Zum Inhalt: Marie de Bruijn und Clemens Freitag waren Gäste auf einer mehr als langweiligen Silvesterparty (Freitag 31.12.1999). Sie ergriffen die Flucht, strandeten in der kleinen Pizzeria „Bei Paolo“, und sofort knisterte es bei den beiden. Keine halbe Sache sollte ihre Beziehung werden. Das versprachen sie sich bei dieser ersten Begegnung. Aus Marie und Clemens wurden bald Frau und Herr Freitag – die Freitags.
Beruflich sind beide sehr engagiert und erfolgreich. Clemens, eigentlich Programmierer, macht sein Hobby zum Beruf und wird ein gefragter Comedian. Marie ist Anwältin und macht Karriere bei den Pfundis, einer Partei, die sich für Umwelt- und Klimaschutz einsetzt. Doch bei allem Engagement ist ihnen der Freitagabend bei Paolo sehr wichtig.
Fast heiliges Ritual
Dieses Ritual ist fast heilig. Keine Termine werden auf Freitagabend gelegt. Gutes Essen, ein leckerer Wein, erzählen, diskutieren, lachen, schweigen, die Zweisamkeit genießen. Paolo und seine Pizzeria werden zur zweiten Heimat für die beiden. Es wird in Maries und Clemens‘ Beziehung 1000 Freitagabende bei Paolo geben. An diesem letzten Freitagabend sind sie sich einig, es knistert nicht mehr. Das Versprechen von vor 20 Jahren wird eingelöst – ihre Beziehung sollte keine halbe Sache sein.
Mein Fazit: Ein Zeitstrahl vor jedem Kapitel, der mit 1000 Freitagen endet, lässt die Leserinnen und Leser von Anfang an wissen, dass Maries und Clemens‘ Beziehung zeitlich begrenzt ist, und doch kommt meiner Meinung nach die Trennung überraschend.
Es gab kein besonderes Ereignis, keinen Seitensprung oder Untreue. Ihre Vertrautheit, ihr gegenseitiger Respekt, ihr Interesse an der Arbeit des anderen war nach wie vor präsent, nur das Knistern fehlte. Waren die Ansprüche an die Beziehung zu hoch? Was trägt eine Verbindung, wenn das Knistern nachlässt?
Kultur der Absage
Tom Liehr verflicht die Liebesgeschichte von Marie und Clemens mit dem Thema „cancel culture“ (Kultur der Absage), das für Kulturschaffende zunehmend zum Problem wird.
Eine einfühlsame Liebes- und Lebensgeschichte und ein Plädoyer für die Freiheit der Kunst, das ist dem Autor Tom Liehr in diesem Roman gut gelungen.
Das Buch „Freitags bei Paolo“ kann in der Bibliothek in Gerstetten entliehen werden. Im Buchhandel ist es für 14 Euro erhältlich.