Ein König zu Gast im kleinen Nattheim? Ein Kaiser gar? Kann ja nicht sein. Oder etwa doch? Tatsächlich belegt ein Dokument den Besuch Heinrichs III. in der Härtsfeldgemeinde. Die Urkunde datiert vom 12. Juli 1050. Damals unterzeichnete der Kaiser in einer Taverne zu „Natta“ die Schenkung eines Waldstückes an den Bischof von Chur. Heute, 975 Jahre später, gilt nicht nur der Besuch des hohen Würdenträgers als etwas Besonderes, sondern auch das historische Dokument an sich. Denn: Es handelt sich dabei um die erste urkundliche Nennung Nattheims.
Das soll gefeiert werden. Am Sonntag, 7. Dezember, laden der Museumsverein Geschichtswerkstatt und die Gemeinde Nattheim zur 975-Jahr-Feier in die Martinskirche ein. „Nattheim gibt es natürlich schon viel länger“, weiß Vereinsvorsitzender Günther Paschaweh und verweist etwa auf die noch heute sichtbare Keltenschanze. „Aufgabe unseres Vereins ist es aber, sich um das historische Erbe Nattheims zu kümmern. Also wollen wir die Zahl, die 975 Jahre, entsprechend würdigen.“
1000 Jahre Nattheim im Zeitraffer
Als Festredner konnte der Museumsverein den Nattheimer Heimatforscher Hans-Rainer Schmid gewinnen. „Mich kannst du fast nicht bremsen“, sagt der 85-jährige Schmid und lacht. Seine 50 Bände umfassende Buchreihe „Was isch'n früer gwea“ bestätigt das. Seit mehreren Jahrzehnten wühlt sich der frühere Voith-Techniker durch Archive, um nachkommenden Generationen Einblicke in Nattheims Geschichte zu ermöglichen.
Für den 975-Jahr-Vortrag hat sich Schmid viel vorgenommen. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, dem Schnaitheimer Karl Müller, der vor 25 Jahren anlässlich der 950. Jahrestags der ersten urkundlichen Nennung vor Festpublikum gesprochen hat, will sich Schmid in seiner Rede nicht auf das Jahr des kaiserlichen Besuchs beschränken. Im Fokus stehen soll der gesamte Zeitraum von 1050 bis heute – fast 1000 Jahre also. „In all der Zeit ist viel Wichtiges gelaufen“, sagt Schmid. Und mit einem Schmunzeln: „Ich hoffe, dass ich das im Zeitraffer schaffe.“
Diese Themen stellt Hans-Rainer Schmid in den Mittelpunkt
Genauer beleuchten will der Heimatforscher die Themen Wasser, Landwirtschaft und Bildung. Alles ausschlaggebend für die Gründung und den Fortbestand einer Siedlung. „Auch das Treffen des Kaisers in Nattheim hat Wasser und Brot vorausgesetzt“, fasst Schmid zusammen. „Sie hätten ihm ja sonst nichts anbieten können.“ Es geht also vom Schachtbrunnen bis zur Landeswasserversorgung, vom Hakenpflug bis zur Drei-Felder-Wirtschaft, von der Schlacht von Nördlingen bis zur Entstehung diverser Schul- und Pfarrhäuser. Auch anhand von Bildern und Fotografien will Schmid den Besuchern der Jubiläumsfeier ein möglichst allumfassendes Bild bieten. Ein großes Ganzes, zusammengesetzt aus vielen kleinen Mosaiksteinen.
Eingeladen zur 975-Jahr-Feier, Beginn 15 Uhr, sind alle Interessierten. Sie erwartet neben Hans-Rainer Schmids Festvortrag auch eine Begrüßung durch Bürgermeister Norbert Bereska, eine Einführung ins Festprogramm durch Günther Paschaweh, Lustiges von „Den Zwoi vom Breamagärtle“ (Brigitte Bayer und Ingrid Ochs) sowie zeitgenössische Musik von Organistin Hannelore Hafner. Beim anschließenden Stehempfang besteht außerdem Gelegenheit, sich über das Gehörte auszutauschen und eine kleine Stärkung zu sich zu nehmen.
Nattheim als Königsgut
Zum Zeitpunkt des Besuchs Heinrichs III. war Nattheim, bis 1650 „Natta“ genannt, im Besitz der Salier. Dabei handelt es sich um ein fränkisches Herzogshaus, dem der Kaiser entstammte. Nattheim war also, wie Historiker herausgefunden haben, zum damaligen Zeitpunkt und auch schon zur Zeit Karls des Großen Königsgut.
Wie genau es vor 975 Jahren in Nattheim ausgesehen hat, weiß heute freilich niemand. Die Umstände müssen aber zumindest so gewesen sein, dass der kaiserliche Hof samt Begleitung und Tross versorgt werden konnte. Platz für eine Schreibstube zur Anfertigung der Schenkungsurkunde muss ebenfalls vorhanden gewesen sein. Verortet werden kann die Taverne, in der Heinrich III. die Unterschrift geleistet hat, übrigens dort, wo heute der „Ochsen“ zu finden ist.
Ebenfalls kaiserlichen Besuch hatten im Jahr 1002 Sontheim (Heinrich II.) und Herbrechtingen im Jahr 1046 (Heinrich III.).