In der Halbzeitpause lässt Lena Kröner ihre Torchance noch einmal Revue passieren. Wie es im Fußball halt üblich ist. „Den Ball habe ich leider nur mit der Pike getroffen“, sagt sie. Und zwar zu „ihren“ Jungs. Die 24-Jährige ist Teil eines Männerteams, das die Reserve des SV Großkuchen bildet (zweite Mannschaft). Seit der Saison 2023/24 sind im Württembergischen Fußballverband (WFV) aufgrund einer Ordnungsänderung gemischt-geschlechtliche Teams im Amateurfußball möglich, was von manchen Beobachtern als kleine Revolution angesehen wurde. Zuvor durften junge Fußballerinnen nur bis zur U17 zusammen mit Jungs spielen. Ab der U19 ging es für sie in reine Frauenteams.
Lena Kröner hatte zunächst in reinen Mädchenteams gespielt. Sie war allerdings so talentiert, dass sie auch mal eine komplette Jugend übersprungen hat. Schon damals wurde sie auch von ihrem Vater, Bernd Kröner, trainiert. Dieser ist auch heute ihr Coach. Und dafür verantwortlich, dass Lena Kröner wieder Fußball spielt.

Die ausgebildete Torhüterin war einige Jahre beim FC Härtsfeld, legte dann aber eine Pause ein. Neben dem Dreischichtbetrieb als Gesundheits- und Krankenpflegerin (Kliniken Ostalb) wurde ihr auch der Weg nach Dischingen zu weit, nachdem sie mit ihrem Freund, Patrick Wölfl, in Westhausen zusammengezogen war. „Vielleicht hätte ich sogar ganz aufgehört“, sagt sie rückblickend. Doch da hatte sie die Rechnung ohne ihren Vater gemacht. Dieser lotste zunächst Patrick Wölfl, der ebenfalls Torwart ist, zum SV Großkuchen. Um dann in der Wintervorbereitung der vergangenen Saison mit seiner Tochter zu sprechen. „Er meinte zu mir, dass mein Freund eh dabei ist und ob ich nicht auch mal ins Training kommen will“, erzählt Lena Kröner. „Dann bin ich halt mal mitgekommen.“

Beim Reserveteam des SV Großkuchen ging es für sie aber aufs Feld. „Mit dem Ball am Fuß? Das kann ich“, sagt Lena Kröner selbstbewusst. Auch von ihrem Vater gab’s nach der ersten Trainingseinheit Lob: „Du hast es nicht verlernt“, hat er zu mir gesagt, so Lena Kröner. Da Bernd Kröner ein Mann der Tat ist, wurde der Spielerpass seiner Tochter gleich mal nach Großkuchen geholt. „Für Notfälle“, wie es damals hieß. „Auf einmal war ich wieder voll dabei“, sagt Lena Kröner mit einem Lachen. Im Landkreis Heidenheim ist sie damit die wohl erste Frau, die in einem Männerteam spielt. Im Bereich des WFV gab es in der Saison 2023/24 immerhin 36 Frauen, die ein Spielrecht bei Männer-Mannschaften hatten.
An ihr erstes Spiel kann sich Lena Kröner natürlich noch sehr gut erinnern. Es war ein Freundschaftsspiel gegen die SG Hohenmemmingen/Burgberg. „Da war ich schon ganz anders aufgeregt“, sagt Lena Kröner. Körperlich gehe es bei den Männern anders zur Sache, wovor die 24-Jährige Respekt hat. „Zum Beispiel gibt es bei Frauen eher selten Grätschen. Auch ist die Geschwindigkeit höher. Manchmal bin ich schon ein, zwei Schritte zu langsam.“ Was ihr aber auch auffällt: „Ich habe das Gefühl, dass Männer auch Respekt haben, gegen eine Frau zu spielen.“

