Verkehr, Müllverbrennung, Energieverbrauch

So beantwortet Schwenk Bürgerfrage zur geplanten Versuchsanlage in Mergelstetten

Rund 130 Millionen Euro soll eine Versuchsanlage in Mergelstetten kosten, in der ein Konsortium aus der Zementindustrie die Gewinnung von reinem Kohlendioxid testet. Die künftigen Betreiber haben Fragen aus der Bürgerschaft dazu beantwortet.

So beantwortet Schwenk Bürgerfrage zur geplanten Versuchsanlage in Mergelstetten

Der Mergelstetter Zementhersteller Schwenk plant im Konsortium CI4C zusammen mit anderen Firmen eine Versuchsanlage zur CO2-Gewinnung aus dem Abgas der Zementherstellung. Damit versuchen die Unternehmen dem Problem der sehr hohen Ausscheidung des klimaschädlichen Gases Kohlendioxid bei der Zementherstellung zu begegnen. Über das rund 130 Millionen Euro teure Vorhaben im sogenannten Oxyfuel-Verfahren informierte Schwenk im Juli 2021 bei einer Veranstaltung in der Zoeppritzhalle Mergelstetten. Die Fragen, die damals von Bürgerinnen und Bürger gestellt wurden, hat das Unternehmen jetzt mit den zugehörigen Antworten auf der Homepage zum Projekt veröffentlicht. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Was ist der Vorteil für den Standort Mergelstetten?

Sämtliche für das Konsortium in Frage kommenden Standorte für die Pure-Oxyfuel-Pilotanlage wurden durch ein Expertenteam aller Konsortialpartner untersucht. Die wesentlichen Gründe für die Standortentscheidung des Konsortiums für Mergelstetten liegen in der bereits verfügbaren, mit einem Bebauungsplan belegten Baufeldfläche, der guten, verkehrstechnischen Anbindung des Geländes über die A7 und B19 sowie der guten logistischen Erreichbarkeit für potenzielle Sauerstofflieferanten. Gleichzeitig können wesentliche Synergieeffekte mit dem bestehenden Zementwerksstandort der Firma Schwenk genutzt werden. Diese liegen vor allem in der Rohmehlversorgung und der Brennstoffversorgung. Hier können sowohl Steinkohlestaub als auch Alternativbrennstoffe auf kurzen logistischen Wegen bezogen werden und so erforderliche Lkw-Bewegungen minimiert werden.

Wieviel Lastwagen werden durch die neue Anlage pro Tag zusätzlich dazukommen?

Während des Betriebs des neuen Oxyfuel-Ofens werden zwischen 6 und 22 Uhr insgesamt rund 58 Lkw-Fahrten von außerhalb sowie 15 Lkw-Fahrten für die Umfuhr von Kohlenstaub und Alternativbrennstoff von den benachbarten Betrieben Schwenk und ELM erforderlich. Bei den Lkw-Fahrten von bzw. nach außerhalb handelt es sich im Wesentlichen um die Anlieferung von Sauerstoff, Brennstoffen und Betriebsmitteln (rund 16 Lkw pro Tag), die Verteilung des hergestellten Klinkers auf die Joint-Venture-Partner (rund 40 Lkw pro Tag und die Belieferung des Refuel-Projektes oder anderer Abnehmer mit dem abgeschiedenen und verflüssigten CO2 (rund zwei Lkw pro Tag). In der Nacht kommt es zu einer Sauerstoff-Anlieferung von außen und einer Umfuhr von alternativem Brennstoff aus dem benachbarten Werk von ELM. Die Erschließung des CI4C-Geländes erfolgt über den Kreisverkehr und die Werkszufahrt Süd von Schwenk. Somit wird der Hauptteil der Lkw-Fahrten über die B19 aus und in Richtung Herbrechtingen erfolgen.

Wäre zur Vermeidung von Verkehrslärm bei der Anlieferung des Sauerstoffs nicht der Bahntransport eine bessere Möglichkeit?

Bezüglich der Möglichkeit eines Bahntransports ist CI4C auf die Infrastruktur und das Angebot der Lieferanten angewiesen. CI4C wird im weiteren Verlauf der Planungen auch die Möglichkeit von Bahntransporten prüfen.

Benötigt die Versuchsanlage viel Strom?

Ja. Eine Vermeidung von CO2 ist unabhängig von der Technologieauswahl sehr energieintensiv. Der spezifische Energieverbrauch der CO2-Abscheideanlage in Kombination mit dem Pure-Oxyfuel-Verfahren wird für rund 120 bis 150 Kilowattstunden pro Tonne CO2 gereinigt /verflüssigt erwartet.

