Mit Qualzucht-Merkmalen

Wohl ausgesetzt: Mutterkatze mit Babys in Bolheim gefunden

Sechs Katzen, darunter fünf Kitten, wurden mutmaßlich in Bolheim ausgesetzt und von der Katzen- und Tierhilfe Heidenheim aufgenommen. Ein Kätzchen hat Merkmale der Schottischen Faltohrkatze. Die Rasse gilt als Qualzucht und die Vermehrung der Tiere ist in Deutschland verboten.

Stella Witteschnik hat schon unzählige herrenlose Katzen zur Pflege aufgenommen. Dieser Fall war aber selbst für sie etwas ungewöhnlich: Eine Mamakatze mit vier etwa acht Wochen alten Kitten sowie einem weiteren Kätzchen aus einem Wurf im Herbst wurden im Mai bei Bolheim in Richtung Ugenhof gefunden. Die Tiere fielen über Tage mehreren Passanten auf. Eine Frau fasste sich ein Herz, sammelte sie ein und übergab sie der Katzen- und Tierhilfe Heidenheim. „Sie ließen sich problemlos anfassen und in die Box sperren“, sagt Stella Witteschnik. „Das sind keine typischen Streunerkatzen. Sie kennen den Menschen, sind zahm und wissen, wie es ist, drinnen zu leben. Katzen, die das nicht kennen, gehen in einem Raum erst mal die Wände hoch oder springen gegen Fenster.“

Nun sind die Kätzchen sehr unterschiedlich. Eines ist schwarz, eines rot. So weit, so normal. Ungewöhnlich und auffallend für die Tierschützer ist aber, dass eines der Kitten starke Merkmale einer Britisch Kurzhaar zeigt. „Das ist eine Edelrasse, reinrassige Kitten werden für viel Geld verkauft“, erklärt Witteschnik. Und damit nicht genug. Ein weiteres Kätzchen zeigt Merkmale einer Scottish-Fold-Katze, eine Rasse, die als Qualzucht gilt und deren Nachzucht und Vermehrung in Deutschland verboten ist. Witteschnik glaubt an eine vorsätzliche Vermehrung. „Sowas passiert nicht zufällig.“

Qualzucht-Merkmale bei einer in Bolheim gefundenen Katze

Warum ist die Vermehrung einer Scottish Fold, auf Deutsch Schottische Faltohrkatze, verboten? Grund ist, dass die gefalteten Ohren, ein Merkmal der Rasse, durch einen Gendefekt verursacht werden, der zu schweren Knochen- und Knorpelschäden, Gelenkveränderungen und chronischen Schmerzen führt. „Die Knorpel im Ohr fehlen und deshalb hat sie kleine und nach vorne gefalteten Ohren“, erklärt Witteschnik weiter. „Das finden manche süß, aber wer Katzen kennt, weiß, wie wichtig die Beweglichkeit ihrer Ohren ist. Andere Knorpel an den Gelenken bilden sich bei der Rasse zurück und die Katze läuft dann Knochen auf Knochen. Das ist extrem schmerzhaft, die Tiere brauchen Schmerzmittel und müssen mit fünf oder sechs Jahren dann meist eingeschläfert werden.“

Das Landratsamt ergänzt: Während die Haltung solcher Tiere straffrei möglich ist, ist die Zucht verboten. Die Tiere müssen unfruchtbar gemacht werden, damit sich zum Beispiel Freigängerkatzen nicht mit anderen Katzen kreuzen und die Qualzucht-Merkmale vererben. Wer sich nicht daran hält, kann mit einem Bußgeld belegt werden, bei fortgesetzten Verstößen kann es in einem Tierhalteverbot münden. Das Aussetzen von Tieren stellt nach dem Tierschutzgesetz ebenfalls eine Ordnungswidrigkeit dar, die bei Ermittlung des Tierhalters mit einem Bußgeld geahndet wird.

Kitten aus einem Wurf von verschiedenen Katern

Aber kann es wirklich sein, dass die erwachsene Katze die Mutter so vieler unterschiedlicher Kätzchen ist? „Ja, wir gehen davon aus“, sagt Witteschnik. Bei Katzen sei es durchaus möglich, dass Kitten aus einem Wurf von verschiedenen Katern stammen, weil sie während der Rolligkeit mehrfach gedeckt werden können.

„Dass so süße Kitten, teils mit Rassemerkmalen, ausgesetzt werden, ist eigentlich unverständlich“, sagt Witteschnik. „Aber die Leute ziehen um, dürfen in der neuen Wohnung keine Katzen halten oder es war ihnen zu viel Arbeit. Und dann bringt man sie irgendwo hin.“ Auf die Frage, warum man die Tiere aussetzt und damit ihrem eigenen und sehr ungewissen Schicksal überlässt und sie nicht stattdessen einfach ins Tierheim bringt, hat Witteschnik eine simple wie traurige Antwort: „Das Tierheim verlangt eine Abgabegebühr, das wollen sich die Leute sparen.“ Dabei gebe es heutzutage so viele andere Möglichkeiten, eine Katze oder mehrere zu vermitteln. Auch das Heidenheimer Tierheim bietet etwa kostenlos Vermittlungshilfe an. „Es ist mit nichts zu entschuldigen, ein Tier auszusetzen", so Witteschnik. "Aber es gibt einfach keine Grausamkeit, die der Mensch nicht vollbringt.“

Die sechs mutmaßlich ausgesetzten Katzen haben dank des Vereins Katzen- und Tierhilfe Heidenheim jedenfalls bereits ein neues Zuhause gefunden. Zwei der Tiere werden noch in der kommenden Woche aus der Pflegestelle ausziehen. Dort warten allerdings noch weitere vier ausgewachsene Katzen und elf Kitten auf den oder die richtigen Menschen.

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