Mit den Turnern fing alles an: 1935 wurde der Vorgängerverein der heutigen Turn- und Sportgemeinde Nattheim gegründet. Heute ist die TSG mit elf Abteilungen und mehr als 1500 Mitgliedern der größte Verein der Gemeinde. Erst kürzlich feierte die TSG ihr 90-jähriges Bestehen mit einem kleinen Festakt. Ralf Maier blickt als Vorsitzender auf die Anfänge zurück, verrät, welche Ziele der Verein verfolgt – und würdigt Sport und Ehrenamt.
Herr Maier, Sie sind relativ frisch im Amt: Seit 2020 sind Sie Vorsitzender der TSG Nattheim. Dem Verein gehören Sie aber natürlich schon viel länger an. Seit Kindertagen sind Sie ihm verbunden – aktiv und im Ehrenamt. Dieses Jahr wird die TSG 90 Jahre alt. Was macht den Verein aus?
Ralf Maier: Erstmal die Vielfalt natürlich. Wir sind ein Elf-Sparten-Verein und sind in sportlicher Hinsicht für alles offen. Damit sind wir interessant für Familien. Wir sind aber auch ein sehr traditioneller Verein. Das hat man jetzt bei unserer 90-Jahr-Feier gesehen: Wir hatten zwei Ehrungen für 75 Jahre Mitgliedschaft vorzunehmen. Und das zeigt schon, wie sehr und auch wie lange die Menschen mit unserem Verein verbunden sind.
Zu solchen Anlässen lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. Die TSG wurde 1935 ursprünglich als Turnverein gegründet. Damals startete der Verein mit gebrauchtem Turnpferd und Barren in den Trainingsbetrieb. 1940 mussten die Vereinsaktivitäten kriegsbedingt eingestellt werden, 1945 zerstörten Bomben der Amerikaner das Vereinsheim. Erzählen Sie uns von früher.
Man muss sagen, dass es eigentlich mehrere Anläufe gab, bis die TSG letztlich geboren war. Bereits 1905 versuchten die Kampfsportler, einen Verein zu gründen. Kurz darauf versuchten es die Turner. Erst 1935 sollte es dann wirklich klappen. Das kann man durchaus in einen geschichtlichen Kontext einordnen. Denn die Nazis hatten die bereits existierenden Nattheimer Vereine „RSV“ und den „Christlichen Verein junger Männer“ 1933 verboten. Das könnte letztlich die Initialzündung zur Gründung eines neuen Vereins gewesen sein. Am 28.10.1935 wurde schließlich im „Adler“ die TSG geboren. Unsere Geschichte ist eng mit der Geschichte des RSV Nattheim verbunden, auch gab es beim Start viele Verbindungen zum heutigen HSB.
Wie hat sich der Verein dann entwickelt?
Gestartet wurde mit Turnen, Fußball und Schießsport. In den 60er und 70er Jahren hat sich der Verein unheimlich entwickelt, die unterschiedlichen Abteilungen schossen wie Pilze aus dem Boden und die Mitgliederzahlen stiegen in die Höhe. Es gab Zeiten, da hatten wir mehr als 1800 Mitglieder. Die Fluktuation und die vielfältigen Angebote hinterlassen auch bei uns Spuren. Wir stehen mit unseren rund 1500 Mitgliedern aber wirklich gut da.
Damit ist fast jeder dritte Nattheimer Mitglied in der TSG.
Ja, umgerechnet ist das so. Aber wir haben natürlich auch Mitglieder von außerhalb – da zieht zum Beispiel Schwimmen, Turnen oder Fußball Menschen an. So haben wir auch Mitglieder vom Härtsfeld, aus Schnaitheim oder Heidenheim zum Beispiel.
Mit Turnen war die TSG gestartet, Tennis, Ski, Schwimmen: Die Liste der Angebote ist lang. Erst 2023 kam eine eigene Darts-Abteilung hinzu, andere Sportarten wurden eingestampft: Fehlt noch was?
