Nach Wochen voller Proteste

Geplatzter Investorendeal: Holger Sanwald vom 1. FC Heidenheim hat Verständnis für die Fans

Wochenlang hielt ein Teil der Fanszene die Deutsche Fußball-Liga mit – zum Teil sehr kreativen – Protesten auf Trab, dann hatte die DFL genug und sagte den geplanten Investorendeal ab. Wie liefen die Proteste in Heidenheim und was sagt der FCH-Vorstandsvorsitzende Holger Sanwald zu alledem?

Ein Hagel von Tennisbällen, Schoko-Goldmünzen und ferngesteuerte Autos – wochenlang hielt ein Teil der Fanszene die Deutsche Fußball-Liga (DFL) auf Trab, sorgte für minutenlange Unterbrechungen. Es ging um eine Machtdemonstration zwischen DFL und Fankurven. Dann zogen die Funktionäre die Notbremse und sagten den geplanten Einstieg eines Investors ab. Mittlerweile hat sich die Aufregung gelegt und die Länderspielpause bietet Gelegenheit, mit etwas Abstand auf die Thematik zu blicken.

Herr Sanwald, über den Einstieg eines Investors bei der DFL wurde viel geredet und geschrieben, vieles blieb aber eher schwammig. Um was ging es genau?
Holger Sanwald: Es geht dabei im Wesentlichen darum, dass die Bundesliga ihre internationalen Übertragungsrechte so erfolgreich wie möglich vermarkten möchte. Als eine der führenden Ligen dieser Welt befindet sie sich im Wettbewerb mit den anderen großen Ligen aus England, Spanien, Italien und Frankreich. Spanien und Frankreich haben sich bereits dafür entschieden, mit einem strategischen Vermarktungspartner – das ist meiner Meinung nach der richtigere Begriff als Investor – zusammenzuarbeiten. Es ist dabei ein großer Kapitalbedarf erforderlich, beispielsweise für Medientechnik und Rechte für sowie für Auslandsbüros mit entsprechendem Personal und vieles mehr.

Wieso sind nach Ihrer Ansicht höhere Erlöse aus der Auslandsvermarktung so wichtig?
Die englische Premier League erlöst international bereits mehr als das Zehnfache für ihre Medienrechte wie die Bundesliga. Wenn die Bundesliga nicht abgehängt werden möchte und die deutschen Klubs um Titel spielen sollen, dann müssen auch die besten Spieler in der Bundesliga gehalten werden können.

Und deshalb haben Sie dafür gestimmt?
Ja, das haben wir schon bei der ersten Abstimmung gemacht, als noch keine Zwei-Drittel-Mehrheit zustande kam. Wir im FCH-Vorstand und Aufsichtsrat fanden das Modell mit einem Partner, der neben Kapital auch viel Know-how mitbringt, aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht gut. Außerdem wurde uns von Seiten aller DFL-Verantwortlichen glaubhaft versichert, dass dabei die Faninteressen jederzeit gewahrt sind.

Bei der zweiten Abstimmung hat es dann mit der Zwei-Drittel-Mehrheit geklappt …
Ja, aber möglicherweise mit der Stimme von Martin Kind von Hannover 96, obwohl ihm der Hauptverein einen anderen Auftrag erteilt hat. Somit stand eine Verletzung der 50+1-Regel im Raum und deshalb nur noch eine moralisch angreifbare Mehrheit.

Das hört sich so an, als hätten Sie Verständnis für die Aktionen?
Ja, ich verstehe, dass so eine weitreichende Entscheidung eine belastbare Mehrheit braucht. Die Aktionen der Fans haben letztlich gezeigt, welch hohe Identifikation sie mit der Bundesliga verbindet und das ist doch positiv.

Grundsätzlich waren Sie aber dafür und sind sich sicher, dass es keine Nachteile für die Fans gegeben hätte?
Ich glaube nicht, dass sich für die Fans Wesentliches geändert hätte. Die angedachte Vermarktungspartnerschaft sah eine achtprozentige Beteiligung vor und damit so gut wie keine Mitspracherechte für den Kapitalgeber. In vielen Gesprächen sind wir zu der Überzeugung gelangt, dass der DFL sehr wohl bewusst ist, welch hohes Gut die deutsche Fankultur ist und dass es nur ein Miteinander geben kann.

Wieso sollte ein Vermarkter dann eine Milliarde Euro investieren?
Weil die internationalen Medien-Erlöse der sehr attraktiven Bundesliga mit den erforderlichen Maßnahmen deutlich steigerbar sind und ein möglicher Partner dann an diesen Erlösen mit acht Prozent beteiligt wäre. Das ist eine rein betriebswirtschaftliche Rechnung. Genau so hätte, aus meiner Sicht, die Diskussion auch geführt werden müssen.

Dann war es wohl ein rein kommunikatives Problem?
Ja, schon, die bundesweiten Fanszenen hätten unbedingt frühzeitig informiert und abgeholt werden müssen. Wir haben das beim FCH gemacht, haben miteinander gesprochen und das Ganze in unserem Fan-Beirat thematisiert. Unsere Fanszene war trotzdem auch dagegen, aber man kann ja unterschiedliche Positionen haben. Dafür habe ich vollstes Verständnis.

In Heidenheim gab es außer einem kurzen Trillerpfeifenkonzert kaum Aktionen gegen den Deal …
Vielleicht auch, weil wir versucht haben, unsere Fans mitzunehmen, das haben wir mit den Jahren gelernt. Wir hatten auch schon schwierigere Zeiten, haben in der Folge unter anderem unseren Fan-Beirat gegründet. Ich fand die Gespräche wirklich gut und mein Eindruck ist, dass wir dann auch komplexere Sachverhalte gut miteinander diskutieren können.

Wie geht es nun weiter?
Nach meiner Einschätzung lehnen es die Fanszenen nicht ab, dass die Bundesliga im Ausland besser vermarktet wird. Deshalb müssen jetzt dafür alternative Finanzierungskonzepte erarbeitet und dann transparent miteinander besprochen werden. Letztendlich wollen wir alle das Gleiche: Eine attraktive und wettbewerbsfähige Bundesliga, mit der sich alle identifizieren und dafür begeistern können.

Gewaltige Unterschiede

Die englische Premier League erlöst für die Saison 2023/24 an nationalen Medienrechten 1,84 Milliarden Euro, die Bundesliga 1,11 und die spanische La Liga 1,2 Milliarden. Für die italienische Serie A gibt es 930 und die französische Ligue 1 nur 580 Millionen.

Noch viel krasser wird es bei den internationalen Medienrechten: Hier holen die Engländer 2,1 Milliarden Euro heraus, die Bundesliga nur 170 Millionen. Hier liegen die Deutschen auch hinter Spanien (800 Millionen) und knapp hinter Italien (200 Millionen) zurück. Frankreichs erste Liga kommt auf 80 Millionen.

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