Der 4:3-Auswärtssieg der SG Herbrechtingen/Bolheim bei Türkspor Heidenheim rückte am Sonntagnachmittag in den Hintergrund. Die Gastgeber beendeten die intensiv geführte Partie zu acht, drei Platzverweise wurden gegen Türkspor ausgesprochen. Am Montag erhoben die beiden Spieler, die wegen grober Unsportlichkeit die rote Karte gesehen hatten, den Vorwurf, sie seien wegen ihrer afrikanischen Herkunft von einem Gegenspieler beleidigt worden. Die SG Herbrechtingen/Bolheim bestreitet die angeblichen Beleidigungen.
Doch was war passiert: Es sei schon eine aufgeheizte Stimmung gewesen, sagte Rudolf Wind. Der routinierte Unparteiische, der in seiner Karriere über 2500 Spiele pfiff, leitete am Sonntagnachmittag die Partie der Fußball-Kreisliga A 3 zwischen den Heidenheimern und der SG.
Zunächst fielen beide Teams mit Toren auf: Erst führten die Gäste mit 1:0, per Doppelschlag drehte Türkspor die Partie. Mit zwei weiteren Toren ging aber erneut die SG in Führung, nach jeweils einem Treffer auf beiden Seiten stand es nach rund einer Stunde 4:3 für die Gäste.
Intensität schaukelte sich hoch
Neben den sieben Treffern musste Rudolf Wind aber auch zahlreiche gelbe Karten notieren. „Eigentlich komme ich mit wenigen Verwarnungen aus“, sagte der erfahrene Schiedsrichter, „Aber das war in diesem Spiel anders.“ Die Intensität habe sich in der zweiten Halbzeit hoch geschaukelt, so der Unparteiische.
Aus sportlicher Sicht war die Partie des fünften Spieltags für beide Teams eine wichtige. Sowohl Türkspor als auch die SG hatten einen mäßigen Start in die Saison hingelegt, mit jeweils drei Punkten lagen sie im unteren Drittel der Tabelle. Was sich in der Schlussviertelstunde dann aber auf dem Schnaitheimer Kunstrasen abspielte, ging aber über die Grenzen des Sportlichen hinaus.
Drei Platzverweise für Türkspor Heidenheim
Zunächst schickte Wind einen Türkspor-Spieler mit der gelb-roten Karte vom Feld. „Er war schon verwarnt und hat dann nicht aufgehört zu meckern“, erklärte er den ersten Platzverweis, der nicht der einzige bleiben sollte.
Fünf Minuten vor Ablauf der 90 Minuten gab es nach einem Foulspiel der SG eine Rudelbildung. Dabei habe laut des Unparteiischen ein Spieler der Gastgeber einen Gegenspieler mit beiden Händen zu Boden gestoßen. „Daraufhin habe ich die rote Karte wegen Tätlichkeit gezeigt“, erklärte Wind die Situation. Die selbe Karte musste er fünf Minuten gegen einen zweiten Spieler zücken. „Mit gestrecktem Bein sprang der Spieler von Türkspor in seinen Gegenspieler und traf ihn mit hoher Geschwindigkeit an der Schulter“, sagte der Referee, der Angst um die Gesundheit des Spielers gehabt habe.
Unverständnis auf beiden Seiten
Nach dem Schlusspfiff reagierten beide Teams mit Unverständnis für die unsportlichen Aktionen in den Schlussminuten. „Wir wollen solche Fouls von unseren Spielern nicht sehen und entschuldigen uns bei dem betroffenen Spieler für die Tätlichkeit und wünschen ihm eine gute Besserung“, sagte Türkspor-Trainer Ümit Meral am Montagvormittag.
Auf ihrem Instagram-Profil veröffentlichten die Heidenheimer ebenfalls am Montag dann ein Bild mit dem Schriftzug „NO TO RACISM“ und schrieben dazu eine Nachricht im Wortlaut: „Gemeinsam gegen Rassismus. Aufgrund der jüngsten Ereignisse ist das Thema wieder sehr präsent. Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen! Türkspor Heidenheim ist gegen Rassismus in jeglicher Art und Weise!“
Türkspor-Spieler berichten von Beleidigungen
Auf Rückfrage unserer Zeitung erklärte Meral die Botschaft. „Wir waren sehr überrascht von den Aktionen unserer Spieler. Sie sind eigentlich sehr ruhige und zurückhaltende Menschen“, so der Übungsleiter, „Am Sonntag waren sie nach der Partie ziemlich aufgelöst und gar nicht ansprechbar.“ In Gesprächen am Montagmorgen hätten die beiden Spieler dem Trainer erzählt, sie seien während des Spiels von einem Gegenspieler beleidigt worden. Die Worte „Scheiß Afrikaner“ und „Geht zurück nach Somalia“ sollen gefallen sein, so der Coach der Heidenheimer. Auch ähnliche Worte aus dem Publikum habe es angeblich gegeben. „Wir haben auf dem Platz nichts gehört. Wenn wir das gleich mitbekommen hätten, hätten wir das Spiel sofort abgebrochen“, sagte Meral, „aber sie haben uns nichts gesagt.“
Beleidigungen auf dem Spielfeld von Trainern und Schiedsrichter nicht zu hören
Ebenfalls nicht wahrgenommen hatte Schiedsrichter Rudolf Wind mögliche Provokationen. „Ich hätte jegliche Beleidigungen sofort sanktioniert“, sagte er. Die Verantwortlichen der SG Herbrechtingen/Bolheim beteuerten ebenfalls, dass sie nichts gehört hätten und auch nach Rücksprache mit ihren Spielern keine Provokationen in Richtung der beiden Heidenheimer Akteure gefallen sein sollen.
„Von unserer Seite hat es keine Beleidigungen gegeben“, versicherte SG-Abteilungsleiter Rudi Geiger. Guiseppe Donato, Trainer des Aufsteigers, bezog klar Stellung gegenüber möglichen Beleidigungen. „Wir stellen uns als gesamter Verein aus voller Überzeugung gegen jede Form von Rassismus“, sagte er. Zu der harten Aktion vor der zweiten roten Karte fand er aber auch deutliche Worte. „Das grenzte an Körperverletzung. Nach solch einem Tritt sollen diese Spieler sich jetzt nicht in die Opferrolle begeben“, sagte Donato.
Türkspor-Trainer hakt Vorkommnisse ab
Einen Rassismusvorwurf würden die Heidenheimer der SG aber auf keinen Fall machen wollen, betonte Ümit Meral. „Wir haben ein gutes Verhältnis zur SG und das soll auch so bleiben. Wenn so etwas passiert, müssen wir es thematisieren“, sagte der Türkspor-Trainer, fügte aber hinzu: „Für uns ist das Thema damit auch erledigt und wir konzentrieren uns auf das nächste Spiel.“
Fleinheim