Spannmittelhersteller in der Krise

Röhm Sontheim: So verhindert die Geschäftsführung aktuell den Mitarbeiterabbau

Derzeit läuft bei gut 60 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Röhm in Sontheim das TV-Besch-Verfahren. Der Spannmittelhersteller möchte so einem Stellenabbau entgegenwirken und gemeinsam den Sprung aus der Krise schaffen.

Weniger arbeiten, weniger Geld, dafür aber zumindest für ein Jahr noch einen gesicherten Arbeitsplatz: Rund 60 Prozent der Belegschaft beim Sontheimer Unternehmen Röhm befinden sich in einem Tarifvertrag mit Beschäftigungssicherung aufgrund von Unterauslastung. Damit kämpfen Geschäftsleitung und Betriebsrat gemeinsam gegen einen massiven Stellenabbau an.

Das bedeutet das TV-Besch-Verfahren

Nur noch 30 Stunden pro Woche arbeiten – fünf Stunden weniger als zuvor. Für beinahe zwei Drittel der etwa 700 Mitarbeiter an den drei deutschen Standorten von Röhm ist das seit dem 1. November Realität, festgeschrieben im Tarifvertrag, der bis Ende April des kommenden Jahres läuft. Der „Tarifvertrag mit Beschäftigungssicherung“ (TV-Besch) kommt zum Einsatz, wenn das Unternehmen keinen Anspruch auf Kurzarbeit hat. Dies kann durch eine fehlende Betriebsvereinbarung oder einen drohenden und unvermeidbaren Arbeitsausfall bedingt sein.

„Die Bezahlung des tariflichen Entgelts erfolgt entsprechend der abgesenkten Arbeitszeit. Im Gegenzug konnte zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat der generelle Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen während der Laufzeit vereinbart werden“, erklärt Betriebsrat Holger Stoll und bestätigt, dass in Sontheim Ende Oktober die Kurzarbeit beendet wurde. Gemäß den Regularien der Agentur für Arbeit wäre die Kurzarbeitsmöglichkeit für den Standort Sontheim Ende des Jahres ausgelaufen.

In erster Linie ist das TV-Besch ein schlechtes Zeichen: Das Unternehmen leidet unter der aktuellen wirtschaftlichen Gesamtsituation, insbesondere in der Metallindustrie. Auf den zweiten Blick jedoch ist es ein positives Signal für das Betriebsklima: Laut Gerhard Glanz, Geschäftsführer von Röhm, wurde zu dieser Maßnahme gegriffen, um einen massiven Stellenabbau zu verhindern. „Es wäre einfacher zu managen, wenn wir circa 100 Mitarbeiter abbauen würden – so wie das fast alle machen. Dann hätten wir in Baden-Württemberg weitere 100 betroffene Familien“, so der CEO und ergänzt: „Wir wollen zu unseren Mitarbeitern stehen und wählen deswegen den anstrengenderen und mit mehr Risiken behafteten Weg, unter anderem über TV-Besch.“

Wie Glanz berichtet, wurden die Mitarbeiter zwei Monate vor dem Start des Verfahrens informiert. Zudem gab es Verhandlungen mit der Gewerkschaft und dem Betriebsrat. Dieser bestärkt die Entscheidung: „Sowohl Betriebsrat als auch Geschäftsführung halten daran fest, möglichst ohne einen weiteren Personalabbau auszukommen.“

Die Zukunft von Röhm

Wie geht es jetzt weiter? Aus Sicht der Unternehmensführung hat man durch die aktuellen Maßnahmen die Chance, alle Mitarbeiter durch das Jahr 2026 mitzunehmen. „Darüber hinaus müssen wir die Marktentwicklung abwarten, sind aber zuversichtlich“, so Glanz. Auf die Frage, was der Plan für die Zukunft bei Röhm ist, antwortet er: „Die gegenwärtige Krise weiterhin durchzuhalten, ohne Verluste zu machen und ohne größeren Schaden zu nehmen. Durch verstärkte Verdrängung im Wettbewerb neue Kunden gewinnen, um von dem kleiner werdenden Kuchen ein größeres Stück abzubekommen.“

Der Betriebsrat hingegen findet deutlichere Worte: „Die Mitarbeiter machen sich massiv Sorgen um ihre Zukunft.“ Als Gründe dafür nennt Stoll die schwierige wirtschaftliche Situation in Bezug auf das Festhalten am Aus des Verbrenners, was massive Auswirkungen auf Zulieferer wie Röhm hat. Zudem seien Zollauflagen und der Preisdruck, verursacht durch den asiatischen Markt, schuld an der misslichen Lage: „Kurzarbeit und TV-Besch sind temporär begrenzte Notfallregister und können leider die Misswirtschaft der deutschen und europäischen Politik nicht ausgleichen.“

Die Röhm-Unternehmensgruppe

Die drei deutschen Standort von Röhm in Sontheim, Dillingen und St. Georgen beschäftigen rund 700 Mitarbeitende und 55 Auszubildende. International ist Röhm als Unternehmensgruppe vertreten. Weitere Standorte finden sich in Mexiko, USA, China und sieben weiteren europäischen Ländern. Zur Gruppe gehören zehn Tochtergesellschaften und 44 Auslandsvertretungen. Weltweit hat Röhm knapp 900 Beschäftigte.