Wir arbeiten an einigen Dingen. Zum Beispiel könnten wir uns vorstellen, mehr im Kurssport tätig zu werden, um hier auch nochmal mehr Menschen anzusprechen. Das wäre vielleicht etwas, das im Zuge der Halde-Sanierung realisiert werden könnte. Zumindest ist das ein Ziel. Ob es funktioniert, weiß ich natürlich nicht. Ich persönlich finde aber auch, dass wir noch mehr Angebote für Mädchen schaffen könnten – mit Tanzsport beispielsweise. Und was mir ein Anliegen ist: Angebote für die älteren Menschen. Da möchten und müssen wir auch der gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung tragen. Und andersrum wollen wir künftig auch die ganz Kleinen von 0 bis 2 Jahren einbeziehen und Angebote entwickeln.
Ein Verein ist ein Ort der Begegnung und des Miteinanders. Das soll und darf nicht verloren gehen.
Ralf Maier, zur Bedeutung von Vereinskultur
Ich sehe: Die TSG will attraktiv bleiben. Wie wichtig ist das für einen Ort wie Nattheim?
Ohne Verein und ohne das Ehrenamt, damit meine ich Menschen vom Trainer bis zum Kuchenbäcker, wäre ein Ort wie Nattheim verarmt – in sportlicher und menschlicher Hinsicht. Allein, wenn man an Kinder und Jugendliche denkt: Wo sollen sie sonst die Kameradschaft und die Werte lernen, die außerhalb von Elternhaus und Schule in einem Sportverein vermittelt werden? Zudem: Ein Verein kann Heimat sein – das hat insbesondere für neue Mitbürger eine große Bedeutung. Und wenn man an die unterschiedlichen Generationen denkt, ist ein Verein ein Ort der Begegnung und des Miteinanders. Das soll und darf nicht verloren gehen.
Tut der Verein genug, um neue Mitglieder zu gewinnen?
Nach Corona hatten wir in den jeweiligen Abteilungen lange Zeit Wartelisten. Die haben wir nun größtenteils abgearbeitet. Die vielen Ehrenamtlichen sind wahnsinnig engagiert. Ehrlich gesagt, müssen wir nicht viel tun. Wir haben regen Zulauf. Unser Ziel ist aber sehr wohl, dass wir weiter wachsen. Deshalb wollen wir auch unsere Angebote erweitern und der Altersstruktur gerecht werden. Die Funktionärsgewinnung in den Abteilungen klappt gut, im Hauptverein wäre ich froh um Unterstützung. Zwei Vorstandsposten sind aktuell unbesetzt.
In all den Jahren gab es für die TSG auch sportliche Höhepunkte. Die Ringer gelten als Aushängeschild, mit Tim Skarke gibt es einen Bundesliga-Fußballer, der einst in Nattheim startete. Das macht stolz, oder?
Natürlich ist das sehr schön. Unsere Ringer waren bereits in der 2. Bundesliga. Das waren allein mit den Aufstiegskämpfen Emotionen pur. Und neben Tim Skarke gibt es auch noch Laurin Ulrich, der heute hochklassig Fußball spielt. Für mich ist das aus sportlicher Sicht immer toll. Was kann einem Verein Besseres passieren, als dass ein Sportler bei uns startet und dann tolle Erfolge erzielt?
Was ist Sport für Sie persönlich?
Bewegung. Ausdauer, Fitness, Gesundheit und natürlich ganz viel Kameradschaft.
Die vereinseigenen Sportanlagen befinden sich auf der „Halde“ und umfassen einen Skihang, Tennisplätze, Schießanlagen, Kegelanlagen sowie zwei Sportplätze. Seit Jahren wird über eine Sanierung der Halde gesprochen: Wann wird es konkret?
