Ehemalige Spieler des FCH

Torhüter Denis Baum über große Erfolge und bittere Momente beim 1. FC Heidenheim

Im achten Teil der Serie „FCH-Legenden“ erzählt Denis Baum, wie es 2009 zum Mallorca-Trip des 1. FC Heidenheim kam, was der ehemalige FCH-Zeugwart Alfred Gawenda mit seinem bittersten Moment zu tun hatte, wieso er heute dafür dankbar ist, Torwarttrainer bei der TSG Schnaitheim zu sein und mit welchen (künftigen) Nationalspielern er gespielt hatte:     

Denis Baum erlebte als junger Spieler den Durchmarsch des 1. FC Heidenheim von der Oberliga in die 3. Liga. Obwohl er als Torwart für den FCH nur 22 Spiele in sechs Jahren bestritt, blickt er stolz auf seine Profikarriere zurück. Heute lebt der 38-Jährige mit seiner Frau Elisabeth und den Töchtern Marie und Lena in Heidenheim (an der Grenze zu Schnaitheim) und arbeitet als Industriekaufmann für die Firma Schuck.

Herr Baum, Sie waren ja deutscher Meister?

(lacht) Ja, die Jugendzeit beim VfB Stuttgart ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Wir wurden mit der B- und A-Jugend deutscher Meister. Mit Spielern, die später groß rausgekommen sind.

Zum Beispiel?

Sami Khedira, Andreas Beck, Serdar Tasci oder Adam Szalai. Ich bin ein Stück weit auch stolz darauf, dass ich mit diesen Jungs zusammengespielt habe. (Khedira, Beck und Tasci wurden deutsche Nationalspieler, Szalai ungarischer/Anmerkung der Redaktion)

Was war ein Highlight Ihrer Profizeit?

Die war ja leider nicht allzu lang. Und trotzdem war es ja eine schöne Zeit. Als Profi in der 3. Liga vor 10.000 Zuschauern zu spielen. Das war eines der Highlights.

Da muss man sich ganz schön strecken: Denis Baum im Spiel des 1. FC Heidenheim beim VfL Osnabrück im September 2009. Foto: Kemme

2009 in Osnabrück.

Ja, es war das erste Drittligajahr des FCH. Als Underdog haben wir an der Bremer Brücke zur Halbzeit sogar mit 2:0 geführt. Vor so einer Kulisse. Wir haben das Spiel aber leider doch noch aus der Hand gegeben und in der letzten Minute noch das 2:3 kassiert.

Im Osnabrücker Dauerregen haben die Heimfans am Ende etwas gesungen…

(lacht) Ach ja, okay. Sie sind gut vorbereitet. Ja, das war im negativen Sinne ein „Highlight“. Dennoch bleibt so etwas hängen. Als ich nach Spielende traurig auf dem Rasen saß, habe ich langsam die Rufe der Osnabrücker Fans wahrgenommen: Wir haben den Baum gefällt. Das haben sie natürlich schön ausgenutzt. Zum Schmunzeln war’s mir in dem Moment nicht. Aber so etwas vergisst man nicht.

In die 3. Liga sind Sie mit dem FCH als Meister der Regionalliga Süd gekommen…

Am vorletzten Spieltag der Saison 2008/09 hatten wir die Meisterschaft in Karlsruhe vorzeitig perfekt gemacht. Das war eine lustige Heimfahrt.

Erzählen Sie!

Kann man sich ja denken. Es ging drunter und drüber. Wir haben mit Kaltgetränken und lauter Musik die Heimfahrt in vollen Zügen genossen. Ich glaube, dass wir sogar während dieser Fahrt aus dem Bus heraus den Trip nach Mallorca gebucht haben. Und wir hatten ja noch ein Spiel. Zu Hause gegen Nürnberg II.

Vor diesem letzten Saisonspiel ging’s zum Feiern auf die Insel? Dafür gab’s die Erlaubnis?

Ja, Frank (Schmidt) und Holger (Sanwald) waren da sehr verständnisvoll. (lächelt) Wir waren, glaube ich, von Sonntag bis Donnerstag auf Mallorca. Am Samstag war dann das Spiel. Aber das haben wir verloren. (lacht)

Rein ins Vergnügen: Denis Baum als FCH-Keeper im April 2010. Foto: Eibner

Auch in diesem Spiel, obwohl alles schon entschieden war, stand Erol Sabanov im Tor – und nicht Sie. Wie war die Situation für Sie?

