Mehr als nur Spaß

„Bomber“, „Diego“ und „Beton“: Was steckt hinter den Spitznamen beim 1. FC Heidenheim?

Bei Spielen und Trainingseinheiten ruft Trainer Frank Schmidt seine Spieler des 1. FC Heidenheim meist nur mit kurzen Spitznamen. Wer sich hinter den Namen versteckt und warum die Abkürzungen auch eine wichtige Funktion haben, erklärt Co-Trainer Dieter „Beton“ Jarosch.

Mit aufmerksamen Blicken verfolgten rund 100 Zaungäste die öffentliche Einheit der Profis des 1. FC Heidenheim in der Trainingswoche vor dem Heimspiel gegen Bayer Leverkusen an diesem Samstag, 17. Februar. Beim genauen Hinhören sorgten die Kommandos von Cheftrainer Frank Schmidt aber für den ein oder anderen fragenden Blick bei den jungen und alten Fans. „Stark, Diego“, „Der war zu kurz, Föhre“, „Der Bernie leitet an“, rief Schmidt über den Rasenplatz neben dem Wildpark. Die Spielernamen, die die Fans von den Trikots kennen, wurden von Trainern und Mitspielern nicht verwendet. Ähnlich verhält sich das bei Interviews und Pressekonferenzen. Dass dem „Bomber“ gegen den BVB nur wenige Zentimeter zum Siegtreffer gefehlt haben und „Buschi“ gegen Werder Bremen wohl fehlen wird, sind bekannte Formulierungen. Eingefleischte FCH-Fans wissen natürlich, dass Angreifer Stefan Schimmer der „Bomber“ ist und Marnon Busch nur „Buschi“ gerufen wird.

Aus einem lockeren Spruch entstand Dieter Jaroschs Beiname „Beton“

Damit auch Fußball-Interessierte, die nicht so häufig bei den Parteien des FCH sind, sich in dem Dschungel von Spitznamen zurechtzufinden, haben wir uns Hilfe von einem Mitglied des Trainerteams geholt, das sich mit dem Thema bestens auskennt. Denn: Co-Trainer Dieter Jarosch trägt den wohl markantesten Spitznamen in der jüngsten Vereinsgeschichte der Heidenheimer. Wenn der Name „Beton“ fällt, denkt in den hiesigen Fankreisen kaum einer an den Baustoff, sondern vielmehr an den ehemaligen Stürmer. „Den habe ich seit über 16 Jahren“, sagt Jarosch. Entstanden sei sein eigener Spitzname nach seiner Ankunft beim FCH im Jahr 2007, so Jarosch. Verantwortlich dafür waren damals Frank Schmidt, der noch Co-Trainer war, und Mitspieler Ertac Seskir. „Da haben wir trainiert und einige sind an mir abgeprallt“, erzählt der 43-Jährige, „Da meinten die dann: Das ist ja Wahnsinn, der steht ja wie Beton da“, blickt Jarosch zurück. Und nachdem er von einem Teamkollegen während einer Einheit spontan „Beton“ gerufen wurde, übernahm der damalige Trainer Dieter Märkle den Beinamen. Und beides ist bis heute geblieben: der Beiname und Dieter Jarosch – bis 2014 als Spieler, danach wurde er Co-Trainer im Nachwuchs, Scout und seit 2018 ist er Assistent von Frank Schmidt.

Gemeinsam beim Jubeln (von links): Tim Kleindienst, Niklas Beste, Benedikt Gimber, Jan Schöppner, Jonas Föhrenbach und Marvin Pieringer. Oder in Spitznamen: „Langer“, „Nicki“, „Gimbo“, „Schöppi“, „Föhre“ und „Piere“. Foto: Eibner/Michael Weber

„Beton“ wurde so einprägsam, dass der Name über die Grenzen des Landkreises Heidenheim Verwendung fand. „Das hat sich bis in meine Heimatstadt Freiburg herumgesprochen“, erzählt er. Ehemalige Mitspieler aus dieser Gegend gratulieren nach Siegen oft nur mit „Gut gemacht, Beton“. Die Spitznamen haben beim FCH und auch bei anderen Bundesligisten nicht nur gemeinschaftliche und integrierende Zwecke, sie haben auch eine praktische Funktion. Die Spitznamen seien gerade für die Kommandos wichtig, damit die Botschaften im Training und während der Spiele auch beim richtigen Spieler ankommen, so Jarosch. Deshalb beschränken sich die Rufnamen meist auf maximal zwei Silben. „Bei Benedikt Gimber ist es einfacher, wenn man ‚Gimbo‘ ruft statt ‚Benedikt‘, das ist zu lang“, erklärt er die Verkürzung der Namen.

