Zum Auftakt einer Reihe von Warnstreiks war die IG Metall am Freitag mit einem Piaggio-Dreirad bei Varta in Dischingen vorgefahren. Noch vor Beginn der Aktion erklang aus dem Lautsprecher auf der Ladefläche der Song „Gimme Shelter“ („Gibt mir ein Unterschlupf“) von den Rolling Stones. Die Gewerkschaft als Obdach und Schutzraum für die Beschäftigten – das Bild würde den Arbeitnehmervertretern wohl gefallen.
Um halb zehn füllte sich der Platz am Werkstor zusehends, die Frauen und Männer trugen ihre Arbeitskleidung, warfen sich rote IG-Metall-Schals über und rüsteten sich mit Trillerpfeifen. „Die Frühschicht steht jetzt still“, sagte Tobias Bucher zufrieden. Der Erste Bevollmächtigte der Metaller-Gewerkschaft in Heidenheim griff zum Mikrofon, um die Kolleginnen und Kollegen auf den Demonstrationszug durch den Ort einzustimmen.
120 Mitarbeitende zogen durch Dischingen
Rund 540 Menschen arbeiten beim Batteriehersteller in Dischingen. Rund 60 Prozent von ihnen, schätzt Bucher, sind gewerkschaftlich organisiert. Die Frühschicht legte die Arbeit geschlossen nieder, etwa 120 Beschäftigte versammelten sich, um eskortiert von der Polizei in Richtung Streiklokal zu ziehen.
Unterwegs skandierten sie die Schlachtrufe, die ihr Ziel in den laufenden Tarifverhandlungen deutlich machen sollen: Sie wollen acht Prozent mehr Geld. Die vorliegenden Angebote der Arbeitgeber nennt Bucher dagegen „unterirdisch“: „Nach vier Verhandlungsrunden wollen sie uns mit Peanuts abspeisen“, sagte er vom dem „Rössle“ in der Ortsmitte, wo sich die Streikenden abschließend versammelten.
Forderungen unterhalb der Inflationsrate
Noch am Donnerstag habe die Varta-Werksleitung in einer Betriebsversammlung betont, jede Batterie sei wichtig, berichtete Bucher. „Dann sollen sie eben ihren Verband anrufen und ihnen sagen, dass sie uns ein Angebot machen sollen“, folgerte Bucher. Viele Unternehmen in der Metallbranche hätten sich in den vergangenen Jahren „dumm und dämlich verdient“, jetzt müssten sie dafür sorgen, dass ihre Beschäftigten „die Gasrechnung zahlen und den Kühlschrank füllen“ könnten. Dies sei dann auch ein „Schmerzensgeld“ dafür, dass viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Dreischichtbetrieb an sieben Tag in der Woche an den Maschinen stünden. Mit ihrer Forderung nach acht Prozent mehr Lohn und Gehalt liegt die Gewerkschaft unter der aktuellen Inflationsrate.
Der gestrige Warnstreik war der Auftakt zu einer Reihe weiterer geplanter Aktionen im Landkreis. Dass die Premiere in Dischingen stattfand, war offenbar keine willkürliche Entscheidung. Gewerkschafter Bucher bezeichnete Varta als „Kampfbetrieb“.
Gewerkschaft gibt sich kampfbereit
Für Mitte nächster Woche ist die nächste Verhandlungsrunde zwischen Metall-Arbeitgebern angesetzt. In seiner Rede vor den Streikenden ließ Bucher keinen Zweifel daran, dass die IG Metall bereit für eine weitere Eskalationsstufe ist, sprich: Streik. 2018 hatten die Beschäftigten bei Varta zuletzt einen Tag lang die Arbeit niedergelegt. Länger andauernde Streiks in der Metallindustrie gab es zuletzt 2002.
Zum Abschluss der Kundgebung vor dem „Rössle“ bedankte sich Bucher auch bei den Polizisten, die den Zug begleitet hatten. Seinen Hinweis, ein gutes Ergebnis für die Metaller werde auch den Weg für mehr Geld im öffentlichen Dienst ebnen, nahmen sie durchaus wohlwollend auf.
Bildergalerie Warnstreik bei Varta in Dischingen am Freitag, 11. November
Kein Streik ohne Urabstimmung
Ein Warnstreik gilt als eines der frühen Druckmittel in einem Arbeitskampf. Ein Warnstreik ist dann möglich, wenn die Gewerkschaften im Moment davon ausgehen, dass die Verhandlungen gescheitert sind. Ein regulärer, auch länger andauernder Streik ist dann möglich, wenn sich die Mehrheit der organisiert Beschäftigten sich dafür ausspricht. Diese sogenannte Urabstimmung ist bei Warnstreiks nicht nötig.