Inklusives Theater

Premiere beim Tink-Theater in Sontheim/Brenz: Nackttanz und Nerche

Das Hotel „Zum goldenen Tor“, wie es am Freitagabend im gleichnamigen Theaterstück des Tink-Theaters in Sontheim/Brenz präsentiert wurde, ist ein Hort köstlichen Vergnügens.

Der asiatische Nackttanz hilft, Chakren zu öffnen. Oh, Pardon, das war jetzt falsch zitiert: Er öffnet Spakren. Ja, so heißt es in dem Stück „Zum goldenen Tor“, das am Freitagabend im evangelischen Gemeindehaus in Sontheim Premiere hatte. Das Publikum – der Saal war vollbesetzt – kam aber gar nicht in die Lage, sich dieses sicherlich sehr hilfreichen Mittels zu bedienen. Die Inszenierung öffnete alles, was offen stets sehr erfreut: Herz, Geist, Heiterkeit und vermutlich auch sämtliche Chakren oder auch Spakren.

Das Tink-Theater aus Bolheim hat aber auch für ein erfrischendes Theatererlebnis gesorgt, mit seiner Version von „Pension Schöller“, von Dorothea Strauß, Heilerzieherin, Theaterpädagogin und Leiterin der inklusiven Theatergruppe, maßgeschneidert für ihr Ensemble. Ein köstliches Sammelsurium an Charakteren, einer schrulliger als der andere, pfiffige Dialoge und eine Fülle von zündenden Ideen riefen immer wieder Szenenapplaus hervor.

Der hüpfende Eisprung

Wie in der Pension Schöller auch, verschwimmen im Stück die Grenzen zwischen Normalität und Verrücktheit, und allein das schon ist urkomisch. Und auch das Ensemble hat sichtlich und spürbar Freude an den Absurditäten, die das Stück zu bieten hat. Der schon erwähnte Nackttanz gehört dazu, der – genauso wie der Graue Star aus Malaysia und der hüpfende Eisprung – zwar nicht praktiziert, aber doch sehr ans Herz gelegt wird von der immer in Schwingung befindlichen Esoterikerin Gieslind und ihrer Zwillingsschwester Giesfried.

Beschwingt ist auch die Hoteldirektorin respektive Heimleiterin, diese allerdings mehr durch Alkohol. Sängerin Carlotta betört mit rassigem Carmen-Tanz und fächerbewehrter Unterstützung des Ensembles, das zudem stets Inspiration für die Schriftstellerin mit Hang zur Tragik liefert. Dazwischen finden sich für Patienten gehaltene Gäste beim Blättern des Hochzeitsalbums oder Durchfeudeln des Zimmers, zwei sehr schräg pflichtbewusste Zimmermädchen, eine Baronin in adeliger Zurückhaltung, die Oberst und Major gänzlich abgeht.

Und wenn auch der Komödienklassiker „Pension Schöller“ hier sehr frei und sehr frisch interpretiert wird, so dürfen doch drei Komponenten nicht fehlen: Die Erbtante mit ihrem Faible für Nervenheilanstalten, der Neffe, der auf ihr Geld scharf ist und natürlich der berühmte Sprachfehler, unter dem der angehende Schauspieler im Stück zu leiden hat. Im Gegensatz zum Publikum, das seine helle Freude hat an Sätzen wie „Es war die Nachtigan und nicht die Nerche“ oder „und bist du nicht winnig, dann brauch ich Gewant“ – er kann halt kein „L“ sprechen.

Für Strauß einen Strauß

Alle Spielerinnen und Spieler, allesamt theaterinteressierte Menschen mit und ohne Behinderung, agieren mit großem Bewusstsein für ihre Rolle und das große Ganze, und das Vergnügen, das sie ganz offensichtlich daran haben, das überträgt sich mühelos aufs Publikum. Es ist aber auch bewundernswert, dass Dorothea Strauß es geschafft hat, alle miteinander auf Augenhöhe zu vereinen, egal, wie groß ihr Part ist und welche Ausprägung dieser hat.

Mit feinem Gespür hat sie genau ausgelotet, was zugemutet und gefordert werden kann, und dabei immer dafür gesorgt, dass Spaß und Freude nicht zu kurz kommen, wie es in der Dankesrede aus dem Ensemble hieß. Für Strauß gab’s einen Strauß, und für alle Mitwirkenden – sowie für das kreative Bühnenbild und die pointierten Kostüme – sehr lange Applaus vom Publikum. Wer also etwas für die Öffnung seiner Chakren oder Spakren tun möchte, dem sei diese Inszenierung ans Herz gelegt. Oder halt Nackttanz.

Noch zwei Aufführungen

Noch zweimal zeigt das Tink-Theater ihre Komödie „Zum goldenen Tor“: Am Freitag, 6. Juni, und am Samstag, 7. Juni, wird die Inszenierung wieder im Evangelischen Gemeindehaus Sontheim gezeigt. Beginn ist um 19.30 Uhr. Der Eintritt ist frei, Spenden sind gern gesehen. Da die Vorstellungen bereits gut gebucht sind, empfiehlt sich die Kartenreservierung unter tink@lebenshilfe-hdh.de oder telefonisch mittwochs von 9 bis 12 Uhr unter 0151.20311376.

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