Bastian Heidenfelder war Teil der Mannschaft, die den 1. FC Heidenheim durch den Aufstieg in die 3. Liga erstmals auf die deutsche Fußballkarte setzte. Sein Spitzname ist legendär, auch wenn es beim FCH einen weiteren „Bomber“ gibt. Nach seiner aktiven Zeit war Bastian Heidenfelder die rechte Hand von Holger Sanwald. Heute arbeitet er bei „Encontec“ und lebt mit seiner Frau Franziska und Töchterchen Toni (3) im Osterholz.
Herr Bastian „Bomber“ Heidenfelder: Bomber scheint ein doch gängiger Spitzname beim FCH zu sein? Auch Stefan Schimmer trägt ihn …
(lacht) Ich finde das lustig. Tatsächlich habe ich mich mal mit Stefan in der Stadt darüber unterhalten. Von der Struktur her, wie wir beide Fußball spielen, ähneln wir beide uns im Ansatz. Er spielt natürlich auf einem anderen Niveau. Ich hoffe, dass der jetzige Bomber noch so oft wie möglich trifft.
Wie kam es zum Spitznamen „Bomber“?
Den habe ich, glaube ich, beim TSV Crailsheim bekommen. Klar, Gerd Müller, der beste deutsche Stürmer aller Zeiten, war der Bomber der Nation. Solche Spielertypen wie ihn gibt es von der Kreisliga bis ganz nach oben immer wieder mal. Spieler mit schnellen Drehungen und einem direkten Zug zum Tor.
Was waren Sie für ein Fußballer-Typ?
Kein filigraner Spieler. Und technisch nicht der Beste. Aber ich konnte einigermaßen gut mit dem Ball umgehen. Was ich auch hatte, waren sehr muskulöse Oberschenkel. Von der Statur her hatten Gerd Müller und ich eine gewisse Ähnlichkeit. Nur unsere Karrieren sind unterschiedlich verlaufen. (lacht)

Ihre Trikotnummer 18 trug zuletzt auch Ihre Tochter …
Wahnsinn. Ich kenne das Bild von ihr und mir bei einem Spiel der Traditionsmannschaft. Das packt mich emotional. Meine Tochter Toni fragt jetzt langsam auch nach und ich erzähle ihr von früher. Überhaupt sind die Spiele der FCH-Traditionsmannschaft auch eine Art Familientreffen.
Im ersten Jahr der FCH-Traditionsmannschaft haben Sie ja nicht die 18 gehabt …
Ja, eine Katastrophe. (lacht) Das Trikot mit der 18 war mir einfach viel zu groß. Vielleicht musste ich einfach noch ein bisschen wachsen. (lacht) Aber jetzt laufe ich wieder mit der 18 auf.
Sie kamen im Januar 2009 vom Oberligisten TSV Crailsheim zum FCH, der damals in die Regionalliga aufgestiegen war.
Ich wusste, dass der FCH Ambitionen hat. Die waren voller Überzeugung, dass sie in die 3. Liga durchmarschieren können. Also habe ich mit meinem Studium an der privaten Fachhochschule in Erding (Wirtschaftspsychologie) pausiert, um es noch einmal im Fußball zu probieren. Wir haben ja diese Monsterserie bis zum Aufstieg in die 3. Liga gespielt. Nach einem Sieg an einem Mittwochabend sind wir in die „Wunderbar“, teilweise noch in FCH-Klamotten. Heute unvorstellbar. Und ja: Zu meinem Studium bin ich nicht mehr zurückgekehrt. (lacht)

