In Bayern kennt die Geschichte vom Girgl Jennerwein, Wildschütz, Weiberheld, Volksheld, vermutlich jedes Kind. Über die Landesgrenzen hinaus ist sein Ruhm nicht ganz so groß, und wenn man auch den Namen kennt, so hat man die Hintergründe nicht so auf dem Schirm. Das machte aber gar nichts aus, um am Samstagabend im Lokschuppen auf Einladung von Stadtbibliothek und der Reihe „Kulturschiene“ richtig Spaß zu haben: Das Live-Hörspiel-Spektakel „Jennerwein“ breitete dessen ganzes Leben vor den rund 100 Zuhörern aus. Und das detailreich, lebendig, spannend, unterhaltsam, mit köstlichen zu Recht vogelwild angepriesenen musikalischen Einsprengseln – das war ein unvergleichliches Abenteuer und Vergnügen zugleich.

Geschrieben haben das Hörspiel Stefan Murr und Heinz-Josef Braun, und die beiden waren auch auf der Bühne zu erleben. Die dritte im Bunde war Johanna Bittenbinder, alle drei nicht nur in Bayern bekannte Schauspieler. Und das Trio erweckte alle möglichen Personen rund um Jennerwein zum Leben: den in Rage predigenden Pfarrer, die sitzengelassene Mutter Jennerwein, den gutmütigen Stiefvater, Stiefbruder Hans, den Kriegskameraden und späteren Rivalen Pföderl, Jägers- und Wirtsleute, und so manche Liebschaft von Agerl über Reserl bis zu Fannerl.

Während Jennerweins Lebenslauf sehr stringent von Geburt bis Tod erzählt wurde, sprangen Bittenbinder, Murr und Braun von einer Person zur nächsten, waren dazwischen auch immer wieder Erzähler und trafen dabei immer punktgenau den richtigen Ton. Das war wirklich große Kunst: einmal den Werdegang Jennerweins in solch kurzen Dialogen zu verdichten, und andererseits so gekonnt in Sprache und Mimik darzustellen, dass der Eindruck entstehen konnte, da laufe ein ganzer Film vor dem geistigen Auge ab.

Prächtige Bilder, geschliffene Texte

Schäferstündchen und Schusswechsel, Tanzboden und Trauer, Gipfelruhe und Gstanzl, Krieg und Kinderkriegen – prächtige Bilder entstanden da allein durch das Sprachgewalt und geschliffene Texte und das Zusammenspiel. Das Trio bestach dabei durch die Interpretation genauso wie mit dem richtigen Gespür für Pausen und schnelle Anschlüsse gleichermaßen. Da saß jeder Blick, jedes Idiom, jede Betonung und jede Stimmlage, um das Geschehen prächtig zu untermalen. Das war schaurig und anrührend, zuweilen witzig, und immer voller Spannung. Keine Sekunde kam da etwa Langeweile oder Desinteresse auf.

Dazu trug freilich auch das vogelwilde Musikerquartett bei: Was Leo Gmelch an Tuba und Posaune, Franz Weyerer an der Trompete, Florian Burgmayr an Akkordeon und Tenorhorn und Yogo Pausch am Schlagwerk da an Zwischenspielen boten, war die perfekte Untermalung der so bildhaft geschilderten Geschehnisse. Florian Burgmayr hatte dazu Landler und Kirchenmusik, Folklore und Marsch in Kompositionen verwandelt, die gleichzeitig eingängig waren, ordentlich bayerische Atmosphäre schafften, ganz gleich ob es sich um Wirtshaus oder Jagdrevier handelte, und dazu noch für einen stimmigen ironischen Unterton sorgten.

Profaner als gedacht

Am Ende wusste das Publikum sehr genau Bescheid über jenen Girgl Jennerwein und sein kurzes Leben. Das stellte sich durchaus profaner als vorgestellt heraus, und vielleicht verwunderlich, was so ausreicht, um zum bayerischen Volksheld zu werden. Aber das war nebensächlich: Denn im Vordergrund stand dieses einmalige Erlebnis auf der Bühne, zu Recht als Spektakel angepriesen.

Landkreis Heidenheim