Fußball-Graffiti

Wie ein Schweinestall an der A7 zwischen die Fronten von Heidenheimer und Ulmer Ultras geriet

Der Stall von Familie Rabausch an der A7 bei Bissingen wurde mehrfach mit Fußball-Graffiti besprüht. Offenbar lieferten sich Fans des FCH und des SSV Ulm eine Art Überbietungswettbewerb und wollten ihr Revier markieren.

Die vergangenen Monate waren für Familie Rabausch kein Spaß. „Zwischen die Fronten von rivalisierenden Ultras zu kommen, ist nicht angenehm“, sagt Harald Rabausch. Damit meint er nicht sich als Person, sondern seinen Schweinestall. Der liegt auf Bissinger Gemarkung direkt an der A7 und ist von dieser aus Richtung Ulm kommend gut sichtbar. Und eben das scheint ihn attraktiv für Graffiti aus der Fußball-Fanszene gemacht zu haben.

Das erste Graffito an seinem Stall entdeckte Harald Rabausch am 23. August, am Tag nach dem Start der neuen Bundesliga-Saison. „Ultras FB 08“ prangte in riesigen Lettern darauf. FB’08 ist das Kürzel der Heidenheimer Ultras „Fanatico Boys“. Rabausch rief die Polizei und erstattete Anzeige gegen unbekannt. „Die Polizei meinte, durch den Schriftzug sei klar, wer es war. Sie haben mir aber wenig Hoffnung gemacht, dass die Urheber gefunden werden.“ Er sei etwas verärgert gewesen und habe auch mit dem 1. FC Heidenheim Kontakt aufgenommen. „Der Fanbeauftragte verurteilte, dass private Flächen besprüht werden und sagte, er werde das bei den Fans ansprechen, aber die Szene sei heterogen und der FCH letztlich nicht verantwortlich für derartige Schmierereien.“

Rivalisierende Heidenheimer und Ulmer Fußball-Fans

Etwa fünf Wochen lang blieb es bei dem Graffito an der Wand des Schweinestalls. „Wir hatten auch keine Zeit, es zu überstreichen“, sagt Harald Rabausch. Am 1. Oktober staunte er aber nicht schlecht, denn das Graffito war übersprüht worden, nun prangte „BSU – Kennt Eure Grenze“ an der Wand. „Wir waren erst einmal ratlos und wussten nicht, was das bedeuten soll“, sagt Harald Rabausch. Eine Internet-Recherche brachte Klarheit: Das Kürzel BSU steht für die Ultragruppierung „Broken Society Ultras“, die den SSV Ulm unterstützt.

Mit ihren Schriftzügen wollten die Heidenheimer und Ulmer Ultras wohl ihr Revier markieren. Foto: Rabausch

Und damit ging die mutmaßliche Fan-Fehde erst richtig los. Schon am nächsten Tag war an der Wand über mehrere Meter „FCH – Nur rot und blau“ zu lesen. Kurze Zeit später folgte „Anti HDH – Ab hier schwarz-weiß“. Das wurde übersprüht mit „Anti Ulm – Unser Landkreis ist rot-blau“ und danach mit „Anti HDH – Stellt Euch! Kennt Eure Grenze“. Und jedes Mal sei die Schmiererei noch eine Nummer größer geworden, so Harald Rabausch. Auch ein Fenster am Stall sei besprüht worden. „Es ist regelrecht eskaliert.“

Was hinter den Aufforderungen, die Grenze zu kennen, steckt, darüber haben auch die Rabauschs sinniert. Man mutmaßt, die jeweiligen Ultras könnten einen Streit um ihr Territorium ausgefochten haben. „Dann scheinen die Ulmer Fans aber geografisch nicht auf der Höhe zu sein“, sagt Harald Rabausch. „Unser Stall liegt im Landkreis Heidenheim, der Alb-Donau-Kreis beginnt erst einen Kilometer weiter Richtung Ulm.“

