Im Sommer dieses Jahres konnten die Kinder des Charkiwer Rika-Kindertheaters in Heidenheim ein kleines bisschen Normalität erleben und die schrecklichen Kriegsgeschehnisse in ihrer ukrainischen Heimat für kurze Zeit hinter sich lassen. Dank der Unterstützung von Gönnern und Förderern sind die 27 jungen Schauspielerinnen und Schauspieler im Alter zwischen sechs und 17 Jahren jetzt ins Naturtheater zurückgekehrt. „Ich habe mir den Geruch des Naturtheaters eingeprägt, den ich mit dem Gefühl von Sicherheit und Freude verbunden habe. Deshalb war es für mich fast so, als würde ich nach Hause kommen“, sagt eines der Mädchen.

Eine Gruppe junger Regisseure, die selbst vor dem Krieg in der Ukraine geflohen war und in Charkiw das Rika-Kindertheater leitete, hatte die Idee ins Leben gerufen, den Kindern ihre gewohnte Sommerfreizeit anstatt im Kriegsgebiet in Heidenheim zu ermöglichen.

Unbeschwerte Wochen voller Lachen und Spaß – ohne Angst vor dem nächsten Bombeneinschlag: Während im Sommer die meisten der Kinder noch in Charkiw selbst lebten, haben viele von ihnen die Stadt mittlerweile verlassen und sich im Westen der Ukraine niedergelassen. Andere hingegen waren bereits kurz nach Kriegsbeginn nach Deutschland, Kanada oder in die Niederlande geflüchtet. In Heidenheim sehen sie sich nun alle wieder.

Die Theaterfreizeit bietet den Kindern die Möglichkeit, ihre Lebensrealität mit Kriegserfahrungen und Flucht für drei Wochen hinter sich zu lassen.
Die Theaterfreizeit bietet den Kindern die Möglichkeit, ihre Lebensrealität mit Kriegserfahrungen und Flucht für drei Wochen hinter sich zu lassen.
© Foto: Markus Brandhuber

Dafür verzichten sie in diesem Jahr auf Neujahr und auf das Weihnachtsfest mit ihrer Familie, das in weiten Teilen der Ukraine anders als hierzulande erst am 7. Januar gefeiert wird. „Wir sind eine große Familie und sind füreinander da – deshalb ist es okay, nicht zu Hause zu sein“, sagt Evangelina Antipowa, die nach der Freizeit im Sommer in Deutschland geblieben war und mittlerweile die Waldorfschule besucht.

Lebensmittel aus Polen

Insgesamt belaufen sich die Kosten für die Freizeit auf rund 20.000 Euro. Bisher kamen rund 11.500 Euro an Spenden zusammen. „Wir müssen Abstriche machen“, erklärt Eduard Marker, der sich bereits bei der ersten Freizeit engagiert hatte. So wurden beispielsweise Lebensmittel wie Milch, Konservendosen oder Buchweizen in Polen eingekauft, wo die Kinder an der Grenze von den Theaterorganisatoren abgeholt wurden.

Ebenso wie im Sommer studieren die Kinder und Jugendlichen ein Bühnenstück ein, das am Donnerstag, 5. Januar, um 18 Uhr in der Waldorfschule aufgeführt werden soll. „Winter hat zum Fest gerufen“, lautet der Titel des Stücks, das von den Regisseuren für die Aufführung in Heidenheim eigens geschrieben wurde. Es besteht aus zwei Teilen. Im ersten setzen die Verantwortlichen auf Folklore und Tradition. „Die Zuschauerinnen und Zuschauer erfahren, wie Weihnachten in der Ukraine gefeiert wird“, sagt Swetlana Lusch, die bei dem Stück Regie führt. Der zweite Teil ist ein Neujahrskonzert mit Tanz und Gesang. „Wir möchten den Gedanken näherbringen, dass sich die Menschen zu Neujahr Licht schenken“, so Swetlana Lusch.

Drei Wochen aus dem Alltag

Neben Spiel und Spaß bedeutet das für die Kinder jede Menge harte Arbeit. Drei- bis viermal am Tag sind Proben angesetzt, damit das Stück in der Kürze der Zeit einstudiert werden kann. Zudem steht für die Kinder Online-Unterricht auf dem Programm. Das ist allerdings nur bedingt möglich, weil es in der Ukraine selbst immer wieder zu Stromausfällen kommt und der Unterricht unterbrochen wird.

Dennoch überwiegt die Freude der Kinder, ihren vom Krieg begleiteten Alltag für drei Wochen hinter sich lassen zu können. Am 8. Januar kehren sie in ihre Heimat zurück. Bleiben wird die Vorfreude auf die nächste Freizeit. „Wir werden solange weitermachen, solange es diesen Krieg gibt“, erklärt. Awo-Mitarbeiter Eduard Marker.

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Heidenheim

„Winter hat zum Fest gerufen“


Seit dem 18. Dezember läuft die Freizeit für ukrainische Kinder im Heidenheimer Naturtheater. Alle Kinder verfügen über Bühnenerfahrung, können aufgrund des andauernden Krieges, Zerstörung und Flucht jedoch nicht in ihr eigenes Theater zurückkehren. Mit Hilfe von Spenden war es möglich, die Freizeit erneut an die Brenz zu holen. Am Donnerstag, 5. Januar, führen die Kinder um 18 Uhr das Stück „Winter hat zum Fest gerufen“ in der Waldorfschule auf. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten.