Viele Eltern suchen gerade händeringend nach Betreuungsplätzen für ihre Kinder. Gleichzeitig mangelt es in zahlreichen Kindergärten und Kitas an Personal. Besondere Aufmerksamkeit wird deshalb jedem neuen Angebot zuteil. Ein solches gibt es in wenigen Monaten auf dem Moldenberg in Schnaitheim.

Nördlich der Fußballplätze entsteht dort ein sogenannter Jurtenkindergarten. Er trägt seinen Namen aufgrund der einem traditionellen Nomadenzelt nachempfundenen Form. Was den genauen Aufbau anlangt, ist der Name Programm: Hersteller ist die Firma Living Circles aus Schwäbisch Gmünd, und so wird auch der runde Gruppenraum genannt, der sich bei Bedarf um bis zu sechs individuelle Funktionsbereiche erweitern lässt.

Nördlich der Sportplätze auf dem Moldenberg hat der Bau des Jurtenkindergartens begonnen.
Nördlich der Sportplätze auf dem Moldenberg hat der Bau des Jurtenkindergartens begonnen.
© Foto: Rudi Penk

Vor Ort ist aktuell zu verfolgen, was Living-Circles-Geschäftsführer Krishna Saraswati im Mai vergangenen Jahres dem Gemeinderat in Aussicht stellte: eine Einrichtung, die die Lücke zwischen einem klassischen Hauskindergarten und einem Waldkindergarten schließt.

Die Eröffnung ist für September 2023 vorgesehen, und ab dann sollen in einer Gruppe 20 Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jahren von 7.30 bis 13.30 Uhr betreut werden. Zwei der drei Stellen für pädagogische Fachkräfte sind bereits besetzt, eine ist noch offen.

Gehören zum Team des Jurtenkindergartens: die Leiterin Angela Montesano (links) und die Sozialpädagogin Carolin Berchtold.
Gehören zum Team des Jurtenkindergartens: die Leiterin Angela Montesano (links) und die Sozialpädagogin Carolin Berchtold.
© Foto: Rudi Penk

Laut Angela Montesano, der Leiterin des Jurtenkindergartens, sind die Bewerbungen für Einrichtungen dieses speziellen Zuschnitts gewöhnlich breiter gefächert: „Die Tätigkeit ist interessant für Menschen mit ausgeprägter handwerklicher Begabung und Naturerfahrung, und auch Quereinsteiger sind denkbar.“

Die 46-Jährige bringt die berufliche Erfahrung aus 15 Jahren in einem klassischen Kindergarten mit und sieht der neuen Aufgabe mit großer Erwartung entgegen: „Ich bin voller Vorfreude, denn in einem Kindergarten mitten in der Natur sind alle viel entspannter und weniger gestresst. Der Lärmpegel ist geringer, also muss auch niemand gegen andere anschreien, sondern man kann viel leiser reden.“

Die Kinder sollen auf dem Moldenberg die Natur erleben

Die Sozialpädagogin Carolin Berchtold (37), die ebenfalls zum Team gehört, beschreibt den künftigen Alltag: „Natur entdecken, forschen, spüren, erfahren.“ Die Kinder sollen die Jahreszeiten unmittelbar erleben und Kreisläufe erkennen.

Zum Händewaschen steht ein Krug mit Wasser bereit. Damit soll verdeutlicht werden, dass es sich um eine endliche Ressource handelt, die nicht immer und überall aus einem Wasserhahn sprudelt. Um es warm zu bekommen, wird nicht einfach eine Heizung aufgedreht, sondern mit Hilfe der Kinder ein Pelletofen gefüttert. Und die Pflege eines kleinen Gartens veranschaulicht, was erforderlich ist, um später Lebensmittel ernten zu können.

Im Jurtenkindergarten gibt es wenige klassische Spielsachen

Da die Kinder voraussichtlich einen Großteil der Zeit im Freien verbringen, werden sie sich vorwiegend nicht mit klassischen Spielsachen beschäftigen. „Sie sollen sich mit Begeisterung ihre eigenen Geschichten erschaffen“, sagt Berchtold, „und wir haben zum Beispiel schon eine Vorstellung, wo Tipis aus Holz gebaut werden könnten.“

Bei alldem will Montesano den Jungen und Mädchen wertschätzend und auf Augenhöhe begegnen: „Es gibt einen Kinderrat, mit dem man viele Dinge bespricht, und wenn sie sehen, dass ihre Vorschläge aufgenommen werden, dann ist das natürlich förderlich für die intrinsische Motivation.“

Beim Bau des Jurtenkindergartens wird heimisches Holz verwendet

Das pädagogische Konzept entspricht der Architektur; besagte Naturkreisläufe sollen berücksichtigt und beim Bau umgesetzt werden. Verwendet werden heimisches Holz und sortenreine Rohstoffe wie Glas und Edelstahl, die wiederverwertet werden können.

Bereits im vergangenen Oktober wurde die Baugenehmigung erteilt. Sie bezieht sich auf eine Gesamtfläche von rund 700 Quadratmetern. Eine Einfriedung wird den Platz um die Jurte abgrenzen, auch zur Richtung Schützenhaus führenden Straße hin. Da der Vorstand der TSG Schnaitheim frühzeitig sein Einverständnis mit den Plänen signalisiert hat, dürften keine nachbarschaftlichen Probleme zu erwarten sein, zumal es im Normalfall keine zeitliche Überlappung zwischen dem Sportbetrieb und den Öffnungszeiten des Kindergartens geben wird.

Kindergarten erhält Toilette ohne Wasserspülung

Nach dem Vermessen des Geländes war einer der ersten Schritte das Setzen der Trennbehälter für das Toilettensystem, das ohne Wasserspülung auskommt. Es folgten die Schraubfundamente, auf denen das Gebäude ruht. Dadurch kann eine Flächenversiegelung vermieden werden.

Für die kommenden Wochen sind vorrangig Zimmermannsarbeiten am Grundgerüst des Living Circle geplant. Aus der Lagerhalle in Schwäbisch Gmünd wurden dafür bereits vorgefertigte Teile auf die Baustelle geliefert. Parallel dazu laufen Vorarbeiten für die Elektroinstallation und das Verlegen der Trinkwasserleitung.

Blick in das verglaste Rund des Jurtenkindergartens.
Blick in das verglaste Rund des Jurtenkindergartens.
© Foto: Living Circles

Betreiben wird den Jurtenkindergarten auf dem Moldenberg der in Schwäbisch Gmünd ansässige Verein Sozialkraftwerk. Unter seiner Leitung steht auch der Jurtenkindergarten am Nepperberg bei Schwäbisch Gmünd. Dabei handelt es sich eigenen Angaben zufolge um den ersten Ganztages-Naturkindergarten in Baden-Württemberg.