Dass Ultras mit solchen Schriftzügen ihr Revier markieren, ist Usus in der Szene und bestätigt auch ein Insider der Heidenheimer Fanszene. „Die Ulmer Fans haben das erste Graffito der Heidenheimer sicher als Provokation aufgefasst und dann ging es hin und her.“ Hintergrund der gesprühten Aufforderung „Stellt Euch“ sei wohl der Plan gewesen, den Fans aus dem anderen Lager aufzulauern und eine Schlägerei anzuzetteln. „Im Ruhrpott passiert sowas ständig, aber hier ist es eher selten.“

Mehrere vermummte Gestalten

Die Rabauschs wird das nur wenig beruhigen. Zwischenzeitlich hatte der Landwirt jedenfalls eine Wildtierkamera am Stall installiert. Und in der Nacht auf den 26. Oktober um 1.14 Uhr war der Bewegungssensor der Kamera auch angesprungen. „Auf den Bildern waren sechs vermummte Gestalten in Schutzkleidung zu sehen“, sagt Harald Rabausch. „Wir haben gleich die Polizei gerufen, aber bis die da waren, waren die Männer schon weg.“ Wenige Tage später fuhr Harald Rabausch kurz vor Mitternacht mit dem Traktor an seinen Schweinestall und traf dort auf drei Autos mit abgeklebtem Kennzeichen, in denen vermummte Personen saßen. Der Landwirt sprang sogar vom Traktor, doch sie fuhren auf dem Feldweg davon.

Mittlerweile ist die Stall-Wand wieder weiß und seit drei Wochen ist Ruhe eingekehrt. Harald Rabauschs Tochter hatte ein paar Bekannte aus dem Fan-Umfeld kontaktiert und die Vorgänge geschildert. „Einige aus dem Dunstkreis des FCH haben uns angeboten, die Wand zu streichen, weil sie die Aktion der Ultras blöd fanden und zur Deeskalation beitragen wollten“, sagt Harald Rabausch. Und so geschah es dann auch. Um mögliche Sprayer abzuhalten, hat er vor der Wand Mist ausgebracht, außerdem wird er Flutlicht und eine Überwachungskamera installieren. „Der Eingang des Stalls ist auf der anderen Seite, da haben wir Licht, aber die Gefahr, dass wieder gesprayt wird, ist mir einfach zu groß.“

„Ein ungutes Gefühl“

Dennoch hofft Rabausch auf die Vernunft der Fußball-Fans. Die vergangenen Wochen seien nicht spurlos an ihm und seiner Familie vorbeigegangen. „Meine Frau ist verunsichert, weil wir regelmäßig auch nachts zum Stall fahren müssen, manchmal mit dem Fahrrad.“ Es fühle sich ungut an, nicht zu wissen, ob man dabei auf vermummte Personen stoße, die dabei sind, etwas Ungesetzliches zu tun. „Man weiß ja auch nicht, ob sie gewaltbereit sind.“

Die Polizei bestätigt indes, dass fünf Anzeigen wegen Sachbeschädigung jeweils im niedrigen einstelligen Bereich durch die Schmierereien am Stall der Rabauschs aufgenommen wurden, zuletzt am 29. Oktober. „Zum letzten Fall dauern die Ermittlungen an“, so Johanna Christau, Polizeioberkommissarin in Ulm. „Die Ermittlungen in den weiteren Fällen ergaben keinen konkreten Tatverdacht.“

Das sagt der FCH

Auf HZ-Nachfrage bestätigt der 1. FC Heidenheim, dass die Vorfälle am Stall an der A7 dem Verein bekannt sind. „Dass das aus Sicht des betroffenen Landwirts äußerst ärgerlich ist, können wir natürlich vollkommen nachvollziehen“, sagt Pressesprecher Markus Gamm. Die FCH-Fanbetreuung habe deshalb auch bereits in persönlichem Kontakt mit ihm gestanden.

„Dass Fangruppen mit solchen Graffiti Unterstützung für ihren jeweiligen Verein Ausdruck verleihen, ist ein deutschlandweites Phänomen, das auch in unserer Region zu beobachten ist“, so Markus Gamm weiter. „Selbstverständlich ist es immer wieder auch Thema in unterschiedlichsten Dialogformen mit unseren Fans und Fangruppen, dass Unterstützung nicht in Sachbeschädigungen münden darf.“ Man werde auch in Zukunft von Seiten des Vereins weiter sensibilisieren, um solche Fälle künftig möglichst zu vermeiden.