Trotz guter Geschäftsentwicklung sieht der Geschäftsführer der AOK-Bezirksdirektion Hans-Joachim Seuferlein das kommende Jahr sehr kritisch. „Dem baden-württembergischen Gesundheitssystem drohen im Jahr 2021 ein Abfluss von mehr als einer Milliarde Euro. Als größte regionale Kasse sind wir hier stark betroffen“, sagt Seuferlein.

Was dem Geschäftsführer der AOK Ostwürttemberg Sorgen bereitet, ist die von der Bundesregierung vorgesehene Sozialgarantie. Um die Sozialversicherungsbeiträge 2021 unter 40 Prozent zu halten, soll die Finanzlücke von 16,6 Milliarden Euro im Gesundheitsfonds hälftig aus den Finanzreserven der Krankenkassen geschlossen werden. Allein die AOK Baden-Württemberg müsste 617 Millionen Euro an den Gesundheitsfonds zurücküberweisen, so Seuferlein.

Eingriff in die Finanzautonomie der Krankenkassen

„Das sind die Beitragsgelder der Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Baden-Württemberg, mit denen wir bisher bei der AOK gut und vorausschauend gewirtschaftet haben, um weiterhin für unsere Versicherten in eine gute Versorgung investieren zu können“, erklärt Hans-Joachim Seuferlein. „Es ist ein Eingriff in die Finanzautonomie der Krankenkassen. Planungssicherheit gehört damit der Vergangenheit an.“ Wenn die Regierung die Sozialversicherungsbeiträge 2021 unter 40 Prozent halten möchte, sollte dies, so Seuferlein, ordnungspolitisch sauber aus Steuermittel finanziert werden.

Ziel, Gelder gerechter zu verteilen verfehlt?

Parallel zur Sozialgarantie wurde die Finanzarchitektur der Kassenfinanzierung reformiert. Unter anderem mit der Einführung einer Regionalkomponente will man die Gelder aus dem Gesundheitsfonds gerechter verteilen. „Leider ist das nicht gelungen“, stellt der Geschäftsführer der AOK Ostwürttemberg fest. „Bei der Ausgestaltung der Regionalkomponente wurde nicht auf gut funktionierende Versorgungsstrukturen geschaut. Es werden weniger effiziente und teurere Versorgungsstrukturen sogar belohnt.“

Seuferlein macht dies an der Palliativversorgung fest. „Diese erfolgt in Baden-Württemberg größtenteils ambulant, im Bundesland NRW stationär. Da die stationären Kosten höher ausfallen, wird zukünftig mehr Geld nach NRW fließen. Allein durch diese Stellschraube erhält die AOK Baden-Württemberg 123 Millionen Euro pro Jahr weniger. Das Gesundheitssystem von Baden-Württemberg wird insgesamt jedes Jahr auf 450 Millionen Euro verzichten müssen.“

Der AOK-Chef hoffe, dass die Abgeordneten aus Baden-Württemberg in Berlin noch verstärkt aktiv werden, um das Gesundheitssystem in Baden-Württemberg vor diesen Geldabflüssen zu bewahren.

Hausarztprogramm wird gut angenommen

Seinen Blick auf Ostwürttemberg gerichtet, berichtet Seuferlein über die weiterhin positive Entwicklung bei der Hausarztzentrierten Versorgung. Seit 2008 gibt es das AOK-Hausarztprogramm der AOK Baden-Württemberg. Hier fungiert der Hausarzt als Lotse im Gesundheitswesen und koordiniert damit die Behandlung durch die Fachärzte und die Medikation der Patienten. Mehr als 64 000 AOK-Versicherte nehmen in Ostwürttemberg an dem Programm teil. 161 Hausärzte in den Landkreisen Heidenheim und Ostalbkreis sind in den Hausarztvertrag eingeschrieben. Das sind zwei Drittel der praktizierenden Ärzte.

„Wir begrüßen es ausdrücklich, dass sich das Landratsamt des Landkreises Heidenheim gemeinsam mit der Kreisärzteschaft sich der hausärztlichen Versorgungssicherheit widmet und nun schon zum zweiten Mal einen Atlas Hausärztliche Versorgung erstellt hat. Den Ärztemangel muss man strategisch angehen.

Größte Krankenkasse der Region


Die AOK Ostwürttemberg ist auch im vergangenen Geschäftsjahr weiter gewachsen. Aktuell sind bei der größten Krankenkasse der Region mehr als 174 500 Menschen versichert. 2019 konnten fast 3000 Neuversicherte gewonnen werden.