Wie gefährlich ist die Lagerung von Sauerstoff am Standort? Besteht Explosions- oder Brandgefahr?

Für den Betrieb der Oxyfuel-Pilot-Ofenanlage werden große Mengen an Sauerstoff benötigt und bevorratet. Nach aktuellem Stand der Planung wird in der Größenordnung von ca. 360 Tonnen flüssiger Sauerstoff in Tanks (LOX-Anlage) gelagert werden. Die Menge von Sauerstoff, die dem Ofen zugeführt wird, ist über ein Verriegelungskonzept zu überwachen und zu regeln. Die Ausarbeitung des Sicherheitskonzeptes erfolgt in Abstimmung mit dem Ofenanlagenhersteller und Hersteller und Betreiber der LOXAnlage, sowie technischen Gutachern und Aufsichtsbehörden.

Wie wird garantiert, dass im Umfeld der Zementwerke keine Schwermetalle abgelagert werden?

Die möglichen Emissionen an Schwermetallen werden bereits im Vorfeld umfassend prognostiziert und beurteilt. Von allen eingesetzten Roh- und Brennstoffen liegen aktuelle Analysendaten zu den Spurenelementgehalten vor, so dass über eine Input-Output-Analyse das Emissionsniveau am Kamin ermittelt werden kann. Über eine Ausbreitungsrechnung wird dann berechnet, wie hoch die Schwermetalldeposition im Umkreis ist. Die berechneten Werte werden mit gesetzlich festgelegten Depositionsgrenzwerten verglichen, die nicht überschritten werden dürfen. Im späteren Betrieb der Anlage werden außerdem regelmäßig Schwermetallanalysen am Alternativbrennstoff durchgeführt und die Schwermetallemissionen außerdem in regelmäßigen Zyklen durch Messung überwacht.

Um wieviel verteuert sich der Zement durch das Oxyfuel-Verfahren?

Für die Zementklinkerherstellung mit dem Oxyfuel-Verfahren wird deutlich mehr Energie benötigt, insbesondere Strom für die Gewinnung des reinen Sauerstoffs aus der Luft und für die Verflüssigung des abgeschiedenen CO2. Dadurch wird der Produktionsprozess zwangsläufig teurer. Öffentliche Studien aus den Jahren 2014 bis 2018 erwarten um ca. 40 Prozent höhere Klinkerproduktionskosten. Um welchen Betrag sich die Kosten voraussichtlich tatsächlich erhöhen, kann derzeit noch nicht angegeben werden, sondern soll auch im Zuge des Pilot-Projektes ermittelt werden.

Wie wird die CO2-Bepreisung berücksichtigt?

Aufgrund ihrer geringen Produktionskapazität nimmt die Pilotanlage nicht am Europäischen CO2-Emissionshandel teil. Stattdessen müssen dann aber für die eingesetzten Brennstoffe die CO2-Preisaufschläge im deutschen Emissionshandelssystem (BEHG) bezahlt werden. Diese sind Teil der Betriebskosten der Anlage.

Wie wirkt sich dieses Verfahren auf den CO2-Preis pro Tonne aus?

Das Oxyfuel-Verfahren selbst hat keinen Einfluss darauf, wie viel CO2 im Klinkerbrennprozess entsteht, sondern es sorgt nur dafür, dass das CO2 bereits in hochkonzentrierter Form entsteht. Erst durch eine anschließende Abscheidung (Reinigung und Verflüssigung) des CO2 werden CO2-Emissionen einer Ofenanlage in die Atmosphäre vermieden. Für künftige, größere Oxyfuel-Anlagen bedeutet dies, dass dann eine geringere Nachfrage nach CO2-Zertifikaten im EU-Emissionshandel besteht, was zumindest theoretisch eine tendenziell preissenkende Wirkung haben sollte.

Wo endet die CO2-Kette?

Diese Frage ist stark abhängig von den zukünftigen Nutzungsszenarien des CO2. Zum Beispiel: Bei der Herstellung von Flugbenzin aus CO2 besteht der Mehrwert in der Doppelnutzung des bei der Klinkerherstellung prozessbedingt freigesetzten Kohlenstoffmoleküls.

Benötigt in Zukunft jedes Zementwerk eine solche Ofenanlage, die nach dem Oxyfuel-Verfahren betrieben wird?