Auch die 3. Liga war eine legendäre Zeit?
Klar, die Mannschaft damals war schon etwas Besonderes. Es waren einfach Top-Charaktere, die meisten in einem ähnlichen Alter. Es war eine so tolle Zeit, weil es für viele von uns einfach die Möglichkeit gab, noch einmal wirklich im professionellen Fußball aktiv zu sein. Der ein oder andere hatte damit schon abgeschlossen oder damit nicht mehr gerechnet. Und natürlich muss man auch sagen, das Drumherum war einfach anders.
Inwiefern?
Wenn ich an die erste Saison in der 3. Liga denke: Die Umkleidekabinen waren da noch in der Südtribüne. Das war wie in der Kreisliga. So muss man sich das vorstellen. Ein Waschbecken, ein Spiegel, Holzbänke, Duschen. Ohne jeglichen Schnickschnack. Der größte Luxus, den wir im Vergleich zu der Gästekabine hatten, waren eigene Fächer.
Und wo man Heimsiege feiern konnte?
(lacht) Jetzt mal überspitzt gesagt: Es gab Spiele, die der Schiedsrichter quasi noch nicht abgepfiffen hat, da ging schon die Tür der Kabine auf und es gab ein Tablett mit 20 Bier. Jeder Spieler hatte ein Weizenglas mit seiner Trikotnummer drauf. Sensationell. Natürlich nicht jedes Mal, aber ab und an. Dazu gab es Rote Grillwürste. Und wir waren viel in der Stadt unterwegs. Ich vermute mal, dass es jetzt nicht mehr so ist (lacht). Aber klar: Die FCH-Spieler heute haben einen Harry Kane als Gegenspieler.

Und wenn es sportlich mal nicht gut lief?
Selbst dann sind immer ein, zwei Handvoll zum Kiosk in den hinteren Raum. Das war der Lagerraum mit Kühlschrank und Waschbecken. Da saßen wir zusammen und haben geredet. Das war wichtig für die Kameradschaft – auch wenn wir mal scheiße gespielt haben. Bei manchen Trainingseinheiten am Tag drauf konnte man in der Kabine riechen, was wir am Abend vorher gemacht haben. (zwinkert) Im Laufe der Jahre wurde das aber natürlich weniger.
Die Vereinsverantwortlichen haben auch mal ein Auge zugedrückt?
Sagen wir es mal so: Gerade zu Beginn der 3. Liga gab es eine lange Leine. Damals hat uns ja keiner ernst genommen. Heidenheim tauchte zum ersten Mal auf der deutschen Fußballkarte auf. Wir mussten uns den Respekt erarbeiten. Die Jungs waren einfach gern zusammen – auch außerhalb des Fußballs. Und das hat sich auf den Sport übertragen. Wir waren zwar gut, aber sicherlich nicht die Besten. Aber eben eine echte Einheit. Mit allem Drumherum. Wenn Frank und Holger uns diese Freiheiten genommen hätten, hätte dies womöglich auch sportliche Auswirkungen gehabt. Wir hatten aber auch ein gutes Gespür dafür, wann wir etwas machen konnten. Bei fünf Niederlagen in Folge wäre es schlecht gewesen, wenn einer vor der Sonntagseinheit unterwegs gewesen wäre.
Holger Sanwald kann aber auch anders?
(schmunzelt) Klar. Ein bis zwei Ansprachen gab es pro Jahr. In der alten Kabine war nicht viel Platz. Und dann war der gesamte Kader versammelt. Jeder musste sich mal vorne hinstellen und Fragen von Holle beantworten. Der hatte sich zu jedem Spieler Notizen gemacht. Ich zum Beispiel kam in einer Phase von der Bank und konnte ohne lange Anlaufzeit der Mannschaft immer gleich helfen. Da hat er mich gefragt, was mit mir los sei, weil gerade nicht so viel von mir komme. Er wollte wissen, was ich dafür tue, damit es wieder besser wird. Also von dem her: lange und kurze Leine.