Das kann wiederum Salvatore Di Gregorio bestätigen. Der 45-Jährige trainiert beim SV Mergelstetten die A-Junioren und die zweite Mannschaft, mit der er jüngst beim Reserveteam des SV Großkuchen antrat. „Als die Mannschaftsaufstellung bekannt wurde, und dass beim Gegner eine Frau dabei ist, haben mich meine Spieler schon gefragt: Trainer, wie sollen wir das angehen? Dann geht es um Fragen des Tacklings in Zweikämpfen“, beschreibt der SVM-Coach die erste Reaktion seines Teams. Bernd Kröner wiederum stellt manchmal „überraschte Blicke“ bei Gegenspielern fest. Weil wohl noch nicht allen klar sei, dass Frauen in Männerteams mitspielen dürfen, vermutet der Großkuchener Coach. Auch werde seine Tochter anfangs unterschätzt. Aber eins sei auch klar: „Von einer Frau möchte sich kein Gegenspieler abkochen lassen“, sagt Bernd Kröner.
Sein Trainerkollege, Salvatore Di Gregorio, sagt dazu: „Wenn beim Gegner eine Frau dabei ist, dann wird sie auch etwas auf dem Kasten haben. So ist zumindest der Gedankengang. Sonst wäre ja die Gefahr da, dass sie sich blamieren könnte. Weil eben die Augen auf sie gerichtet sind. Wenn du dich also nicht auskennst, wagst du als Frau diesen Schritt nicht“, ist der 45-Jährige überzeugt. Bei Lena Kröner habe man gesehen, dass sie wisse, was sie tue: „Sie hat gut mitgehalten und war auf dem Feld sehr aktiv.“

Allgemein gilt Lena Kröner als technisch starke Spielerin, die viel Übersicht hat. „Von der Spielintelligenz her ist sie den meisten wahrscheinlich überlegen“, wählt Lena Kröners Freund, Patrick Wölfl, deutliche Worte. „Aber auch sonst setzt sie sich gut durch.“ Auch der 30-Jährige kann von Reaktionen berichten. „Manche wundern sich schon noch: Wie, eine Frau in einer Männermannschaft?“, erzählt der Torhüter, der aus Lauchheim stammt. Anfangs sei es für ihn „schon komisch“ gewesen, dass seine Freundin dabei ist. Zugleich freut er sich: „Wir sind zusammen unterwegs und können so mehr Zeit miteinander verbringen“, sagt der Keeper, der mittlerweile allerdings in die erste Mannschaft hochgezogen worden ist. Aber: Beim Torwarttraining mit Bernd Kröner ist Lena Kröner auch dabei.
Eine Familienangelegenheit also, was auch Mutter Sandra Kröner als Zuschauerin bestätigen kann. „Es ist besser so, als wenn sie es mit dem Fußball ganz sein gelassen hätte“, sagt die Krankenschwester. Ihre Tochter sei noch nie ein ängstliches Kind gewesen. „Sie kann gut mithalten und ist jetzt mittendrin, statt nur dabei.“

In der Rückrunde der vergangenen Saison kam Lena Kröner zu einigen Einsätzen, in der Regel wurde sie eingewechselt und war maximal eine Halbzeit dabei. In dieser Saison spielt sie auch schon durch. Gegen den SV Mergelstetten stand sie fast die gesamten 90 Minuten auf dem Platz. „Von den Zuschauern bekomme ich auch viel positives Feedback“, sagt Lena Kröner. „Dass sie es mutig finden und ich meine Sache schon gut mache. Für mich ist klar, dass ich weitermache. Auch, wenn es bei mir noch immer eine andere Aufregung vor Spielen ist. So ganz wird sich das wohl nie legen.“
Heimspiel am Sonntag, 21. September
Die Reserve des SV Großkuchen mit Lena Kröner bestreitet am Sonntag, 21. September, ein Heimspiel gegen die SG Ohmenheim/Dorfmerkingen (13 Uhr). Im Anschluss treffen die beiden ersten Mannschaften aufeinander (15 Uhr).
Lena Kröner arbeitet als Gesundheits- und Krankenpflegerin in der Neurologie-Abteilung der Kliniken Ostalb, wie ihre Mutter Sandra (andere Abteilung), im Schichtbetrieb. Im Alter von drei Jahren fing sie mit dem Fußballspielen an. In der Jugend spielte Lena Kröner bereits beim SV Großkuchen, der damals in der C-Jugend ein Mädchenteam stellte. Von Ebnat, wo sie aufwuchs, zog die gelernte Torhüterin nach Westhausen. Als Kind war der ehemalige Torhüter Oliver Kahn (Bayern München) ihr Idol. Bei den Fußballerinnen war es die ehemalige deutsche Nationalspielerin Birgit Prinz (zweimalige Welt- und fünfmalige Europameisterin).
Lena Kröners Umkleidekabine ist in der Regel der Raum für Schiedsrichter, da in der Reserveliga keine offiziellen Schiedsrichter gestellt werden. Die Spiele werden von Verantwortlichen der jeweiligen Vereine geleitet.
Laut DFB gab es in der Saison 2023/24 knapp 206.000 Fußballerinnen in 4186 gemeldeten Frauenteams. Zum Vergleich: Zugleich waren 37.448 Männerteams gemeldet, mit knapp 2.066.000 Millionen Fußballern (etwa zehnmal so viele wie Fußballerinnen).