Flüssiges Eisen schmatzt und gurgelt, es klingt satt, wenn es in seine Form fließt. Wer diesen Klang einmal gehört hat, verbunden mit den sprühenden Funken und der weithin strahlenden Hitze, vergisst ihn nicht mehr.
Für die Gießer in den Hüttenwerken Königsbronn (HWK) ist der Klang ihres mehr als 1300 Grad heißen Werkstoffs Alltag. Den Männern ist der Stolz auf ihre Arbeit anzusehen, sie wissen, dass ihre Produkte von einzigartiger Güte sind, die HWK gelten in ihrer Nische als Weltmarktführer. Man könnte in solchen Momenten fast vergessen, dass das Ende der Hüttenwerke schon besiegelt schien.
Rund zwei Jahre nach dem Beinahe-Aus für einen der weltweit ältesten Industriebetriebe sind die Hüttenwerke stabil am Markt. In der Gießerei ist der Terminkalender für die nächsten drei Monate voll, weitere Aufträge gibt es, sie sind aber noch nicht eingeplant. In der Bearbeitung, wo die Walzen vor ihrem Einsatz in Papiermaschinen in aller Welt veredelt werden, ist jetzt schon für mindestens ein Jahr Arbeit da. Werksleiter Fred Behr klingt sachlich und nüchtern, wenn er solche Zahlen erläutert. Dabei war auch das vergangene Jahr eine neuerliche Herausforderung für das Unternehmen.
Die Energiepreisexplosion belastete die Hüttenwerke in Königsbronn
Die Hüttenwerke hatten sich nach dem Neustart gerade wieder berappelt, da überfiel Russland die Ukraine, in der Folge schossen die Energiepreise in die Höhe. Für die Hüttenwerke ist Energie nicht nur ein Produktionsfaktor von vielen, sondern zentral: Die Öfen, in denen das Eisen geschmolzen wird, haben eine Leistung von mehreren Tausend Kilowatt und beanspruchen entsprechend viel Strom. Die Gusspfannen werden zusätzlich mit Gas vorgeheizt, auch die tonnenschweren Teile der Gussformen, die sogenannten Kokillen, müssen vorgewärmt werden. Die Preise für Roheisen gingen 2022 ebenfalls nach oben. Einer der Mitbewerber auf dem deutschen Markt ging unter dem Druck dieser Entwicklungen im vergangenen Jahr in ein Insolvenzverfahren.
Youtube Walzenguss bei den Hüttenwerken Königsbronn
Die sprunghaft angestiegenen Kosten für Strom und Gas verursachten daher auch in der Königsbronner Gießerei Probleme. Ein Auftrag, der beispielsweise im Januar 2022 kalkuliert, aber erst mehrere Monate später gegossen wurde, konnte wegen der gestiegenen Kosten kaum mehr kostendeckend oder gar gewinnbringend sein. Zum Teil seien ihnen die Kunden entgegengekommen, vor allem aber führte Geschäftsführer Dr. Heiko Hesemann einen Energiezuschlag ein, der für jeden neuen Walzenauftrag neu berechnet wird und jeweils die aktuelle Energiepreisentwicklung berücksichtigt. Zudem, erklärt Werksleiter Behr, achte man darauf, die Aufträge sehr zeitnah zu gießen, damit Preisänderungen nicht durchschlagen.
Die Belegschaft des Königsbronner Werks verzichtet noch immer auf einen Teil des Lohns
Die Krise hatte noch weitere Folgen: Eigentlich sollte 2022 für die HWK-Mitarbeitenden der Haustarifvertrag auslaufen, der zum Rettungspaket für das Unternehmen gehört hatte. Damals stieg das Münchner Restrukturierungsunternehmen One Square mit ein, von 160 Mitarbeitenden blieben zunächst 74 übrig, die auf einen Teil ihres Lohns verzichteten und dafür mit einem Drittel Anteilseigner der neuen Hüttenwerke Königsbronn wurden. Ein bisschen Zähneknirschen sei dabei, weil man immer noch auf Geld verzichten müsse, räumt Behr ein. Dennoch sei die Stimmung im Team nach wie vor gut. Mittlerweile ist die Belegschaft wieder auf 103 Menschen angewachsen.
Behr war 20 Jahre lang im Betriebsrat der Hüttenwerke. Er hat das Drama der Insolvenzen und der Investoren, die das Unternehmen nur noch mehr schwächen, hautnah miterlebt. Jetzt ist er Werksleiter und sagt: „Es ist etwas ganz Anderes.“ Das verdiente Geld bleibe endlich im Unternehmen, außerdem sei die interne Transparenz so groß wie nie. Die Belegschaft sei heute darüber im Bilde, wie es um das Unternehmen steht. „Man sieht, dass es voran geht, deshalb hält die Mannschaft auch zusammen“, sagt Behr.
Eigentlich könnte der Personalstand sogar noch weiter steigen. Spätestens mittelfristig brauchen die HWK neues Personal. Beim Neustart setzte man vorrangig auf erfahrene Fachleute, die aber auch nach und nach in den wohlverdienten Ruhestand gehen werden. Auf dem Arbeitsmarkt sind Kräfte aber rar. „Zerspanungsmechaniker sind gerade extrem schwer zu finden“, so Behr. Für die Gießerei habe man sogar einzelne Mitarbeiter zurückgewinnen können, die damals gehen mussten. Mittelfristig wollen die HWK bis zu zehn junge Menschen in verschiedenen Berufen ausbilden, um sich den Nachwuchs für die anspruchsvolle Arbeit selbst heranzuziehen.
In den kommenden Jahren soll viel Geld ins Werk investiert werden
Parallel müsse man auch massiv investieren. In den vergangenen 20 Jahren mit all ihren Unruhen sei wenig getan worden. Ob der Maschinenpark, die Filteranlage oder die Beleuchtung – überall gebe es Bedarf, der nach und nach abgearbeitet werden soll.
Die Spezialität der Hüttenwerke Königsbronn sind Kalanderwalzen für die Papierindustrie. Jeweils mehrere dieser beheizten Walzen sorgen in einer Papiermaschine dafür, dass das Papier geglättet wird. Bernd Eppli, der Vertriebsleiter der HWK, sagt gerne, dass jedes Papier, das man in die Finger bekommt, schon in Kontakt mit einer Walze aus Königsbronn war. Eine Grundvoraussetzung für solche Walzen ist höchste Genauigkeit bei der Fertigung: Die maximale Abweichung liegt bei wenigen Tausendstel Millimetern. Die größten Königsbronner Walzen haben einen Durchmesser von bis zu 1,6 Metern, manche Rohlinge wiegen deutlich mehr als 100 Tonnen.