Wie war’s damals in der Kabine?
Gleich am Anfang saßen Erol Sabanov und Martin Klarer. Wir drei haben uns gegenseitig Sprüche gedrückt. Ich war der Junge, sie waren die Erfahrenen. Im Training selbst war es teilweise schon grenzwertig. Ich weiß noch, dass Frank Martin und mich mal zum Laufen geschickt hat. Aber nicht zusammen, sondern jeder lief für sich allein. Weil es vorher bei Zweikämpfen heiß zur Sache gegangen war. Danach war aber auch alles wieder gut. Martin und ich haben manchmal bewusst etwas Feuer ins Training reingebracht, wenn wir der Meinung waren, dass die Mannschaft etwas Leben brauchte.
Zum Glück trafen Sie ja öfter …
Auf ein Tor werde ich immer mal wieder angesprochen. In der Regionalliga gegen Waldhof Mannheim. Kurz vor Schluss stand’s 1:1. Nach einer Ecke kommt der Ball zu mir. Ich bekomme ihn auf die Brust und haue ihn per Dropkick Vollspann durch mehrere Beine hindurch rein. Das war eine emotionale Explosion im Albstadion. Oder das 1:0 mit links ins kurze Eck beim 2:0-Sieg beim Karlsruher SC II am vorletzten Spieltag. Das war der Aufstieg in die 3. Liga.
In der Aufstiegssaison 2013/14 zur 2. Liga kamen Sie auf zwei Einsätze …
Ja, das war auch so kommuniziert. Ich habe ja bei der zweiten Mannschaft gespielt. Für mich war alles gut. Vor dem letzten Spiel der Saison, Heimspiel gegen Unterhaching, hat mich Frank nach dem Abschlusstraining angerufen und mich gefragt: Was hast Du morgen vor? Er hat mich in meinem letzten Pflichtspiel für den FCH kurz vor Schluss eingewechselt. Das rechne ich ihm bis heute hoch an. Das hat es für mich rund gemacht, meine Zeit beim FCH. Ich bin dann auch noch mit nach Malle. Ein perfekter Abschluss.

Wie wird einem mitgeteilt, dass man in den Planungen keine Rolle mehr spielt?
Bei mir war es ein Vier-Augen-Gespräch mit Frank, vier Wochen vor Ende der Saison 2012/13. Nach einem Training hat er mich zu sich ins Büro geholt und mir gesagt, dass mein Vertrag nicht verlängert wird. Natürlich war es hart und ich hätte es mir anders gewünscht. Aber es ist sauber gelaufen.
Sie sind aber beim FCH geblieben.
Es gab schon andere Optionen bei anderen Vereinen. Aber ich habe mich beim FCH wohlgefühlt und wollte mit Ende 20 auch nicht mehr woanders hingehen. Also bin ich als Führungsspieler für eine Saison in die zweite Mannschaft.
Nach eineinhalb Jahren beim damaligen Verbandsligisten TSV Essingen sind Sie im Winter 2015 in anderer Funktion zum FCH zurückgekehrt.
Ja, der Essinger Abteilungsleiter sagt bis heute zu mir: Wenn Du damals noch geblieben wärst, wären wir früher in die Oberliga aufgestiegen. (lacht) Ich habe in der Vorrunde 16 Tore gemacht. Mit dem Job beim FCH war klar, dass nebenbei noch Fußball zu spielen nicht mehr möglich war. Im ersten Jahr war ich Assistent von Holger Sanwald. Er hat mich relativ schnell einfach reingeschmissen. Kommunikation mit Beratern und so weiter. Danach war ich Sportlicher Leiter, eine Position, die noch einmal verantwortungsvoller war.

In dieser Funktion blieben Sie aber nur 20 Monate. Weshalb?
Ein Job im Fußball ist geil. Aber was mir unfassbar gefehlt hat, war es, auf dem grünen Rasen zu stehen. Das ist mir einfach abgegangen. Das habe ich Holle auch so gesagt. Er ist wiederum ein Typ, der sagt: Okay, da finden wir eine Lösung.
Sie wechselten daraufhin ins Nachwuchsleistungszentrum.
Die U19 war damals nicht so gut aufgestellt, was sowohl die Ergebnisse als auch das Drumherum angeht. Ich wurde Stellvertreter von NLZ-Leiter Bernhard Raab und Co-Trainer bei den A-Junioren. Jens Bauer, damals noch relativ jung, wurde neuer A-Junioren-Trainer. Ich konnte mit meiner Erfahrung weiterhelfen. Deswegen war es eine charmante Lösung, die einige Jahre super funktioniert hat.

