An der Brenz gibt es sie noch, die Fußballidylle: Während drei der direkten Konkurrenten im Kampf um den Klassenerhalt ihre Trainer bereits entlassen haben (nach dem letzten Spieltag kamen der FC Augsburg/Sandro Wagner und der FSV Mainz 05/Bo Henriksen dazu), bekräftigte Holger Sanwald öffentlich die Jobgarantie für Frank Schmidt, der vor dem Spiel beim 1. FC Union Berlin mit dem 1. FC Heidenheim auf dem letzten Tabellenplatz stand. Und tatsächlich, durch den 2:1-Erfolg schöpfte der FCH neue Hoffnung – oder wie Berlins sichtlich enttäuschter Coach Steffen Baumgart es ausdrückte: „Unser Ziel war es nicht, Heidenheim in die Saison zurückzuholen.“
Wenn Sie über Wochen keine Leistung bringen bei der Heidenheimer Zeitung, wird Ihr Chef auch nicht sagen, weiter so.
Frank Schmidt, Trainer des 1. FC Heidenheim, zu einem Journalisten
Der FCH ist nach zuvor desaströsen Auftritten also zurück, oder wie es Niklas Dorsch nach dem erlösenden 2:1-Sieg auf Instagram ausdrückte: „Alive!“ – am Leben. Hatte es die öffentliche Kopfwäsche des FCH-Bosses gebraucht? Als eine solche hatte Frank Schmidt die Ausführungen Sanwalds gar nicht wahrgenommen – und entgegnete dem Fragesteller von der Lokalzeitung klassisch: „Wenn Sie über Wochen keine Leistung bringen bei der Heidenheimer Zeitung, wird Ihr Chef auch nicht sagen, weiter so. Sondern, es gibt dann einfach auch mal ein paar Gespräche und dann wird es auch noch mal klargestellt.“ Das Entscheidende sei sowieso nicht, was auf Pressekonferenzen gesprochen werde. „Es ist wichtig, was intern gesagt wird. Wir sind von Anfang an in jeder Woche offen und transparent gewesen. Die Mannschaft weiß logischerweise auch, dass, wenn Ergebnisse nicht so kommen, Veränderungen möglich sind.“
Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten von Veränderungen: Zum einen kann es Wechsel in der Startformation geben, so wie es in Berlin der Fall gewesen ist. Interessant dabei: Die beiden Tore erzielten zwei Spieler, die zuvor eingewechselt worden waren (Stefan Schimmer und Jan Schöppner), was eine Stärke des FCH ist: fünf der zehn Saisontore wurden von „Jokern“ erzielt, allein drei von Schimmer.
Das kann ich nicht beantworten, denn die Saison ist noch nicht zu Ende.
Frank Schmidt, FCH-Coach, auf die Frage, ob er mit seinem Entschluss, im Sommer auf Neuzugänge zu verzichten, falsch lag
Zum anderen kann es Veränderungen aber auch im Kader geben. Sanwald hatte angekündigt, dass Heidenheim in der Wintertransferperiode neue Spieler verpflichten werde. Im Sommer hatte der FCH, auch auf Wunsch von Frank Schmidt, darauf noch verzichtet. Lag der Coach mit seiner damaligen Einschätzung also falsch? Oder blieb der aktuelle Kader unter seinen Möglichkeiten? Diesen Fragen wich der 51-Jährige wie folgt aus: „Das kann ich nicht beantworten, denn die Saison ist noch nicht zu Ende.“ Insgesamt betrachtet, sagt Schmidt aber auch: „Ich glaube, da haben wir nicht den besten Job gemacht, sonst hätten wir auch nicht so wenig Punkte.“

Er wolle nicht bewerten, ob er mit seiner Aussage richtig oder falsch lag. „Am Ende müssen wir das bewerten, wenn die Saison zu Ende ist“, betont Schmidt. Verstärkungen in der Winterpause steht er offen gegenüber, diese müssten aber „idealerweise zu einhundert Prozent passen“. Der Kern der Mannschaft werde aber ja zusammenbleiben. Und da vertraue er nach wie vor jedem einzelnen Spieler.
Diese haben sich in Berlin ein Stück weit Selbstvertrauen erarbeitet. Oder wie es Schmidt formuliert: nach einem Rückstand ein anderes Gesicht gezeigt. Davor stimmte die Körpersprache nach Rückschlägen nicht. In Berlin aber hat der FCH erstmals seit dem 6. April 2024 (3:2-Heimsieg gegen den FC Bayern München nach einem 0:2-Rückstand) ein Spiel umgebogen (nach einem 0:1). Das Verhalten und die Ausstrahlung als Mannschaft in Berlin sei herausragend gewesen, streicht Schmidt eine mögliche wiedergewonnene Stärke heraus. „Das war anders als in den letzten Spielen. Nicht nur beim Siegtreffer, schon vorher“, betont Schmidt und fügt an: „Das haben wir zum Thema gemacht. Reden hilft viel.“ So wie sich die Mannschaft in Berlin präsentiert hat, egal ob auf oder neben dem Platz, „so muss es sein und so stelle ich mir das vor“, sagt der FCH-Coach, der zudem davon überzeugt ist: Durch den Sieg in Berlin habe der FCH aber das Momentum auf seine Seite gezogen.
Auch dank einer Seltenheit: Erstmals in dieser Saison traf der FCH per Kopf nach einem Eckball. Doch wieso tut sich die Mannschaft so schwer bei Standards? Es gebe nicht den einen Grund. Allerdings hätten sich neue Standardschützen (bedingt auch durch den Abgang von Leo Scienza) erst neu herauskristallisieren müssen, so Schmidt. „Mittlerweile schießt Jonas Föhrenbach die Eckbälle. Das war vor Jahren noch undenkbar“, nennt der Trainer ein Beispiel. Früher wurde Föhrenbach bei Ecken in der Restverteidigung und bei der Absicherung bei möglichen Kontern eingesetzt. Mit Arjen Ibrahimovic und Niklas Dorsch habe Heidenheim zwei neue Schützen, die in den vergangenen Jahren nicht regelmäßig Standards geschossen haben.
Frank Schmidt warnt vor Vinzenzo Grifo und Niklas Beste
Anders sieht es bei Gegner SC Freiburg aus, der am Samstag (15.30 Uhr) in der Voith-Arena zu Gast ist: Für den FCH gehe es auch darum, Standards gut zu verteidigen. Die Freiburger hätten eine der stärksten Mannschaften, was Standardsituation angeht, weist Schmidt darauf hin, dass die Gäste mehr als die Hälfte aller Tore nach Standards erzielt haben. Mit Vinzenzo Grifo und dem ehemaligen Heidenheimer Niklas Beste habe der SC „für mich die stärksten Standardschützen kombiniert in der Liga“, so der Heidenheimer Coach.
Trotz des jüngsten „Lebenszeichens“ wird es an der Brenz sicherlich nicht zu idyllisch. „Jeder von uns weiß, dass wir mit einem Sieg nicht zu locker oder zu freudig sein dürfen“, betont Frank Schmidt. „Wir müssen den Schwung mitnehmen.“ Und möglichst wieder so eine Effektivität zeigen wie gegen Union Berlin.

