Wie soll es mit der Michaelskirche in der Heidenheimer Stadtmitte weitergehen? Mit dieser Frage beschäftigt sich derzeit die evangelische Kirchengemeinde in Heidenheim. Die denkmalgeschützte Kirche wird kaum mehr genutzt. Im Jahr finden laut Dekan Gerd Häußler etwa zwei Gottesdienste statt, im Sommer einige Hochzeiten, eventuell mal ein Konzert. Ansonsten ist es still in der Kirche.

Zwei Aspekte sind bei den Überlegungen wichtig: Zum einen geht es um die Unterhaltskosten, die die evangelische Kirche gerne senken möchte, zum anderen geht es um eine sinnvolle Nutzung eines öffentlichen Raums einhergehend mit einer Wiederbelebung des Kirchengebäudes. Was die Michaelskirche alles sein könnte und welche Veranstaltungen darin gut funktionieren, das soll nun bei einem zweimonatigen Veranstaltungsreigen vor den Sommerferien getestet werden.

Neues Raumkonzept für die Michaelskirche

Zum Jahresbeginn haben sich interessierte Menschen nicht nur aus Kirchenkreisen in Arbeitsgruppen zusammengetan, um Ideen zu sammeln. Damals reichten die Ideen von Gastronomie über Kulturbetrieb bis hin zur Begegnungsstätte oder Miniatur-Eisenbahnwelt und vielem mehr. Eingeschaltet hat die Kirchengemeinde zwei Architekten, die sich auf neue Raumkonzepte für Kirchen spezialisiert haben, Aaron Werbick und Gerald Klahr.

Dass so eine Umsetzung gelingen kann, zeigt Gerald Klahr mit Verweis auf die Stuttgarter Martinskirche. Dort wurde unter Mitwirkung der Bevölkerung die Kirche zu einer Art Gemeindezentrum erweitert und soll Treffpunkt für den Stuttgarter Stadtteil werden. In vier Wochen wird Eröffnung gefeiert. In Heidenheim ist der Prozess noch am Anfang. Aber auch hier soll die Bevölkerung mit einbezogen werden, was gut klappt.

Heidenheimer Künstler Rainer Jooss: „Großherziger und mutiger Schritt“

Begeistert von der Idee einer Kirche als öffentlicher Raum ist der Heidenheimer Künstler Rainer Jooss, der mittlerweile zum engen Kreis des Arbeitsteams gehört. „Das ist ein großzügiger und mutiger Schritt“, ist er voll des Lobes. Dass der Künstler auch gleich eine Idee hatte, den Blick der Bevölkerung auf die Michaelskirche zu lenken, nimmt da nicht wunder. Vorige Woche installierte er den ersten überdimensionierten Trinkhalm am Turm, diese Woche den zweiten. Die Interpretation des Architekten fand er ganz treffend, der von den vielen Geschmäckern sprach, die die Kirche haben könne. Jooss spricht von den Trinkhalmen als einer Metapher dafür, dass die Kirche ganz verschiedene Geschmacksrichtungen ansprechen kann.

Gepunktet und gestreift: Aus den runden Turmfenstern der Heidenheimer Michaelskirche ragen die Trinkhalme.
Gepunktet und gestreift: Aus den runden Turmfenstern der Heidenheimer Michaelskirche ragen die Trinkhalme.
© Foto: Rudi Penk

„Die Bevölkerung ist aufgerufen, sich zu beteiligen“, wirbt er. Treffend sei deshalb die gewählte Überschrift für die laufende Ideensammlung: „Lassen wir das Dorf mal auf die Kirche los.“ Die in den Himmel ragenden Halme sollen ein Zeichen dafür sein, dass sich hier etwas ganz Besonderes entwickelt. Jooss verspricht sich zudem, dass seine Installation dazu beiträgt, dass die Michaelskirche Teil des Stadtgesprächs wird. Es sei sehr großzügig von der Kirchengemeinde, diesen Raum überkonfessionell zu öffnen für die Bevölkerung. „Vielleicht gibt es ja auch einmal einen Cocktailabend in der Kirche“, sinniert Jooss über weitere mögliche Bezüge zu den Trinkhalmen.