Es ist ja auch eine Kopfsache. Ich kam als junger Torhüter vom VfB Stuttgart II zu den Aktiven in die Oberliga und dachte erst einmal, dass es doch irgendwie klappen muss, dass ich eine Chance habe, zu spielen. Aber dann habe ich erst gemerkt, was es heißt, aus der Jugend zu kommen. Bei den, ich sage mal, erwachsenen Mitspielern ging es auch ums finanzielle, vielleicht sogar um die Existenz. Ich habe relativ schnell gemerkt: Hoppla, da brauchst du dir nichts darauf einbilden, dass du mal in der Jugend-Bundesliga gespielt hast. Aktivenfußball ist eine komplett andere Welt. Dennoch hatte ich die Hoffnung, dass wenn Erol (Sabanov) aufhört, ich dann eine Chance habe. Wir beide sind aber gut miteinander ausgekommen.

Die ersten drei Jahre waren Sie die Nummer zwei…

Bis die Hoffnung geschwunden ist, dass ich mal Erols Nachfolger werden könnte. Frank Lehmann kam und ich war nur noch die Nummer drei. Obwohl ich auch da noch relativ jung war, habe ich gemerkt, dass es eine schwierige Zeit wird.

Dem FCH sind Sie trotzdem treu geblieben.

Ja, ich habe mich für Heidenheim und die Region entschieden. Hier habe ich meine Frau Elisabeth kennengelernt. Für mich war klar, dass ich nicht woanders noch etwas probieren möchte. Wenn du einige Jahre nicht gespielt hast, Nummer drei oder sogar Nummer vier bist, gibt es keinen Verein, der anruft und sagt: Wir bauen jetzt auf dich. Schon gar nicht im oberen Bereich, 3. Liga oder Regionalliga.

Sie haben parallel eine Ausbildung gemacht.

Ja, zum Industriekaufmann bei der Firma Schuck. In meinem letzten Ausbildungsjahr waren wir mit dem FCH ja in der 3. Liga. Der zeitliche Aufwand war schon ziemlich heftig. Ich musste beides unter einen Hut bringen. Ich wollte es aber durchziehen, weil ich wusste, dass ich im Fußball nicht die Topkarriere hinlegen werde. Da bin ich schon Realist. Heute bin ich gottfroh, dass ich die Ausbildung gemacht habe und später beruflich neu Fuß fassen konnte.

Denis Baum arbeitet heute für die Firma Schuck in Steinheim. Foto: ed

Wofür sind Sie heute bei Schuck verantwortlich?

Jetzt bin ich im Vertriebsinnendienst Sachbearbeiter für Anfragen und Aufträge. Als Armaturenhersteller haben wir zum Beispiel große Energieversorger als Kunden. Da geht’s unter anderem um Komponenten zur Verbindung von Rohrleitungssystemen oder Armaturen für die Gebäudeversorgung wie beispielsweise Gashauseinführungen.

Während Ihrer Profikarriere war dieser Beruf noch weit weg. Wie motiviert man sich als Torhüter Nummer drei jeden Tag aufs Neue?

Die Enttäuschung, nicht zu spielen, ist ja relativ groß. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Zum einen war es immer so, dass jeder Spieler genau wusste, woran er ist. Wenn sich jemand zickig verhält oder beleidigt ist, ist man schneller weg, als man gucken kann. Was mir aber geholfen hat, war auch meine Einstellung. Ich habe es genossen, nur mit Fußball mein Geld zu verdienen. Das wollte ich so lange wie möglich ausreizen. Deswegen habe ich mich auch reingehängt und mein Möglichstes getan, um zum Mannschaftserfolg beizutragen.

Viele sagen, dass damals das Grundgerüst für die weitere, steile Entwicklung des FCH gelegt wurde…

Ja, angefangen habe ich in der Oberliga. Da war ja noch das Albstadion mit der Laufbahn außen rum. Das ganze Wachstum haben alle, die heute in der Traditionsmannschaft spielen, live miterlebt. Auch deswegen identifizieren wir uns besonders stark mit dem Verein.

Bei dem Sie sechs Jahre lang waren…

Im Sommer 2013 war für mich Schluss. Damals kämpften wir bis zum letzten Spieltag um den dritten Platz, den Aufstiegs-Relegationsplatz in die 2. Liga. Vielleicht bei einem Aufstieg… Letztlich war es eine sportliche Entscheidung. Man kann ja nicht jemandem einen Vertrag geben, nur weil er sympathisch ist oder sonst was.

