Die Auseinandersetzungen zwischen Jo Eller, dem einstigen Vorsitzenden des Vereins „Kinder von der Straße“ und später engagiert im Sozialverein „Aktion Fußballtag“, und der Stadt Oberkochen reichen Jahre zurück. Im Sommer 2020 spitzte sich der Konflikt zu und landete schließlich vor Gericht.
Der Verein „Aktion Fußballtag“ schaltete im Amtsblatt „Bürger und Gemeinde“ eine Anzeige mit einem Foto, das Jo Eller mit Angela Merkel zeigte und in der die „Aktion Fußballtag“ der Kanzlerin sowie Spendern und Sponsoren dankte. Eine Woche später veröffentlichte Bürgermeister Peter Traub gemeinsam mit dem SPD-Ortsvereinsvorsitzenden Richard Burger als Reaktion eine ganzseitige Erklärung. Darin kritisierten sie die Nutzung des Merkel-Fotos, verwiesen auf angeblich beleidigende Mails Ellers und darauf, dass er 2017 in einem Verfahren wegen Untreue zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war. Sie gingen noch einen Schritt weiter und erklärten, dass sich sowohl die Stadt Oberkochen, der SPD-Ortsverein, als auch Traub und Burger persönlich von Jo Eller und dem Verein „Aktion Fußballtag“ distanzieren.
Bewertung des VGH-Urteils
Doch damit – so entschied kürzlich der Verwaltungsgerichtshof (VGH) – hatte Traub seine Befugnisse als Bürgermeister deutlich überschritten. „Im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim stand nicht die Frage im Raum, ob Bürgermeister Peter Traub sich strafbar gemacht hat. Die zentrale Frage war vielmehr, ob die von ihm gemeinsam mit dem SPD-Ortsvereinsvorsitzenden Richard Burger veröffentlichte ganzseitige Erklärung im örtlichen Amtsblatt rechtmäßig war“, sagt Jo Ellers Rechtsanwältin Verena Haisch von der Hamburger Kanzlei Cronemeyer Haisch.
Zum einen habe der VGH festgestellt, dass dem Bürgermeister eine Inanspruchnahme seiner Amtsstellung und die ihm hieraus erwachsenen Befugnisse und Mittel verwehrt gewesen seien, auch weil der Bürgermeister hier eben nur seine privaten Interessen verfolgt habe. Zum anderen habe er mit diesen Äußerungen einem einzelnen Bürger gegenüber gegen das Gebot der Sachlichkeit und der Verhältnismäßigkeit verstoßen. „Der Bürgermeister ist hier deutlich übers Ziel hinausgeschossen. Er hat nicht nur seine Kompetenzen überschritten, sondern Jo Eller schwer in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt“, betont Verena Haisch.
Amtsmissbrauch durch Traub?
Im Namen ihres Mandanten hatte Haisch die Rechtmäßigkeit zunächst vom Verwaltungsgericht in Stuttgart prüfen lassen, das Ellers Klage abgewiesen hatte. In zweiter Instanz vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim aber gab jetzt der 1. Senat unter dem Vorsitz des Präsidenten des VGH Jo Eller recht. „So kann ein Bürgermeister als Amtsträger nicht mit Bürgern umgehen“, sagt Haisch und verweist dabei auf das Urteil. Darin werde ausdrücklich festgehalten, dass es Bürgermeister Traub freigestanden hätte, sich als Privatperson in Form einer – dann selbstfinanzierten – Erklärung im privaten Anzeigenteil des Amtsblatts öffentlich von einem Einwohner der Gemeinde zu distanzieren.
„Eine Inanspruchnahme seiner Amtsstellung und der ihm hieraus erwachsenen Befugnisse und Mittel ist ihm zu diesem Zweck jedoch verwehrt“, so das Urteil des Verfahrens, das unter Vorsitz von VGH-Präsident Prof. Dr. Malte Graßhof ergangen ist. Zudem stellte der VGH fest, dass es für Traub keinen Anlass gegeben habe, sich von einer Zusammenarbeit mit dem Verein und Jo Eller zu distanzieren: In der Anzeige von Aktion Fußballtag sei eine Zusammenarbeit mit der Stadt an keiner Stelle behauptet worden.
Ob die Nutzung des Fotos von Merkel zulässig war, lässt der Senat dabei offen. Für Haisch hingegen steht fest: „An der Anzeige des Vereins „Aktion Fußballtag“ war nichts auszusetzen. Die Erklärung des Bürgermeisters hingegen war rechtswidrig.“
Bedeutung des Urteils
Insgesamt misst die Juristin dem Urteil des VGH besondere Bedeutung bei: Es gehe um staatliches Handeln – konkret um das Verhalten eines Bürgermeisters. Als Privatperson dürfe man sich in Auseinandersetzungen gelegentlich zugespitzt äußern. Allerdings werde von einem Bürgermeister Sachlichkeit und Verhältnismäßigkeit gefordert. Der Bürgermeister habe nach Auffassung des VGH diese Maßstäbe nicht eingehalten. Der Verwaltungschef habe sich in seiner Funktion als Oberhaupt der Stadt Oberkochen gegen einen einzelnen Bürger positioniert und ihn in ungewöhnlich scharfer Weise herabgesetzt.
Reaktion der Stadt Oberkochen
Die Stadtverwaltung wie auch Bürgermeister Peter Traub werden das Urteil nicht kommentieren, sagt Jürgen Rühle als interner Stellvertreter des Bürgermeisters. „Vielmehr ist mit dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs die Angelegenheit für die Stadt Oberkochen erledigt“, betont Rühle. Den Streitwert hat der VGH übrigens auf 5000 Euro festgelegt. Die Kosten des Verfahrens – wie auch Jo Ellers Anwaltskosten – muss die Stadt Oberkochen übernehmen.
Die Vorgeschichte
Der Konflikt zwischen dem Oberkochener Stadtoberhaupt und dem damaligen Vorsitzenden des Vereins Kinder von der Straße schwelt seit vielen Jahren. Gegründet hat den Fußballsozialverein Jo Eller. Mit zahlreichen Aktionen hat der Oberkochener jungen, sozial benachteiligten Menschen eine „Plattform“ gegeben, ihre Freizeit sinnvoll zu verbringen und Fußball zu spielen – anfangs in der Region, bald deutschlandweit. Doch es kam zu Differenzen mit Folgen. Innerhalb des Vereins und darüber hinaus. Laut Gerichtsurteil hat Jo Eller als Vorsitzender von „Kinder von der Straße“, in 22 Fällen Geld des Vereins veruntreut. Das war im Oktober 2017. Das Amtsgericht Aalen verurteilte den ehemaligen Vorsitzenden dafür zu zehn Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung, die auf drei Jahre ausgesetzt wurden. Im Jahr 2020 eskalierte dann die Situation zwischen Jo Eller und Bürgermeister Traub.