Ein Dienstagmittag Ende Juli in der Hausgemeinschaft des ASB in Sontheim: Es ist „Italienischer Tag“ in der Tagespflege. An einem Tisch sitzt ein halbes Dutzend Senioren und lässt sich die selbst belegte Pizza schmecken. Außerdem werden Tomatensalat mit Mozzarella, Honigmelone und als Nachtisch Tiramisu serviert. Alles selbst gemacht. Raum und Tisch sind passend geschmückt, aus dem Lautsprecher strömt Italo-Pop.
„So etwas versuchen wir relativ häufig anzubieten“, erläutert Ina Hildebrandt, Leiterin der Einrichtung. Solche und ähnliche Events seien gut dazu geeignet, den Besucherinnen und Besuchern etwas bieten zu können oder „um Erinnerungen aufleben zu lassen“. Manche kommen auch einfach nur, um andere Leute außerhalb der eigenen vier Wände zu sehen. So wie Brigitte Schabel, die sogar jeden Tag kommt, „daheim versackt man sonst so“, sagt die 72-jährige. Für sie ist das Angebot mittlerweile so etwas wie ein zweites Wohnzimmer.
Aktuell ist es so, dass die Tagespflegen grundsätzlich nicht ausgelastet sind.
Ina Hildebrandt, Leiterin ASB-Hausgemeinschaft Sontheim
Das ganze Setting hat nur einen Makel: An dem großen Tisch wäre Platz für viel mehr Seniorinnen und Senioren. „Aktuell ist es so, dass die Tagespflegen grundsätzlich nicht ausgelastet sind“, erläutert Hildebrandt. Bei ihr in der Einrichtung kann sie von Montag bis Freitag zehn Plätze in der Tagespflege anbieten, „und momentan sind wir ungefähr bei einer Auslastung von 55 Prozent“. In der Tagespflege des ASB Giengen liegt die Auslastung bei 70 Prozent.
Eine kurze Umfrage in anderen Einrichtungen des Landkreises bestätigt diese Tatsache. In vielen Tagespflegen ist das Angebot größer als die Nachfrage. Stefanie Holl, Leiterin des Eugen-Loderer- Altenzentrum Heidenheim, bietet zwölf Tagespflegeplätze an, „die Auslastung schwankt je nach Wochentag zwischen neun und zehn Plätzen“.
Corona ein „immenser Einschnitt“
Warum das so ist, kann sich Ina Hildebrandt auch nicht so genau erklären. Aber sie hat eine Vermutung: „Ich glaube, dass Corona ein immenser Einschnitt war. Gerade die Älteren waren viel allein. Und ich glaube, man gewöhnt sich daran. Das ist wirklich gefährlich“. Nun wieder Mut zu fassen und den Schritt nach draußen zu wagen, sei für viele Ältere und ihre Angehörige schwierig. Zudem wüssten wohl zu wenige, dass es so etwas wie Tagespflege überhaupt gibt und was sie von anderen Pflegeformen unterscheide.
Ein Eindruck, den auch Jonas Herkommer, Einrichtungsleiter des DRK-Pflegezentrums Giengen, bestätigt. Wenn er mit Interessenten spreche, stelle er immer wieder fest, dass die sich schwer damit täten, beispielsweise die ambulante Pflege von der Tagespflege, der Kurzzeitpflege oder der Verhinderungspflege zu unterscheiden, „das macht die Sache nicht einfacher“, so Herkommer.
Dabei sei die Hürde für den Besuch der Tagespflege sehr gering. „Man muss sich einfach nur melden. Es gibt immer einen kostenlosen Schnuppertag, an dem man sich alles in Ruhe anschauen und danach entscheiden kann, ob das Ganze etwas für einen ist“, sagt Ina Hildebrandt. Da die Tagespflege durch die Pflegeversicherung unterstützt wird, können Ältere oder Angehörige je nach Pflegegrad finanziell entlastet werden.

Die Besucherinnen und Besucher der Sontheimer Tagespflege stammen entweder aus dem Ort selbst, aus Niederstotzingen und dem bayerischen Bächingen. Gebracht werden sie von ihren Angehörigen oder, wenn das nicht möglich ist, von einem Fahrdienst. Sie können hier einen ganzen Tag verbringen und so beispielsweise pflegende Angehörige entlasten. „Wir frühstücken zusammen, gehen gemeinsam spazieren oder machen Ausflüge. Auch das Gedächtnis wird trainiert oder wir machen eine kleine Gymnastikrunde“, erläutert Hildebrandt.
Das Angebot der Tagespflege bietet den Älteren aber nicht nur Abwechslung im häuslichen Alltag oder gewährt den Angehörigen Entlastung, sondern hat nach Ansicht von Hildebrandt noch einen weiteren Vorteil: Ein irgendwann einmal notwendig werdender stationärer Aufenthalt im Pflegeheim könnte durch die Tagespflege zeitlich hinausgezögert werden.
Trendwende erreicht?
Nach aktuellen Zahlen des Landratsamtes könnte sich bei der Nachfrage gerade so etwas wie eine Trendwende abzeichnen. Denn im Vergleich zum Vorjahr stieg 2024 die Auslastung des Tagespflegeangebotes. 2024 hätten insgesamt 371 Personen an 26.231 Tagen das Angebot der Tagespflege in Anspruch genommen. 2023 lag diese Zahl noch bei 287 Personen an 25.502 Tagen. Momentan gibt es nach Angaben des Landratsamtes 183 Tagespflegeplätze im Landkreis, 2017 waren es noch 140. Um die Tagespflege bekannter zu machen, bietet ein Bündnis aus Pflegeeinrichtungen und dem Landratsamt Heidenheim unter seniorenzeit.org praktische Informationen an.