Wir wollen die Halde zum Herzstück weiterentwickeln. Sanierungspläne stehen im Raum und sollen Ende November von den Mitgliedern beschlossen werden. Man muss wissen: Die Halde, so wie man sie heute sieht, wurde großteils von Ehrenamtlichen erschaffen. Damals wurden mehr als 15.000 ehrenamtliche Stunden geleistet. Das ist heute nicht mehr denkbar. Deshalb ist eine Sanierung ein ordentlicher Kraftakt.
Zwar kein Sport, aber ehrenamtliches Engagement: Sprechen wir noch über das Zeltlager der TSG. Es ist ein wichtiges Aushängeschild und Inbegriff von Jugendarbeit und gesellschaftlichem Engagement.
Unser Zeltlager ist in seiner Form und mit seinem Angebot im Umkreis einzigartig. Und darauf bin ich sehr stolz. Seit 1973 bieten Ehrenamtliche ein super Ferienprogramm. Ich glaube, es gibt keinen besseren Ferienstart für Kinder als das Zeltlager.
In zehn Jahren wird dann der 100. Geburtstag gefeiert: Gibt es bereits Pläne?
Im Augenblick haben wir so weit im Voraus noch nichts geplant. Für mich wären sportlich Jubiläumsturniere oder zum Beispiel ein Gaukinderturnfest etwas Herausforderndes. Unsere Heimat „Halde“ haben wir bis dahin hoffentlich so weit ertüchtigt, dass dies gut funktionieren würde. Als wertebasierter Vorstand fände ich einen Festumzug toll und natürlich ein ansprechendes Festwochenende. Schauen wir mal, was das Ehrenamt bis dahin macht.
Ehrungen für verdiente TSG-Mitglieder
Anlässlich ihres 90-jährigen Bestehens hielt die TSG Nattheim jetzt eine Feierstunde ab, wobei auch verdiente Mitglieder geehrt wurden.

So wurde Hans Eberhardt für 75 Jahre Mitgliedschaft gewürdigt. Er war mehr als ein Vierteljahrhundert ehrenamtlicher Vereinskassierer, sein Zuhause fungierte quasi als Geschäftsstelle. Eberhardt war nach seiner Zeit als Kassierer lange die „gute Seele“ der Halde. Bis heute ist er im Verein engagiert und Ratgeber in vielen Bereichen.
Weiter wurde (in Abwesenheit) Karl Mailänder, Sohn des einstigen Besitzers des Gasthauses Adler, für 75 Jahre Mitgliedschaft geehrt. Die Familie Mailänder ist eng verbunden mit der TSG-Geschichte, war der „Adler“ doch viele Jahre lang Trainings- und Begegnungsort für die TSGler.
Auch Renate Majer wurde ausgezeichnet. Sie gab bereits als Elfjährige Turnstunden für jüngere Mädchen, war zwei Jahrzehnte Kinderturnwartin, weiter Trainerin und Kampfrichterin, seit 2015 leitet sie die „Fit und Gesund“-Stunde. Für ihren Einsatz erhielt sie die WSJ-Ehrennadel in Gold.
Karl-Heinz Mailänder wurde als Gründer der Taekwondo-Abteilung gewürdigt. Mailänder ist mit seiner 30-jährigen Amtszeit der dienstälteste Abteilungsleiter der TSG und war viele Jahre selbst sehr erfolgreich sportlich im Einsatz.
Thomas Maier erhielt für nahezu 18 Jahre Finanzengagement im Verein die WLSB-Ehrennadel in Silber. Er ist Zahlenkönig, Controller, Mitentwickler der TSG-Finanzordnung und Leiter des Finanzausschusses.
Hans-Dieter Mayer erhielt für seinen Einsatz bei der Kegelabteilung die WLSB-Ehrennadel in Silber.
Frank Wiedenmann, mehr als 35 Jahren als Fußball-Jugendtrainer und seit 2022 als Fußball-Jugendleiter im Einsatz, erhielt für seinen Einsatz die Goldene Ehrennadel des Württembergischen Fußballverbandes und damit die höchste Auszeichnung des WFV.