Fehlstart. Mit einer schmerzhaften 1:2-Niederlage gegen Japan ist die deutsche Nationalmannschaft in die Weltmeisterschaft in Katar gestartet. Dabei war die große Bedeutung des Auftaktspiels im Vorfeld des Turniers von Spielern, Funktionären und Fans so oft betont worden. Eine besonders große Bedeutung hatte die Begegnung auch für Nobuko Takahasi und Mathias Kolb aus Heidenheim. Für das fußballbegeisterte deutsch-japanische Ehepaar war es aus offensichtlichem Anlass wohl das wichtigste Spiel der WM. Ein Nachmittag bei ihnen zu Hause.

Selbstverständlich haben die beiden bereits Vorkehrungen für das Spiel getroffen. Beide tragen ein Trikot ihres Landes, auch die jeweiligen Flaggen hängen rechts und links vom Fernseher. Außerdem ist der von Kolb „japanisches Zimmer“ genannte Raum mit Tatami-Matten und einem Kotatsu, einem elektrisch beheizten Tisch, ausgestattet. Bis zum Spielbeginn dauert es noch eine Weile. Zeit, mehr über Nobuko Takahasi und Mathias Kolb zu erfahren.

Kennengelernt über Austausch

Der 55-jährige Kolb ist in Ulm geboren und hat danach sein ganzes Leben in Heidenheim gelebt. 1999 traf er Takahasi zum ersten Mal. Er war Teilnehmer eines Simultan-Austauschs der Deutschen Sportjugend mit Ise, einer japanischen Stadt mit knapp 130.000 Einwohnern. In den folgenden Jahren ging er noch ein weiteres Mal nach Japan, zwei Mal kam die japanische Gruppe, darunter auchTakahasi, nach Deutschland, wo sie bei Kolb unterkam. „So haben wir uns allmählich besser kennengelernt“, sagt Kolb.

Im Jahr 2004 zog Takahasi schließlich nach Deutschland. Dort lernte sie auch Kaori Kettler kennen, mit der sie heute befreundet ist. Diese stammt ebenfalls aus Japan und ist heute zum Fußballschauen eingeladen. Auch manche japanische Traditionen führt Takahasi in Heidenheim fort. Jeden Winter treffen sie sich mit einer anderen japanischen Familie aus Heidenheim, um den „Wintertopf“, ein Gemüse-Fisch-Eintopf, zu kochen. Zudem beherrscht und praktiziert Takahasi die Kunst der Teezeremonie.

Interesse an deutscher Kultur

Die heute 49-Jährige hatte bereits in Japan Germanistik studiert und als Englischlehrerin gearbeitet: „Ich interessiere mich sehr für die europäische Kultur und ich lerne gerne Fremdsprachen“, so Takahasi. Passend dazu arbeitet sie heute als Übersetzerin von Deutsch oder Englisch ins Japanische. Zudem gibt sie Japanischkurse an der Vhs. Kolb arbeitet bei einem lokalen Unternehmen als IT-Administrator.

Vor zehn Jahren gaben sie sich dann das Ja-Wort und leben heute zusammen in einem Einfamilienhaus oberhalb der Karl-Rau-Halle. Etwa seit dem Einzug in das Haus im Jahr 2009 verfolgen sie auch zusammen den FCH.

Treue Stadiongänger

Beide sind Mitglied, ein großer Teddybär im Wohnzimmer, eingekleidet mit Trikot und Schal des Vereins, erinnert stark an FCH-Maskottchen Paule. Maskottchen spielen in Japan eine große Rolle: „Ich wollte unbedingt Paule sehen“, sagt Takahasi. Neben Paule haben die Kolbs auch jedes Heimspiel des FCH in dieser Saison gesehen – im Stadion. Das ist wahre Vereinstreue!

Besonders interessant waren dabei natürlich die Gegner mit japanischen Spielern in ihren Reihen. Während es bei Düsseldorfs Ao Tanaka nicht gelang, konnte Takahasi im Heimspiel zuvor das Trikot von Masaya Okugawa, Mittelfeldspieler von Arminia Bielefeld, ergattern. Auch über den FCH hinaus verfolgen die beiden den deutschen Fußball sehr ausführlich: „Wir schauen alle Spiele der 2. Bundesliga und auch die meisten Bundesliga-Spiele“, so Kolb.

Und wie war die Reaktion nach der WM-Gruppenauslosung? „Die Japaner haben sich gefreut“, sagt Takahasi. Kolb hingegen sei skeptischer gewesen: „Es wäre schon schade, falls man sich gegenseitig rauswirft.“ Vor dem Spiel am Mittwochnachmittag tippt er auf einen 2:1-Sieg der Deutschen, Takahasi auf ein versöhnliches 2:2. Ihre Freundin Kettler geht von einem 2:0 für Deutschland aus. Im Nachhinein wissen wir: Zum Glück haben sie kein Geld gesetzt.

Grüner Tee und Reis-Snacks

Während des Spiels gibt es „Kaki no Tane“, einen leicht scharfen japanischen Reis-Snack mit Nüssen. Außerdem steht Grüner Tee auf dem Tisch. Takahasi und Kettler jubeln ihrer Mannschaft aufgeregt zu, spätestens beim Abpfiff liegen sie sich in den Armen und strahlen über das ganze Gesicht. Mit typisch japanischer Zurückhaltung applaudieren sie ihrer Mannschaft, die es geschafft hat, den großen Favoriten Deutschland zu bezwingen. Kolb hingegen analysiert nüchtern: „Wenn man seine Chancen nicht nutzt und den Gegner durch Fehler in der Defensive zurückkommen lässt, dann verliert man eben das Spiel.“ Immerhin bleibt der Sieg in der Familie.

Und zieht Takahasi ihn angesichts der peinlichen Niederlage der Deutschen auf? „Nein, das liegt nicht in der Mentalität der Japaner“, sagt er. Diese Mentalität ist beeindruckend: Nach Spielende im Khalifa International Stadium sammelten die japanischen Fans, ausgestattet mit Müllsäcken, Abfälle ein. Auch bei der vergangenen WM im Jahr 2018 sorgten die Fans auf der Tribünen und die Spieler in der Kabine für Sauberkeit. Takahasi: „Das ist für uns selbstverständlich.“