Wie wird einem das mitgeteilt?

Am Tag nach dem Heimspiel gegen Offenbach wurden Einzelgespräche geführt. Das ging damals nach Trikotnummern. Ich hatte die 23 und habe etwas warten müssen. (schmunzelt) Dann wurde mir gesagt: Denis, du erhältst keinen Vertrag mehr.

Den Ball sicher in der Hand: Denis Baum im Oktober 2008 in Reutlingen. Foto: Eibner

Was war das für eine Gefühl?

Ein komisches. Einerseits hofft man ja, dass es irgendwie weitergeht. Anderseits ist man realistisch genug und kann sich schon denken, was einem blüht. Man hat eine leise Ahnung, was einem gesagt wird.

Und es war ja sehr kurzfristig…

Das war nicht einfach. Mein Vertrag lief bis Ende Juni. Mitte Mai wurde mir gesagt, dass es nicht mehr weitergeht. Also hast du fünf, sechs Wochen Zeit, dir zu überlegen, wo du einen Job findest. Oder was du machst.

Hört sich hart an.

Sehr bitter war auch der Moment, den eigenen Spint leerräumen zu müssen. Da ich keine Tasche dabeihatte, habe ich mir von Zeugwart Alfred Gawenda einen blauen Müllsack geben lassen. Das war schon bitter. Dann bin ich emotional heimgefahren zu meiner Frau und musste es ihr erzählen. Es hat schon einige Monate gedauert, bis ich das alles so richtig verarbeitet hatte. Ein Lebensabschnitt ging zu Ende, der insgesamt ein Highlight war.

So ganz hatte Sie der FCH da noch nicht losgelassen…

Das stimmt. Ich hatte die Möglichkeit, im Nachwuchsleistungszentrum, das damals erst im Aufbau war, als Torwarttrainer der A-Jugend und Mitarbeiter im NLZ, tätig zu sein. Nach einem halben Jahr wollte ich dann doch lieber im kaufmännischen Bereich arbeiten.

Wie ging es für Sie weiter?

Ich war drei Jahre lang bei einer Firma in Gerstetten.

Oktober 2022: Denis Baum als Torhüter des VfL Gerstetten. Foto: Oliver Vogel

Und sind deswegen zum VfL in die Bezirksliga?

Ja, ich kam über Ralf Polzer zum VfL. Er war ja beim HSB Co-Trainer von Dieter Märkle, zusammen mit Frank Schmidt. So hatte ich ihn kennengelernt. Nach dem Ende meiner Laufbahn hat er mich gefragt, ob ich nicht noch ein bisschen kicken möchte. (lacht)

Sie blieben sechseinhalb Jahre. Bei einem Spiel haben Sie aber nach einem Zusammenprall mit einem gegnerischen Spieler das Bewusstsein verloren.

Daran kann ich mich gut erinnern. Zumindest an die Phase, in der ich bei Bewusstsein war. (lacht) Es war ein Spiel gegen Schnaitheim. Der gegnerische Stürmer und ich wollten beide zum Ball und er hat mich mit dem Knie im Brustkorbbereich erwischt. Ich habe danach noch versucht, dem Ball hinterherzugehen, musste aber nach Luft schnappen. Es war wirklich brutal. Ich war ja dann scheinbar weg. Irgendwann bin ich wieder zu mir gekommen, es war wie morgens beim Aufwachen. Beim Zusammenprall hatte ich meine Zunge verschluckt.

Und jetzt sind Sie Torwarttrainer bei der TSG Schnaitheim

Nach meiner Zeit beim VfL Gerstetten und einem Jahr Pause rief mich Matthias Kolb an, ob ich mir vorstellen könnte, die Torhüter bei der TSG fit zu machen. Ich hatte mir Bedenkzeit ausgebeben. Damals war es aber so, dass unsere Tochter Lena mit sechs Jahren auch Lust auf Fußball hatte. Das hat also gepasst. Lena spielt übrigens kein Fußball mehr. (lacht)

Geradezu malerisch: Denis Baum an einem Herbstnachmittag, im Hintergrund ist die Firma Schuck zu sehen. Foto: ed

Macht’s Ihnen denn noch Spaß?

