Was steckt eigentlich in Wurst? Die Antwort ist einfach: „Am besten Fleisch, Salz und Gewürze. Chemische Zusatzstoffe, Geschmacksverstärker oder Stoffe, die Vorgänge beschleunigen oder Wasser binden, haben darin nichts zu suchen.“ Ist das dann ehrliche Wurst? „Ehrlich würde ja heißen, dass sie vorher unehrlich war. Pur ist ein schöneres Wort.“
Hermann Jakob gilt als Koryphäe, was Wurstherstellung angeht. Er ist Leiter der Meisterschule für Fleischer in Kulmbach und hat sich vor rund 30 Jahren der Biowurst verschrieben. Sein Beweggrund: Sein Ohr am Zeitgeist und die Erkenntnis, dass immer mehr Chemie zum Einsatz kommt: „Da muss man dagegen angehen.“ Nicht nur deutschlandweit ist er als Wurstprüfer unterwegs, unlängst war er in Moskau, um die Russen in die Geheimnisse deutscher Wurst einzuweihen, die seiner Meinung nach ebenso wie Brot immaterielles Weltkulturerbe sein sollte. „Deutsches Brot und deutsche Wurst sind einzigartig auf der Welt.“
Youtube Natürliche Wurst: Metzger und Landwirte besuchen Bio-Wurstseminar
Vorigen Samstag war Hermann Jakob zu Gast in der Region, um vor rund 20 Metzgern, Landwirten und Interessierten vorzuführen, wie ökologische Wurstproduktion funktioniert. Das Praxisseminar wurde auf Initiative von Johanna Böll, Geschäftsführerin der Bioregion Heidenheim plus vom Bioland-Verband organisiert.
Warum dieses Engagement? „Ein Ziel der Bio-Musterregion Heidenheim plus ist es, eine Biofleisch-Wertschöpfungskette zu schaffen vom Erzeuger bis zum Verbraucher“, sagt Johanna Böll. Denn noch immer fehle in der Region das letzte Glied: nämlich eine Bio-Metzgerei mit Schlachtung. „Dabei halten 98 Prozent unserer Biohöfe auch Tiere“, so Böll. Das gehöre zur biologischen Kreislaufwirtschaft.
Bio-Bauern suchen eigene Wege
Manche Bauern behelfen sich, so Böll, indem sie ihre Tiere 100 Kilometer weit entfernt zu einem Bio-Schlachtbetrieb und Metzger bringen. So einer ist Wilfried Straub aus Steinheim. Seine Kälber aus Mutterkuhhaltung gehen ins Allgäu. Und wenn er einen Bio-Abnehmer vor Ort hätte? „Das wäre schon recht“, sagt er. Andere Biohöfe liefern an konventionelle Betriebe. Wieder andere haben für sich Sonderlösungen gefunden, indem jemand mit Bio-Zertifikat beim Schlachten dabei ist. So handhabt es zum Beispiel die Erzeugergemeinschaft Biotal in Eselsburg, von der Felix Feldmann am Seminar teilnimmt. Geschlachtet werde in Sontheim an der Brenz, es sei aber immer jemand vom Hof dabei.
Besteht die Salami den Text des Experten?
Hermann Jakob hält eine Scheibe Salami gegen das Licht wie einen Edelstein. Er findet kleine Löcher, die ihn jedoch nicht weiter stören. Dann faltet er die Salami, riecht daran und schiebt sie sich in den Mund.
In der Wurstküche der Metzgerei Rosenstein in Heubach-Lautern, die ihre Räume für das Seminar zur Verfügung gestellt hat, könnte man eine Stecknadel fallen hören. Die Teilnehmer warten gespannt auf Jakobs Urteil. „Er ist eine Koryphäe“, flüstert einer der Teilnehmer erklärend. „Sehr gut, da würde ich nichts ändern“, sagt der Metzgermeister, um dann doch noch einen Tipp parat zu haben: Beim nächsten Mal Rotwein zugeben, in dem zwei Tage lang Wacholderbeeren gezogen haben. „Dann wird der PH-Wert gesenkt und die Salami schmeckt im Nachgang nicht mehr so penetrant nach Rind.“
Auch andere Metzger nutzen die Gelegenheit, ihre Produkte verkosten zu lassen, und erhalten meist sehr verblüffende Tipps. Vanille in die Leberwurst oder Flohsamenschalen für einen schönen Glanz. Alles bio-konform.
Bio hat seinen Preis
Die Salami stammt vom Hausherrn der Rosenstein-Metzgerei selbst. Junior- und Seniorchef liebäugeln zwar mit der Biowurst-Herstellung und wollen einige Rezepte auch umsetzen, aber um wirklich den letzten Schritt zum zertifizierten Bio-Metzger zu gehen, dazu braucht es noch Zeit. Die brauchen nicht zuletzt auch die Kunden, der bereit sein müssen, den Preis für die teurere Bio-Ware auch zu bezahlen. Keiner der Teilnehmer hat am Ende Pläne für eine Bio-Metzgerei. Doch die Wurst ohne unnötige Zusatzstoffe oder Geschmacksverstärker herzustellen, zu diesem Handwerk stehen sie alle.
Bio-Musterregion Heidenheim plus
Heidenheim gehört zu den ersten vier Bio-Musterregionen im Land. Zur Bio-Musterregion Heidenheim plus gehören neben dem Landkreis die fünf angrenzenden Kommunen Bartholomä, Heubach, Essingen, Oberkochen und Neresheim im Ostalbkreis.
Neben dem Titel gibt es für mindestens drei Jahre vom Land 75 Prozent der Kosten für ein Regional-Management und für Sachkosten, maximal 100 000 Euro. Johanna Böll ist seit einem Jahr die Geschäftsführerin der Bio-Musterregion.
Zu den Zielen gehört eine bessere Vermarktung von regionalen Bioprodukten. Zudem soll die Wertschöpfungskette vom Erzeuger bis hin in die Verkaufsregale zum Kunden aufgebaut werden. Der Weg des regionalen Bio-Fleisches ist ein Bestandteil.