Whildstage plant Festival zur Eröffnung

Angesprochen fühlen sich bereits jetzt ganz unterschiedliche Gruppen. Angefangen vom Künstlerkollektiv Whildstage, das am Eröffnungstag, dem 16. Juni, ein Festival plant, bis hin zu Sportvereinen und Musikern, die gleich noch am Planungstag den Klang der Kirche testeten. Gemeldet hat sich unter anderem das Naturtheater, das Theaterworkshops anbieten möchte, Hiphop-Künstler, die HSB-Fechter, die nicht nur Kindern spielerisch den Sport zeigen möchten, sondern auch an ein After-Work-Fencing für Erwachsene denken. Ein Künstler möchte drei Tage lang seine Werke ausstellen, Kinder und Kunst Workshops anbieten, das HSB-Sporttheater will die Michaelskirche ebenso als Bühne nutzen wie eine Tanzgruppe der Sambo-Abteilung im HSB.

Die Orga-Treffen finden in der Heidenheimer Michaelskirche statt, damit sich Teilnehmenden ein Bild machen können, was im Innern alles möglich ist. Orgel und Wandbilder sollen bei den Veranstaltungen geschützt werden.
Die Orga-Treffen finden in der Heidenheimer Michaelskirche statt, damit sich Teilnehmenden ein Bild machen können, was im Innern alles möglich ist. Orgel und Wandbilder sollen bei den Veranstaltungen geschützt werden.
© Foto: Karin Fuchs

„Wir sind noch am Anfang und suchen weitere Ideen“, bietet Gerald Klahr weiteren Gruppierungen und Einzelpersonen an, sich mit Ideen einzubringen. Noch ist der Kalender nicht ganz gefüllt. Zudem sucht die Arbeitsgruppe noch Helferinnen und Helfer, die sich in der Organisation der Aktionswochen sowie beim Befüllen der sozialen Medien mit einbringen wollen.

Soll die Michaelskirche profanisiert werden?

Länger als zwei Monate, vom 16. Juni bis zum 28. Juli, soll die Michaelskirche Raum für Allerlei sein. Danach soll laut Dekan Häußler Bilanz gezogen werden, was gut funktioniert hat und welche Ideen weiterverfolgt werden können.

Vor neun Jahren hat die evangelische Kirche die Waldkirche verkauft, was vor allem in der älteren Generation noch immer in schmerzlicher Erinnerung ist. Kann so etwas für die Michaelskirche ebenso in Frage kommen? „Wir gehen davon aus, dass die Michaelskirche im Besitz der Gesamtkirchengemeinde bleibt“, sagt Häußler. Was nicht heißt, dass die Kirche nicht auch von einer anderen Organisation zum Beispiel angemietet oder übernommen werden kann. Wird die Michaelskirche dann doch profanisiert? „Was heißt profanisiert?“, entgegnet Häußler. Gerade in einer evangelischen Kirche sei vieles möglich, weil diese nicht wie eine katholische Kirche geweiht sei. Wenn die Kirche von anderen genutzt werde, schließe das nicht aus, dass dort auch immer wieder Gottesdienste gefeiert werden können.

So viel kostet die Michaelskirche im Jahr

Dass es bei der gesuchten Lösung darum geht, die Kirchengemeinde von den Unterhaltskosten zu entlasten, verschweigt Häußler nicht. Rund 30.000 Euro Unterhalt koste die Michaelskirche im Jahr. Kämen außergewöhnliche Schäden etwa durch Unwetter hinzu, dann könnten schnell weitere 100.000 Euro anfallen. Zumindest einen Teil der Kosten will die evangelische Kirche erwirtschaften. Wie genau, das gilt es nun herauszufinden.

Das nächste Planungstreffen findet am Mittwoch, 29. März, 19 Uhr in der Michaelskirche statt. Wer jetzt schon Veranstaltungsideen anmelden möchte, kann sich an die moderierenden Architekten wenden unter architekten@prinzmetal.de

Heidenheim

Heidenheim, London, Oxford, Heidenheim


Rainer Jooss, Heidenheimer des Jahrgangs 1964, studierte Kommunikationsdesign in Würzburg und ging anschließend mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) nach London und machte seinen Masterabschluss. Aus England, wo er, unter anderem am British Museum, am Ashmolean Museum in Oxford und am Border Force National Museum in Liverpool, lange Jahre in verschiedensten künstlerischen Bereichen tätig gewesen war, kehrte er 2015 nach Heidenheim zurück.

Rainer Jooß hatte während der Zeit hitziger Diskussion um das Rommel-Denkmal in Heidenheim die Initiative zur Umgestaltung ergriffen. Vor dem Denkmal auf dem Zanger Berg steht die Silhouette eines Kriegsversehrten, die einen Schatten auf den Mythos Rommel wirft.