Seine Lieder tragen Titel wie „Goldregenpfeifer“, „Zweibrütiger Scheckenfalter“ oder auch „Kleines Mausohr“: Dass Dominik Eulberg ebenso DJ wie studierter Ökologe und leidenschaftlicher Naturschützer ist, lässt sich spätestens an den Tracklists seiner Alben ablesen. Am Samstag legt Eulberg beim 2Takt-Festival bei Fleinheim auf – und nimmt sein Publikum direkt im Anschluss mit auf eine Fledermaus-Exkursion. Im Interview erklärt er, warum sich Natur durch sein gesamtes musikalisches Schaffen zieht und warum er Festivals wie das 2Takt als essenziell für die Zukunft der Menschheit erachtet.
Sie sind dafür bekannt, die Klänge der Natur in Ihre Musik einfließen zu lassen. Früher haben Sie sogar Tierstimmen und Beats kombiniert. Welches Tier ist der beste Sänger?
Das sind natürlich die Singvögel. Die gibt es seit 33 Millionen Jahren und mit ihrem Stimmkopf, auch Syrinx genannt, machen sie wirklich komplexe Musik. Der Syrinx oszilliert bis zu 200 Mal pro Sekunde. Das ist die schnellste Bewegung, die man bei Wirbeltieren messen kann. Wenn ich mit dem Auge blinzle, dauert das 150 Millisekunden. In der Zeit hat ein Vogel eventuell schon 30 Mal Piep gemacht. Erst wenn man Vogelstimmen in Noten transkribiert, werden wir uns gewahr, wie virtuos die eigentlich sind. Das, was wir als eine gute, gefällige, angenehme Melodie empfinden, ist im Endeffekt die Melodie der Natur.
Finden Kunst und Wissenschaftskommunikation für Sie stets parallel statt?
Ich betrachte das alles als eines. Früher waren alle großen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch Künstlerinnen und Künstler. Das ist untrennbar gewesen, denn jeder Hypothese muss ein kreativer Akt vorhergehen. Sobald wir staunen, fangen wir an, zu begreifen. Das ist der emotionale Beginn einer jeden Erkenntnis. Heutzutage ist Wissenschaft oft zu nüchtern und rational – was jedoch auch wichtig ist als gemeinsamer Nenner. Aber wir müssen das Staunen über das Wunder des Lebens wieder zurückbringen. Wir schützen nur das, was wir schätzen. Kunst und Kultur können lustvolle Vektoren der Umweltbildung sein. Momentan laufen wir als Menschheit jedoch weiter sehenden Auges auf den Abgrund zu.
Mir ist wichtig, nicht zu dystopisch oder zu alarmistisch zu sein, sonst macht sich so ein lähmender Defätismus breit.
Dominik Eulberg, über Wissenschaftskommunikation
Apropos Abgrund: Gehen Sie eher optimistisch oder pessimistisch an diese Mission heran?
Mir ist wichtig, nicht zu dystopisch oder zu alarmistisch zu sein, sonst macht sich so ein lähmender Defätismus breit. Natürlich sind wissenschaftliche Fakten meine Basis. Aber ich will Mut schaffen, Zuversicht schenken und Wege aufzeigen, wie man etwas verändern kann. Das mache ich auf unterschiedliche Art und Weise. Ich schreibe zum Beispiel Bücher und veranstalte transdisziplinäre Biodiversitätsshows, an Universitäten, aber auch Festspielhäusern und Theatern. „Zum Optimismus gibt es keine sinnvolle Handlungsalternative“, wie der Philosoph Karl Popper schon so treffend sagte.
Mit Ihrem Schaffen hat man Sie vor allem zu Beginn Ihrer Karriere oftmals despektierlich als Öko-DJ aus dem Westerwald abgewunken. Heute ist Ihr Ruf ein anderer. Was hat sich geändert?
Alles, was anders ist, wird ja zunächst mal kritisch beäugt. Dabei ist Kunst und Kultur mit Wissenschaftskommunikation zu vermischen, nichts Neues. Trotzdem war ich für viele Menschen anfangs der komische Sound-Kauz. Doch das war mir egal, für mich waren eher diese Leute die Spinner. Die Biodiversitätskrise haben viele einfach nicht auf dem Schirm. Dabei ist Naturschutz nichts anderes als Menschenschutz und Nachkommenschutz. Dass meine Arbeit inzwischen mehr Akzeptanz erfährt, hat auch etwas mit Auszeichnungen und Gütesiegeln zu tun. Früher war ich halt dieser Techno-DJ mit den Vogelstimmen. Wenn dann aber gewisse Reputationen dazukommen, wenn man das Wissenschaftsbuch des Jahres schreibt, oder einen Spiegel-Bestseller, wenn neuentdeckte Tierarten nach mir benannt werden, dann geht der Rest für die Leute auf einmal in Ordnung.

Hüpfen wir vom Schreibtisch zum Mischpult. Ein Leben als DJ spielt sich primär nachts ab. Wie sehen Ihre Tage aus?
