Manchmal braucht es nicht viele Worte. „Hallo, ich bin Diant“, stellt sich die Nummer eins des 1. FC Heidenheim in der kleinen Presserunde im Trainingslager vor. Ähnlich wenig Zeit brauchte Diant Ramaj, um sich bei seinem nicht ganz neuen Verein einzugewöhnen. „Es fühlt sich gut an, das Umfeld und die Gesichter im Staff sind mir ja bekannt und einige Spieler kenne ich auch noch“, sagt der Rückkehrer, der für die anstehende Spielzeit von Borussia Dortmund ausgeliehen ist. In Heidenheim wird er mit offenen Armen und einer Stammplatzgarantie empfangen. Den Vertrauensvorschuss will Ramaj mit Leistung zurückzahlen und auf sich aufmerksam machen.
Es fühle sich so an, als ob er nie weg gewesen wäre, beschreibt Bernd Weng seine ersten Eindrücke von Ramaj, an dessen Entwicklung der FCH-Torwarttrainer bei seiner ersten Station in Heidenheim von 2018 bis 2021 maßgeblich beteiligt war. Bekommt der FCH also den gleichen Torhüter, der sich vor vier Jahren verabschiedet hat? Nicht ganz. Aus dem hungrigen Talent ist ein selbstbewusster Keeper geworden, wie auch Frank Schmidt bemerkt. „Das ist nicht der Diant Ramaj, der gegangen ist, er hat viele Erfahrungen gesammelt im Ausland und in seiner Zeit bei Eintracht Frankfurt“, sagt der FCH-Coach, „als Persönlichkeit ist er viel gestandener.“
Aufeinandertreffen mit dem FC Kopenhagen in der Conference League
Und als Fußballer hat Ramaj nicht weniger Schritte nach vorne gemacht. In den Trainingseinheiten deutete er seine Qualitäten an, wegen des abgesagten Tests gegen Racing Straßburg konnte er sie aber noch nicht unter Wettkampfbedingungen beweisen. „Wir haben sofort seine herausragenden Fußballerfähigkeiten gesehen“, gibt Schmidt eine erste Einschätzung über den 23-Jährigen ab und präzisiert: „Nur wenige können die Bälle hinten so rausspielen.“
Dass seine starke Spieleröffnung auch abseits des Trainingsplatzes funktioniert, bekam der FCH am eigenen Leib zu spüren. In den Conference-League-Playoffs stand Ramaj auf der Gegenseite im Tor und glänzte für den FC Kopenhagen mit starken Paraden, aber auch als Ausgangspunkt vieler Angriffe.

Die starke Entwicklung seit seinem Abgang ist das Resultat von Fleiß und mutigen Entscheidungen: In Frankfurt etablierte er sich hinter Nationaltorhüter Kevin Trapp zur Nummer zwei und gewann mit der Eintracht die Europa League. Ramaj lernte viel, spielte aber nur selten. So fasste er trotz eines langfristigen Vertrags den Entschluss, mit nur 21 Jahren ins Ausland zu gehen – zum Spitzenclub Ajax Amsterdam. „Es war mein Ansporn, etwas anderes zu machen“, blickt er zurück. Und die folgenden eineinhalb Jahre wurden anders, wechselhaft und „anspruchsvoll“, wie es Ramaj selbst bezeichnet. In der Hierarchie musste er sich zu Beginn der Saison 2023/24 als dritter Torwart einordnen, was sich schnell ändern sollte. Weil sich beide Konkurrenten verletzten, bekam er seine Chance und nutzte sie.
Das ist nicht der Diant Ramaj, der gegangen ist, er hat viele Erfahrungen gesammelt im Ausland und in seiner Zeit bei Eintracht Frankfurt.
FCH-Trainer Frank Schmidt über den Rückkehrer im Tor.