Sofern das Pilotprojekt erfolgreich ist, stellt das Oxyfuel-Verfahren eine hervorragende Option dar, um hochkonzentriertes CO2 aus dem Abgas abzuscheiden und damit zur CO2-Neutralität der Zementindustrie beizutragen. Grundsätzlich können bestehende Ofenanlage auf das Oxyfuel-Verfahren umgerüstet oder neue Ofenanlagen nach diesem Verfahren gebaut werden. Neben dem Oxyfuel-Verfahren werden in der globalen Zementindustrie aber auch andere technische Alternativen erprobt, um das Ziel der CO2-Neutralität der Zementindustrie zu erreichen. Welche dieser technischen Innovationen sich am Ende durchsetzen wird, kann heute nicht gesagt werden, aber das Oxyfuel-Verfahren lässt die niedrigsten Betriebskosten der konkurrierenden Verfahren erwarten.

Lohnt sich das Vorhaben aus Gründen der Energieeffizienz?

Nein, es ist aber dennoch alternativlos. Durch die zugehörige CO2-Abscheidung wird tatsächlich deutlich mehr elektrische Energie benötigt als beim herkömmlichen Produktionsprozess, wobei ein Großteil des zusätzlichen Bedarfs auf die Sauerstoffgewinnung entfällt (im Falle des Pilotprojekts fällt diese zusätzliche Energie aber beim Sauerstofflieferanten an). Außerdem ist auch der Brennstoffenergiebedarf beim Oxyfuel-Verfahren etwas höher, etwa durch die höhere Wärmeabstrahlung aufgrund kleinerer Querschnitte in den Gasleitungen und dadurch, dass die Wärme des gebrannten Klinkers nicht in der gleichen Weise zum Aufheizen des Verbrennungssauerstoffs genutzt werden kann, wie bei konventionellen Ofenanlage zum Aufheizen der Verbrennungsluft.

Werden in der Anlage bei Schwenk Brennstoffe aus Gewerbe- und Siedlungsabfällen (SBS) eingesetzt?

Ja. Ziel ist es, die Pilotofenanlage langfristig mit 100 Prozent Alternativbrennstoff zu betreiben, um vollständig auf Kohle als fossilen Energieträger verzichten zu können. An der Pilotanlage wird der gleiche güte- und qualitätsgesicherte Alternativbrennstoff BGS (Brennstoff aus Gewerbe- und Siedlungsabfällen) eingesetzt werden, der auch bereits seit vielen Jahren im Zementwerk Mergelstetten eingesetzt wird. Die Anlieferung erfolgt per Lkw. Dabei wird sichergestellt, dass Geruchsemissionen weitestgehend vermieden werden.

Inzwischen sind Zementwerke doch Müllverbrennungsanlagen?

Nein. Der Zweck des Einsatzes von Abfällen, d.h. alternativen Brenn- und Rohstoffen, in einem Zementwerk besteht darin, bestimmte, hierfür geeignete Abfallfraktionen bei der Herstellung des Baustoffs Zement zu verwerten und damit in der Kreislaufwirtschaft zu erhalten. In entsprechendem Umfang werden damit auch natürliche Ressourcen für Brenn- und Rohstoffe geschont. Die Verwertung dieser Abfälle reduziert damit auch das verbleibende Abfallaufkommen, das dann in den Müllverbrennungsanlagen einer Beseitigung zugeführt werden muss.

Was passiert mit der Anlage nach 2025? Wird die Oxyfuel-Pilotanlage in Mergelstetten tatsächlich nach fünf Jahren demontiert?

Ja. Die Pilotanlage hat eine zu geringe Produktionskapazität, um auf Dauer wirtschaftlich betrieben zu werden. Wenn die Forschungszwecke erfüllt sind, wird man auf Basis dieser Erkenntnisse vielmehr das Oxyfuel-Verfahren hochskalieren, d.h. die Projektpartner, aber auch andere Zementhersteller, werden bestehende Standorte auf das Oxyfuel-Verfahren umrüsten oder neue, größere Oxyfuel-Anlagen errichten können.

Ist eine Universität bei dem Pilotprojekt involviert?

Derzeit nicht. Es handelt sich um ein industrielles Forschungs- und Entwicklungsprojekt. Demnach sind derzeit keine Universitäten eingebunden. Eine spätere, gezielte Einbindung von akademischen Partnern oder Institutionen ist, je nach Fragestellung, nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

Weitere Fragen und Antworten finden sich auf der Homepage zum Projekt www.catch4climate.com