Ich bin seit jeher nachtaktiv und gehe nie vor 5 Uhr morgens ins Bett. Nachts wach zu sein, entspricht also meinem Naturell. Tagsüber unternehme ich ganz unterschiedliche Dinge. Ich nehme Podcasts auf, entwickle Spiele, schreibe für Zeitungen, mache Musik. Langweilig wird mir nie. Die Abwechslung und die Sinnhaftigkeit dieser Tätigkeiten sind es, was mich glücklich macht.
Ein Festival wie das 2Takt scheint fast wie für Sie gemacht zu sein: klein, naturnah, nachhaltig.
Festivals sind generell wunderbare Orte der Utopie. Die Menschen gehen dorthin, um in Resonanz mit sich selbst und ihren Mitmenschen zu treten. Dann sind die Kanäle offen und die Bereitschaft ist da, sich auf etwas Neues einzulassen. Festivals mit naturnahem Bezug wie das 2Takt sind enorm wichtig für die Zukunft der Menschheit.
Weshalb?
Viele Menschen sind in ihrer Bubble eingeschlossen, der Austausch fehlt. Musik ist der soziale Klebstoff unserer Gesellschaft. Dadurch kann wieder ein Gefühl für das Kollektiv entstehen. Glücks- und Bindungshormone werden ausgeschüttet, das ist essenziell für unsere Zukunft. Denn all die Bedrohungen der Zukunft der Menschheit, wie Biodiversitäts- oder Klimakrise, können wir nur im Kollektiv lösen.
Festivals mit naturnahem Bezug wie das 2Takt sind enorm wichtig für die Zukunft der Menschheit.
Dominik Eulberg, über Orte der Utopie
Auf dem 2Takt-Festival bieten Sie eine Fledermaus-Exkursion an. Wie bereitet man sich darauf vor?
Eigentlich muss man das gar nicht. Fledermäuse sind weit verbreitet und es gibt in Deutschland nur 25 Arten. Um interessanten Arten zu begegnen, muss man nicht in den Regenwald fahren, man findet sie vor der eigenen Haustür, wenn man genau hinschaut und -hört. Aus diesem Grund bringe ich Fledermausdetektoren mit, die den Echoortungsruf im Ultraschall hörbar machen. Außerdem bringe ich Wärmebildkameras und Taschenlampen mit und spreche über die Biologie und die Evolution der Fledermäuse. Natürlich gehen wir auch auf alles ein, was uns sonst noch begegnet. Viele Arthropoden fluoreszieren zum Beispiel, wenn man sie mit kurzwelligem Licht anstrahlt. Deswegen bringe ich UV-Taschenlampen mit und ab geht es in ein „Paralleluniversum“.
Ein Techno-Festival wie das 2Takt erzeugt naturgemäß ein gewisses Maß an Dezibel. Werden Fledermäuse und Co. dadurch nicht aufgescheucht?
Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Generell ist es aber so, dass Fledermäuse auf Licht sensibler reagieren als auf Lärm. Ich war schon auf Festivals, auf denen es Wochenstuben oder Sommerquartiere für die Tiere mitten auf dem Gelände gab. Die Musik hat sie dabei nicht großartig beeinträchtigt. Es wäre ja schrecklich, wenn die Fledermäuse dadurch vertrieben werden würden. Viele Vogelarten sind ebenfalls resilienter als man meint. Als ich beim Fusion-Festival aufgelegt habe, haben unterhalb des Treppenaufgangs bei der Turmbühne Schwalben gebrütet. Die Jungen waren wohlauf und haben sich an den 80.000 Raverinnen und Ravern um sie herum nicht gestört.
Prämierter Musiker und Autor
Dominik Eulberg wurde 1978 im Westerwald geboren, seit mehr als 30 Jahren ist er weltweit musikalisch unterwegs. Für sein musikalisches Schaffen erhielt er zahlreiche Auszeichnungen wie den Preis der Deutschen Schallplattenkritik, den amerikanischen ASCAP-Award für Komponisten, wurde von Fachmagazinen zum Musikproduzenten des Jahres gewählt und belegt regelmäßig Spitzenplatzierungen in der Kategorie DJ.
Abseits der Musik setzt sich Eulberg unter anderem als Autor für den Schutz der Natur ein. Sein Naturbuch „Mikroorgasmen Überall“ im Eichborn Verlag gewann den Literaturpreis „Wissensbuch des Jahres“, „Von Angesicht zu Angesicht – Auf Augenhöhe mit heimischen Insekten“, erschienen im Kosmos-Verlag, wurde ein Spiegel-Bestseller.
Die Wespenart Ceraphron eulbergi erhielt ihm zu Ehren ihren Namen.
Beim 2Takt-Festival tritt Eulberg am Samstag von 22 bis 0 Uhr auf der „Whild Stage“ auf. Sämtliche Plätze für seine Fledermaus-Exkursion sind bereits vergeben.