Der Mangel an Hausärzten im Landkreis ist akut, und Besserung ist bisher kaum in Sicht. „Viele ältere Kollegen wollen bald aufhören und ihre Praxen übergeben, aber es mangelt an jungen Allgemeinmedizinern“, sagt Dr. Jörg Sandfort, Vorsitzender der Kreisärzteschaft. Eigentlich ist der Landkreis Heidenheim noch relativ gut versorgt, aber es ist für Patienten nicht einfach, in einer neuen Praxis aufgenommen zu werden. Erst in jüngster Zeit hätten zwei Hausärzte ihre Praxen geschlossen, die Patienten seien damit teils „verwaist“, so Sandfort.
Attraktives Weiterbildungsangebot
Die Bemühungen, wieder mehr Hausärzte im Landkreis anzusiedeln, sollen deshalb nun verstärkt werden. „Wir wollen jungen Medizinern ein attraktives Weiterbildungsangebot machen und zwar in Form eines strukturierten Pakets. Auf diese Weise hoffen wir, dass sich junge Mediziner nach dem Studium hier ausbilden lassen und im Anschluss nach Möglichkeit als Allgemeinarzt in einer Hausarztpraxis arbeiten“, so Sandfort. Aus diesem Grund wurde nun der Weiterbildungsverbund Allgemeinmedizin Heidenheim gegründet, der ein möglichst weitreichendes, umfassendes und gut vernetztes Angebot schnüren will. Mit an Bord ist neben der Kreisärzteschaft und dem Klinikum Heidenheim auch die Universitätsklinik Ulm und mit ihr das Kompetenzzentrum Weiterbildung Baden-Württemberg (KWBW) , das am Universitätsklinikum Heidelberg ansässig ist.
Flexible Pakete schnüren
Doch was hat das Bündnis konkret vor? „Wir wollen es jungen Assistenzärztinnen und –ärzten ermöglichen, eine Ausbildung zum Allgemeinmediziner zu machen und zwar in flexiblen Paketen“, so Sandfort. „Das bedeutet, sie werden sowohl im Klinikum als auch in einer Hausarztpraxis ausgebildet.“ Dabei will der Verbund eine möglichst große Flexibilität, bestehend aus bis zu drei Zeitschienen, bieten. Es liegt allein in der Entscheidung des Jungmediziners, ob er seine Weiterbildung zuerst in der Praxis oder zuerst im Klinikum machen will, oder ob er den Beginn und das Ende in der Praxis machen möchte. „Die Weiterbildung zum Allgemeinarzt dauert fünf Jahre, drei Jahre davon finden in den unterschiedlichsten Bereichen des Klinikums statt. Am Ende steht die Facharztprüfung bei der Landesärztekammer“, erklärt der Vorsitzende der Kreisärzteschaft.
Über den Tellerrand schauen
„Der Vorteil an der Weiterbildung zum Allgemeinmediziner ist, dass man lernt, über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen“, so Sandfort. Begleitet wird die Weiterbildung durch das sehr große Seminarangebot des KWBW, das die Mediziner nutzen können. „Außerdem gibt es die Möglichkeit, am Klinikum zwischen den Fächern zu rotieren und so die medizinische Kompetenz zu verbreitern.“
Sehr breites Ausbildungsangebot
Darin sieht auch Privatdozent Dr. Martin Grünewald einen sehr großen Vorteil. Er ist am Klinikum für die Koordination der Weiterbildung zum Allgemeinmediziner verantwortlich. „Das Angebot ist hier sehr breit und neben der klassischen Ausbildung in Innerer Medizin können die Mediziner sich in Halbjahresblöcken die Bereiche aussuchen, die sie besonders interessieren.“ Ob das die Chirurgie, die Psychiatrie, die Pädiatrie oder etwas Anderes ist, bleibt den jungen Menschen überlassen.“ Auch Grünewald ist überzeugt davon, dass diese Art der Ausbildung die künftigen Allgemeinärzte am besten auf den Beruf vorbereitet. „In den Praxen lernen sie nämlich auch Dinge, die im Krankenhaus nicht vermittelt werden, etwa die Impfmedizin.“
Netzwerke sind wichtig
Doch sieht der Privatdozent noch weitere entscheidende Vorteile: Das ist zum einen die große Vielfalt der angebotenen Seminare und Kurse über das KWBW, die häufig auch online angeboten werden, zum anderen aber auch die Tatsache, dass sich die Mediziner schon in der Weiterbildung im Klinikum kennenlernen. „Netzwerke sind sehr wichtig, und vielleicht ergibt sich dadurch auch die Möglichkeit, später einmal eine Gemeinschaftspraxis zu übernehmen oder zu gründen.“ Ein großes Plus des Heidenheimer Weiterbildungsverbundes sieht Grünewald in der sehr guten und engen Kooperation mit der Kreisärzteschaft.
16 Praxen sind dabei
„Aktuell gibt es im Landkreis 16 Hausarztpraxen, die Mitglied im Verbund sind und spätere Allgemeinmediziner ausbilden dürfen“, ergänzt Sandfort. Auch wenn es schon seit etlichen Jahren die Kooperation zwischen den niedergelassenen Ärzten und dem Klinikum gibt: optimal war sie bislang nicht. Das soll sich durch die Einbeziehung des Uniklinikums Ulm und die bessere Strukturierung der medizinischen Weiterbildung Sandfort zufolge ändern. Grünewald zufolge hat etwa die Hälfte der im Landkreis ansässigen Internisten zumindest einen Teil seiner Ausbildung am Heidenheimer Klinikum absolviert. Bei den Allgemeinärzten sei es lediglich ein Drittel.
„Durch die Strukturen, die wir geschaffen haben und durch die feste Rotation sowie die sehr strukturierte Weiterbildung hoffen wir natürlich, dass möglichst viele Mediziner Interesse an dieser Art der Weiterbildung in Heidenheim haben und sich dann später auch als Allgemeinärztinnen und -ärzte hier niederlassen. Nur so haben wir die Möglichkeit zu verhindern, dass der Hausarztmangel im Landkreis noch weiter überhand nimmt“, sagt Sandfort.
Heidenheim
Noch relativ gut versorgt
Der Landkreis Heidenheim ist rein rechnerisch gesehen noch relativ gut mit Hausärzten versorgt. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) stellte für 2021 eine Verteilung von 1527 Einwohnern pro Hausarzt fest. Insgesamt gab es im vergangenen Jahr 87 Hausärztinnen und Hausärzte im Kreis. Hinzu kamen noch 123 Fachärztinnen und Fachärzte, unter ihnen sind 28 Psychotherapeuten.
Laut dem Bericht zur Hausärztlichen Versorgung im Landkreis waren 2019 in der Stadt Heidenheim 30,9 Hausärzte rein rechnerisch für eine Vollversorgung notwendig, im vergangenen Jahr waren es noch 38. Das bedeutet, dass die Versorgung über 100 Prozent lag.
Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Lage in den Kommunen des Landkreises ganz unterschiedlich ist. Während es in manchen noch ausreichend Allgemeinmediziner gibt, ist in anderen die Versorgungssicherheit in Gefahr.