Absolut. Es war ein Glücksgriff, dass ich das gemacht habe. In den bislang zweieinhalb Jahren habe ich ein paar richtig gute Freunde in Schnaitheim dazugewonnen. Ich bereue keinen Tag, dass ich mich dafür entschieden habe, Torwarttrainer im Amateurbereich zu werden.

Rückblickend auf Ihre Profikarriere: Wäre für Sie mehr drin gewesen?

Im Lauf des Lebens wird man ja etwas schlauer und reifer. (lacht) Mittlerweile habe ich eine konkrete Haltung dazu. Zunächst einmal könnte man selbst das Gefühl haben, dass man etwas nicht erreicht hat. Andere könnten sagen: Der hat’s auch nicht gepackt. Das ist aus meiner Sicht aber Unsinn. Ich habe gelernt, zu sagen: Mensch, vielleicht war es das Maximale für mich, was ich hätte rausholen können, und sehe das Ganze als Erfolg, nicht als Scheitern mit meiner Körpergröße als Torwart.

Wie groß sind Sie denn?

1,78 oder 1,79 Meter. Ich habe immer gesagt, dass ich 1,80 Meter groß bin. (lacht) Letztlich bin ich stolz darauf sein, was ich erreicht habe. Ich war ein paar Jahre Profi, hatte Erlebnisse im Fußball und habe mit tollen Menschen zusammenarbeiten dürfen. Ich war Spieler unter der Trainerlegende Frank Schmidt. Und blicke stolz darauf zurück, dass ich ein Stück des Weges mit dem FCH gehen durfte.

Es gibt aber doch bestimmt etwas, was Sie anders hätten machen können?

Ich hätte vielleicht mehr an mir arbeiten können, ins Fitnessstudio gehen zum Beispiel. Einfach mehr individuelles Training machen. Was das angeht, war ich schon eine faule Socke. Das muss ich zugeben. (lacht) Aber, ob ich dann ein paar Jahre länger dabei gewesen wäre, kann auch niemand sagen. Als gebürtiger Hesse bin ich ein bisschen Eintracht-Frankfurt-Fan. Bei der Eintracht gab’s einen Trainer, Dragoslav Stepanovic, der mal gesagt hat: Lebbe geht weida. Nach dem Motto lebe ich auch ein bisschen.

Der Käfer Cabrio von Denis Baum. Foto: db

Neben Fußball haben Sie ja ein weiteres Hobby.

(lächelt) Ach, mein Hochzeitsauto. Vor elf oder zwölf Jahren, kurz nach dem Ende meiner Profi-Laufbahn, habe ich mir einen VW-Käfer, ein weißes Cabrio mit schwarzem Verdeck, gekauft. Baujahr 1973. Vor einigen Jahren hat meine Schwester geheiratet und wir haben es ihrem Mann und ihr als Hochzeitsauto angeboten. Das kam sehr gut an – und so wurde die Idee geboren. Ab und an fährt ein ehemaliger FCH-Torwart bei Hochzeiten vor. (lacht)

Denis Baum: Im Internat mit Patrick Mayer

Denis Baum Dorf stammt aus dem kleinen Ort Finkenbachtal im Süden Hessens (Odenwaldkreis), wo auch seine Familie und Freunde noch wohnen. Mit dem Fußball begann er beim FC Finkenbachtal. Über die Jugend des SV Waldhof Mannheim (die Aktiven spielten damals mit Frank Schmidt in der 2. Liga) kam Baum in der B-Jugend zum VfB Stuttgart. Dafür nahm er mehrmals die Woche (viermal Training, dazu Spiel) 140 Kilometer mit dem Zug und der S-Bahn auf sich (nur Hinweg). Somit war er an Trainingstagen und bei Spielen insgesamt vier Stunden unterwegs.

In der A-Jugend bekam der Keeper einen Internatsplatz in Bad Cannstatt, wo er unter anderem mit Patrick Mayer (heute Trainer der FCH-A-Junioren) und Andreas Beck zusammen wohnte. Über die zweite Mannschaft des VfB Stuttgart (mit Sven Ulreich) kam Baum zu einem Probetraining beim damaligen HSB.

Bei den Heidenheimer Fußballern blieb Denis Baum von Juli 2007 bis Juli 2013 (als Spieler).

Er bestritt 22 Spiele für den FCH (14 in der 3. Liga, 8 in der Regionalliga Süd)

Er erlebte 2 Aufstiege von der Oberliga bis in die 3. Liga