„Wir waren auf dem letzten Platz, nach 30 Spielen standen wir auf einem Europapokal-Platz“, sagt der Schlussmann, der auch acht Partien im Europapokal bestritt. „Das Gefühl, unter Druck zu stehen, kenne ich“, so Ramaj. Auch in die Situation, die aktuell Kevin Müller erlebt, kann er sich gut hineinversetzen. Nach seiner starken Premierensaison in den Niederlanden bekam Ajax einen neuen Trainer und der setzte ihn auf die Bank. „Ich habe die Erfahrung auch gemacht, die Müller jetzt macht“, sagt der frühere Junioren-Nationalspieler, der trotz der Konkurrenzsituation ein gutes Verhältnis zu Müller habe und betont: „Es herrscht eine positive Stimmung zwischen den Torhütern.“
Zwischen Bank und Stammplatz: „anspruchsvolle“ 18 Monate bei Ajax Amsterdam
Positiv waren die Aussichten von Diant Ramaj auf Spielzeit in Amsterdam nicht mehr. Der Ausweg, um nicht in einer Karrieresackgasse zu landen, war die nächste mutige Entscheidung. „Das war der Wechsel nach Dortmund und die Ausleihe nach Kopenhagen“, sagt Ramaj. In der dänischen Hauptstadt übernahm er die gewünschte Rolle als unangefochtene Nummer eins und überzeugte. Als Meister, Pokalsieger und mit einer klaren Ansage kehrte er zum BVB zurück. Auf die Bank wolle er sich nicht mehr setzen, so Ramaj.
„Ich habe mich als Nummer eins bewiesen. Ich habe gegen viele Toptorhüter gespielt und habe gesehen, welches Niveau sie haben“, sagt der FCH-Torhüter, „ich bin bereit.“

Rund um die Rückkehr nach Heidenheim ist nicht zu übersehen: Der 23-Jährige strotzt vor Überzeugung. Dass ihm die forschen Ansagen als überheblich oder arrogant ausgelegt werden könnten, weist er zurück: „Es ist ein Zeichen von Selbstbewusstsein, zu wissen, was man kann, wo man hinwill, und das kann ich auch kommunizieren.“ Gehört werden will Ramaj auch – und gesehen. Denn obwohl er in den vergangenen beiden Jahren mit seinen Teams um die Meisterschaft spielte, nahm in Deutschland kaum jemand Notiz davon. „Das war fast schon traurig, dass keiner darüber berichtet.“
Bei Wechselentscheidung: Priorität lag auf der Bundesliga
Deshalb spielt die Rückkehr nach Deutschland bei seiner Entscheidung zugunsten des FCH eine entscheidende Rolle. „Die Bundesliga ist für mich nach der Premier League die beste Liga der Welt“, sagt Ramaj, der sich mit dem Wechsel nach Heidenheim gegen Angebote anderer Vereine, die sogar international spielen, entschieden hat. „Es hat einen großen Reiz für mich, hier zu spielen“, betont er.
Es ist ein Zeichen von Selbstbewusstsein, zu wissen, was man kann, wo man hinwill, und das kann ich auch kommunizieren.
Diant Ramaj über seine Selbsteinschätzung
Nach dem Rennen um die Meisterschaft in Dänemark steht ihm auf der Ostalb mit dem Abstiegskampf eine ganz andere Herausforderung bevor. Ramaj stellt sich der neuen Aufgabe gewohnt selbstbewusst. „Der Druck ist hier derselbe, es geht darum, das Bestmögliche auf den Platz zu bringen“, sagt er, „ich weiß, was auf mich zukommt und habe mich bewusst dafür entschieden.“
Stammplatz beim BVB als Fernziel, Nationalmannschaft im Kopf
Das erste Jahr als Stammtorhüter in der Bundesliga soll aber nur ein Zwischenschritt sein. Die gleiche Rolle will er möglichst bald bei seinem Stammverein Borussia Dortmund, wo er einen Vertrag bis 2029 besitzt, einnehmen. Dass er als Nummer eins bei einem Dauergast in der Champions League automatisch ein Kandidat für die deutsche Nationalmannschaft wäre, ist ihm bewusst. „Ja, auf jeden Fall“, sagt Ramaj entschlossen.
Dafür braucht es aber konstant starke Leistungen, die sich auch Trainer Frank Schmidt und die Heidenheimer Fans erhoffen. Zunächst einmal bis zum Ende der Saison.