Und jetzt dann doch der Wechsel in die freie Wirtschaft?
Dafür gab es einen entscheidenden Faktor: die Geburt unserer Tochter Toni. Als alleinstehender junger Mann oder, wie bei mir, mit einer Partnerin an der Seite, ist alles noch entspannt. Man legt den Urlaub so, dass es passt: Mitte Mai bis Mitte Juni und dann zwei Wochen im Dezember. Es ist nun einmal so, dass das Fußballgeschäft unflexibel ist. Und das ist im Nachwuchsleistungszentrum auch so. Mit dem Unterschied, dass du da weniger verdienst als bei den Profis. Mich hat die Frage beschäftigt, ob ich das auf Dauer so will. Was ist, wenn unsere Tochter zur Schule geht? August, September ist Ferienzeit. Was mache ich dann? Urlaub gibt es in der Zeit eben nicht. Mal spontan als Familie mal wegfahren oder ein verlängertes Wochenende haben? Auch das ist nicht möglich.
Wie kam es dann zu Ihrer beruflichen Veränderung?
Durch ein Gespräch mit Patrick Faber (ehemaliger FCH-Spieler, Teil der FCH-Traditionsmannschaft und Trainer der TSG Hofherrnweiler in der Verbandsliga). Er hatte mich gefragt, was ich noch vorhabe beim FCH. Ich habe ihm spontan geantwortet, dass ich nicht weiß, ob ich noch lange beim FCH bin. Er und ich kennen uns auch gut aus der gemeinsamen Zeit in Essingen. Dann hat er gesagt: Lass uns mal reden. So kam der Kontakt zur TSG Hofherrnweiler und zu Encontec zustande, die dort Sponsor sind. Die ersten Gespräche gab es November, Dezember 2023, zum 1. Juli 2024 habe ich beim FCH aufgehört. Für mich ist das alles Entscheidende: das mehr an Freiheit für die Familie.

Sie sind Co-Trainer bei der TSG Hofherrnweiler. Wofür sind Sie bei Encontec zuständig? Die Firma bekannter zu machen?
Das auch (lacht). Encontec ist in den Bereichen Engineering, Instandhaltung und Einkaufsdienstleistungen tätig. In Feuerbach haben wir ein akkreditiertes Prüflabor für die Werkstoffanalyse. Insgesamt haben wir fünf Standorte. Die Zentrale ist in Schwäbisch Gmünd, ich bin in Oberkochen. Mit Kollegen betreue ich als Recruiter das Personalmanagement bzw. das Bewerbermanagement für diesen Standort. Ich erstelle die Stellenprofile, treffe die Vorauswahl, führe die ersten Gespräche bis zur Anstellung durch. Das ist der eine Teil der Aufgabe für die Mitarbeiter am Standort Oberkochen.
Zudem bieten wir auch Personaldienstleistungen an. Wir haben hier in der Umgebung zwei sehr große Kunden, die viele Stellen ausschreiben und einen großen Personalbedarf haben. Wir bieten qualifizierte Mitarbeiter an, die ich rekrutiere und dann betreue. Zum Beispiel Industriemechaniker, Elektriker, Logistiker, Einkäufer, aber auch Projektleiter oder Softwareentwickler. In alle Berufe muss ich mich einarbeiten, was teilweise schon eine Herausforderung ist. Abwechslungsreich macht den Job, dass ich im direkten Kontakt mit unseren Kunden bin und auch neue Kunden akquiriere. Insbesondere im Raum Heidenheim und Ulm.
Welcher Beruf stellt eine besondere Herausforderung dar?
Optische Wissenschaften – das ist der Endgegner. (lacht)
Zahlen und Fakten
von Januar 2009 bis Sommer 2014 beim FCH (als Spieler)
119 Spiele für den FCH
2 Aufstiege, bis in die 2. Liga
24 Tore, 9 Tore vorbereitet
Bastian Heidenfelder hat in der Rückrunde der Saison 2008/09 der Regionalliga Süd für den 1. FC Heidenheim in 17 Spielen sieben Tore erzielt und damit wesentlich zum Aufstieg in die 3. Liga beigetragen.
Insgesamt war Bastian Heidenfelder knapp 14 Jahre beim 1. FC Heidenheim (als Spieler, Sportlicher Leiter und Co-Trainer der A-Junioren).
So ganz ohne Fußball geht es bei Bastian Heidenfelder natürlich nicht. Der 39-Jährige ist Co-Trainer bei der TSG Hofherrnweiler in der Verbandsliga. Hier bildet Heidenfelder mit Cheftrainer Patrick Faber ein Duo. Nach vielen Jahren als „Co“ (beim FCH und der TSG) sieht es Heidenfelder als reizvoll an, mal ein Team auch als Cheftrainer zu betreuen.