Drei Tims im Team führt zu „Langer“, „Sieri“ und „Köther“

Und nicht selten ist es der Fall, dass im Kader Vornamen gleich mehrmals vorkommen. „Als Kevin Sessa zu uns kam, waren schon Kevin Müller und Kevin Krauss da“, erinnert sich „Beton“, „deshalb mussten wir uns etwas überlegen.“ Wegen der argentinischen Wurzeln des Mittelfeldspielers und seiner technisch-versierten Spielweise kam der Spitzname „Diego“ (nach Diego Maradona, Anm. d. Red.) zustande. Ähnlich verhielt es sich mit den drei Tims in der Vorsaison: Tim Kleindienst wird häufig nur „Langer“ gerufen, aus Tim Siersleben wurde „Sieri“ und bei Tim Köther blieb nur der Nachname stehen. Dass die Nachnamen abgekürzt werden oder direkt ein „i“ angehängt wird, kommt nicht selten vor. So wurde aus Florian Pick „Picki“, Jan Schöppner „Schöppi“ und Christian Kühlwetter „Kühli“. Doch das funktioniert auch mit Vornamen, wie Niklas „Nicki“ Beste, Lennard „Lenny“ und Elidon „Eli“ Qenaj beweisen. Torhüter Kevin Müller ist zwar einer der größten in Kader, er trägt mit „Mü“ aber den kürzesten Beinamen.

Patrick Schmidt trug in seiner Zeit beim FCH den Spitznamen „Dixi“. Foto: Eibner/Andy Buenning

Die Spitznamen ergeben sich meistens in den ersten Wochen nach der Ankunft eines Spielers und werden dann vom Trainerteam vergeben. „Lustig wollen wir uns nicht machen und wir fragen dann auch, ob das für den Spieler in Ordnung ist“, sagt Jarosch. Lustige Namen kamen in der Vergangenheit aber trotzdem zustande. Als Tim Skarke das erste Mal beim Training der FCH-Profis aufschlug, trug er einen glitzernden Ohrring. „Dann hatte er den Namen ‚Blinky‘“, so der Co-Trainer. Hinter dem Spitznamen von Stürmer Patrick Schmidt versteckt sich derweil eine kuriose Geschichte. „Bei einem Auswärtsspiel war er im Bus auf dem Klo und als alle raus waren und der Bus schon abgeschlossen, war er noch drin“, erzählt Dieter Jarosch. „Da sagten wir: Das ist ja wie im Dixi-Klo.“ Somit war der Name „Dixi“ geboren.  

Spitznamen spiegeln auch die Hierarchie in der Mannschaft wider

Neben vielen Geschichten lassen sich hinten den Beinamen auch Hierarchien erkennen. Das zeigt sich beispielsweise in der Kommunikation Jaroschs mit Cheftrainer Frank Schmidt. „Im Training heißt er natürlich immer ‚Trainer‘ oder ‚Chef‘“, sagt der 43-Jährige, „wenn wir privat miteinander zu tun haben, heißt er Frank.“ Der Trainer des nächsten Gegners, Bayer Leverkusen, trägt auch einen Spitznamen. „Xabi“ ist die Kurzform von Xabier. Dass Dieter Jarosch einmal an der Seitenlinie unweit von einem solchen Weltstar wie Xabi Alonso sitzen würde, hat er sich kaum zu träumen gewagt. „Ich habe früher ganz normal gearbeitet und jetzt bist du in der ersten Liga und du spielst gegen Weltmeister wie Mats Hummels und Thomas Müller“, so der gebürtige Freiburger, „das ist der Wahnsinn.“

Den Wahnsinn nimmt Jarosch aber an und gibt sich für das Spiel gegen die Leverkusener optimistisch: „Ich habe ein 2:1 für uns im Gefühl.“ Und auch einen Torschützen hat er schon im Hinterkopf. So glaubt „der Beton“, dass „der Lange“ trifft. „Wer das zweite macht, da muss ich beim Training noch mal genau hinschauen“, sagt er mit einem Lächeln.

Für Pressekonferenzen und Trainings: die Spitzennamen beim FCH

Das sind die Spieler im FCH-Kader, bei denen der Vorname bleibt: Vitus Eicher, Seedy Jarju, Omar Traoré, Luka Janes, Denis Thomalla, Eren Dinkçi; mit einem „i“, „y“, „e“ oder „o“ dran:  Frank „Franky“ Feller, Patrick „Padde“ Mainka, Lennard „Lenny“ Maloney, Niklas „Nicki“ Beste, Nikola „Niko“ Dovedan, Elidon „Eli“ Qenaj; der Nachname mit „e“, „i“ oder „o“: Tim „Sieri“ Siersleben, Marnon „Buschi“ Busch, Benedikt „Gimbo“ Gimber, Thomas „Kelle“ Keller, Jonas „Föhre“ Föhrenbach, Jan „Schöppi“ Schöppner, Florian „Picki“ Pick, Marvin „Piere“ Pieringer, Christian „Kühli“ Kühlwetter; Nachname in Kürze: Kevin „Mü“ Müller, Norman „Theuer“ Theuerkauf; spezielle Spitznamen: Kevin „Diego“ Sessa, Adrian „Becks“ Beck, Tim „Langer“ Kleindienst, Stefan „Bomber“ Schimmer; Trainerteam und Verantwortliche: Trainer Frank Schmidt, Co-Trainer Bernhard „Bernie“ Raab, Co-Trainer Dieter „Beton“ Jarosch, Torwarttrainer Bernd „Bernardo“ Weng, Teammanager Alexander „Mister X“ Raaf, Vorstandschef Holger „Holle“ Sanwald, Bereichsleiter Sport Robert „Robbie“ Strauß, Athletiktrainer Said Lakhal, Athletiktrainer Tobias Tobi“ Häußler, Betreuer Manuel „Manu“ Henck, Physiotherapeut Marc Weiss, Physiotherapeut Roland Role" Bosch.

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