Steinheim und Colombelles

Deutsch-französische Städtepartnerschaft: Warum sie wichtiger ist denn je

Seit bald 40 Jahren besteht die offizielle Städtepartnerschaft zwischen Steinheim und Colombelles in Frankreich. Kurz vor dem Jubiläum im kommenden Jahr und in Zeiten wachsender EU-Skepsis ist sie womöglich wichtiger denn je.

Als Marie Petitpas im Jahr 1986 seine Unterschrift unter die Urkunde setzte, welche die Partnerschaft mit Steinheim besiegelte, war das sowohl für seine Gemeinde Colombelles (Normandie) als auch für die Freunde aus Deutschland ein historisches und wegweisendes Datum. Doch das Lächeln auf den Fotos mag über eines ein wenig hinwegtäuschen: „Marie Petitpas hatte den Zweiten Weltkrieg miterlebt. Er hatte daher zunächst ein spezielles und zurückhaltendes Verhältnis zu den Deutschen“, erzählt die heutige Vorsitzende des Partnerschaftskomitees Erika Edler. „Er war skeptisch und er sagte auch, dass er selbst diese Partnerschaft nicht voranbringen könne.“ Dennoch oder vielleicht gerade deshalb schloss er sie: Es sollte die Entscheidung der folgenden Generation sein, ob die Freundschaft Bestand haben sollte.

Das hatte sie. Und sie hat es bis heute, fast 40 Jahre später. Sie ist gesünder denn je und sie ist, das glaubt auch Erika Edler, wichtiger denn je: „Die Skepsis gegenüber der EU und dem europäischen Gedanken hat immens zugenommen.“ Grenzkontrollen innerhalb der EU: noch vor einigen Jahren undenkbar, heute mancherorts schon wieder Alltag. Edler beobachtet das mit großer Sorge: „Es regiert wieder das Misstrauen und es ist unsere Aufgabe, zumindest im Kleinen Vertrauen aufzubauen und zu stärken.“ Für die pensionierte Französischlehrerin ist es im Grunde genommen eine Fortführung ihres Berufes: „Fremdsprachenunterricht im Sinne Europas“, sagt sie.

Verständigung auch ohne Sprache

Apropos Fremdsprache: Ein Hinderungsgrund, sich selbst an der Jumelage zu beteiligen, könnte für viele ja ein ganz einfacher sein: Sie sprechen kein Französisch. Doch Edler kann da beruhigen: Sprachkenntnisse seien von Vorteil, aber kein Muss. „Ich erinnere mich an zwei ältere Damen: Die Steinheimerin hatte bei der Französin in Colombelles während eines Besuchs gewohnt. Die eine sprach kein Französisch, die andere kein Deutsch. Beim Abschied nach ein paar Tagen lagen sich beide aber mit Tränen in den Augen in den Armen.“

Es regiert wieder das Misstrauen und es ist unsere Aufgabe, zumindest im Kleinen Vertrauen aufzubauen und zu stärken.

Erika Edler, Vorsitzende des Partnerschaftskomitees Steinheim/Colombelles

Verständigung geht also tiefer als Sprache. Und die deutsch-französische Freundschaft geht tiefer als zwei offizielle Besuche im Jahr: Es findet ein reger Austausch zwischen Sportvereinen, Musikschulen und Künstlern statt. Gewohnt wird jeweils – falls möglich – in den Familien, es gibt Einblicke in die jeweils andere Kultur und in den jeweils anderen Alltag. „Es muss sich auch niemand sorgen, allein gelassen zu werden“, versichert Edler: „Die Besuche werden ja vom Komitee begleitet. Es ist immer jemand da, der übersetzen könnte.“ Ganz davon abgesehen, ist das in Zeiten von Translator-Apps ohnehin kein großes Thema mehr.

Jumelage ist auch Sache der Gemeinde

Die Steinheimer haben den ganz großen Vorteil, dass die Jumelage nicht von einem Verein organisiert wird, sondern dass sie ein Organ der Gemeinde ist. „Dadurch bekommen wir eine große Unterstützung von der Gemeinde – auch finanziell“, sagt Edler. Und nicht nur das: „Die Gemeinde sieht es als ihre ganz eigene Aufgabe an, die Partnerschaft am Leben zu erhalten.“

Gäste aus der Partnergemeinde Colombelles sind regelmäßig auf dem Steinheimer Maimarkt vertreten. Erika Edler (helle Jacke) ist seit 2015 Vorsitzende des Partnerschaftskomitees. Klaus-Dieter Kirschner

Nun braucht es natürlich dennoch eine Gruppe von Menschen, die Ideen einbringt, die Kontakte knüpft und pflegt, Besuche und Gegenbesuche organisiert. Kopf dieses Komitees ist seit 2015 Erika Edler. „Aber auch ich werde das nicht ewig machen“, sagt die 71-Jährige. Sie bemühe sich nach Kräften um Nachwuchs im Komitee, um Menschen, die neue Ideen einbringen und die auch mit neuen Medien besser umgehen können als sie.

„Unsere Partnerschaft ist seit 40 Jahren eine sichere Bank, eine stabile Beziehung“, sagt Edler. Marie Petitpas hat vor vier Jahrzehnten bereits in die Hände der nächsten Generation gelegt, was mit der Partnerschaft passieren soll. Das ging auf. Und so soll es auch in dieser nächsten Generation sein. Aus Edlers Sicht ist das sogar alternativlos: „Wir müssen den Kontakt zueinander halten. Wenn wir Europa retten wollen, ist das unausweichlich.“

Wer Interesse an der Partnerschaft zwischen Steinheim und Colombelles hat, kann sich mit Erika Edler in Verbindung setzen: Edler-Steinheim@t-online.de

40 Jahre Jumelage: Feierlichkeiten sind in Planung

Die Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde jährt sich 2026 zum 40. Mal. Das soll natürlich in beiden Gemeinden gefeiert werden: in Colombelles im kommenden Jahr und in Steinheim im Jahr 2027.