzentrieren. Man kann wenig planen, man muss alles beantragen, der Krieg ist allgegenwärtig.
Haben Sie Verwandte oder Freunde im Krieg verloren?
Ich habe sehr viele Bekannte, die umgekommen sind und weiter umkommen. Mein Sohn ist zwar wegen des Fechtens vom Dienst freigestellt, aber er ist auch als Soldat verpflichtet. Auch meine Tochter könnte eingezogen werden, da macht man sich schon große Sorgen. Zurzeit ist sie beruflich für einen Monat in Montenegro, da ist sie auch sicher. Zum Glück ist aus meiner Verwandtschaft bislang niemand getötet worden.
Was sagen Sie zur Unterstützung der Ukraine?
Unterstützung jeglicher Art ist immer wichtig und wir sind sehr froh darüber. Jeder sollte froh sein, wenn ihm geholfen wird. Voriges Jahr wurden wir in Heidenheim sehr herzlich empfangen, mit viel Mitgefühl. Auch materiell wurden wir unterstützt, von jedem nach seinen Möglichkeiten. Inzwischen hat man sich daran gewöhnt, wir bekommen natürlich weniger Aufmerksamkeit – aber das ist okay und normal, schätze ich.
Wie kann der Krieg beendet werden?
Ich denke, man muss einen Weg finden, miteinander zu reden. Jeden Tag sterben Menschen, das muss beendet werden. Menschenleben sind das Wertvollste und diese Verluste sind verheerend für unser Land.
Fühlen Sie sich in Heidenheim
denn sicher?
Heidenheim ist für uns inzwischen wie eine zweite Heimat. Wir kommen seit Ende der 80er-Jahre hierher. Mein Lieblingsplatz ist der Schlossberg, das Congress-Centrum neben Schloss Hellenstein ist ein wunderschöner Ort.
Heidenheim
XY gewann den Heidenheimer Pokal
Bereits als Fechter war Volodymyr Stankevych bei den Heidenheimer Fechtertagen dabei. Sein Lieblingsplatz ist der Schlossberg rund um das Congress Centrum und Schloss Hellenstein. Nach seiner aktiven Zeit wurde er Trainer und ist seit 22 Jahren Nationalcoach.