Stellplätze versus Stockwerke

Wie die neuen Pläne für die Mehrfamilienhäuser am Herbrechtinger Amselweg aussehen

Seit Jahren will die Heidenheimer Kreisbau mehrere Mehrfamilienhäuser am Amselweg in Herbrechtingen bauen. Bislang scheiterte das Projekt am festgelegten Stellplatzschlüssel. Jetzt gab es einen neuen Anlauf und eine erneute intensive Debatte über Parkplätze und Geschosshöhen im UBV-Ausschuss, an deren Ende ein Kompromiss stand.

2 oder 1 oder doch 1,5? Was sich anhört wie ein Auszug aus einer Lehrerkonferenz, war am Donnerstag Thema im Herbrechtinger Ausschuss für Umwelt, Bauwesen und Verkehrsangelegenheiten (UBV). Es ging also nicht um Schulnoten, sondern um Parkplätze. Genauer gesagt um den festzulegenden Stellplatzschlüssel für die von der Kreisbau geplanten Mehrfamilienhäuser am Amselweg. Ein Stellplatzschlüssel soll sicherstellen, dass ausreichend Parkraum für die Bewohner eines Gebäudes vorhanden ist und gibt vor, wie viele Stellplätze bei einem Bauvorhaben mindestens bereitgestellt werden müssen.

Am Amselweg gehört der Kreisbau eine Fläche von rund 4800 Quadratmetern, die die Gesellschaft schon seit Jahren bebauen möchte. Den ersten Anlauf machte sie 2018. Doch das Vorhaben scheiterte an der vom Gemeinderat festgelegten Forderung von zwei Stellplätzen pro Wohneinheit. Nachdem ein Gutachten über die Parksituation in dem Gebiet zum Schluss gekommen war, dass 1,5 Stellplätze pro Wohnung ausreichend wären, ruderte der Gemeinderat zurück und legte einen Stellplatzschlüssel von 1,5 fest. Im Jahr 2023 stellte die Kreisbau dem Gemeinderat dann ihren überarbeiteten Plan vor, der vorsah, 40 Wohnungen mit zwei, drei und vier Zimmern in drei Mehrfamilienhäusern mit jeweils drei Vollgeschossen und einem Staffelgeschoss zu bauen.

So sah der neue Entwurf der Kreisbau aus, der allerdings wegen der Höhe des rechten Gebäudes nicht umgesetzt wird. Foto: Kreisbau

Umgesetzt wurde das Vorhaben von der Kreisbau allerdings nicht und jetzt präsentierte der Geschäftsführer Jürgen Schipek eine erneut überarbeitete Version. Vorgesehen waren zwei Mehrfamilienhäuser mit je drei Vollgeschossen und einem Staffelgeschoss (Höhe: 13,4 Meter) sowie ein Mehrfamilienhaus mit vier Stockwerken und Staffelgeschoss (Höhe: 16,5 Meter). In diesem höheren Gebäude sollten die Mieten preisgebunden, also öffentlich gefördert sein. "Preisgebundener Wohnraum ist kein Arme-Leute-Thema", versicherte Schipek. Etwa die Hälfte der Beschäftigten im öffentlichen Dienst hätten aufgrund ihres Einkommens Anspruch darauf. „Wir schaffen damit bezahlbaren Wohnraum für die Mitte der Gesellschaft.“

Bezahlbarer Wohnraum für Familien in Herbrechtingen

Bürgermeister Daniel Vogt rechnete vor: Eine vierköpfige Familie mit einem jährlichen Haushaltseinkommen von bis zu 75.800 Euro habe Anspruch auf eine solche öffentlich geförderte Wohnung. Und der Wunsch aus der Bevölkerung nach größeren, aber bezahlbaren Familienwohnungen werde immer lauter. Durch die Förderung würden die Mieten etwa 30 Prozent unter dem Marktwert liegen. „Damit spart man zwischen 300 und 500 Euro Miete im Monat. Das ist eine spürbare Entlastung.“ Um das allerdings wirtschaftlich realisieren zu können, benötige die Kreisbau ein Entgegenkommen in puncto Stellplatzschlüssel. Der Wunsch der Kreisbau und Vorschlag der Verwaltung sah vor, eine Quote von 1,25 Stellplätzen pro Wohneinheit festzulegen.

Zankapfel eins: die Höhe eines der geplanten Gebäude

Soweit der Plan. Den meisten Mitgliedern des Ausschusses war das jedoch eine Nummer zu viel. Beziehungsweise zu hoch. Zu hoch für die künftigen Nachbarn, von denen auch drei im Publikum saßen. Anwohner des Härtwegs hatten schon im Vorfeld dem Bürgermeister und den Ausschuss-Mitgliedern eine Stellungnahme zum überarbeiteten Bauvorhaben zukommen lassen. Kritisiert wurde die Höhe des geplanten vier- bzw. fünfstöckigen Gebäudes mit seinen 16,5 Metern. „Die betroffenen Anwohner des Härtwegs haben ihre Gärten ausschließlich nach Süden, also zum Grundstück der Kreisbau ausgerichtet (…) Wir fühlen uns durch die neu geplante Bebauung massiv in unserer Lebensqualität beeinträchtigt.“ Man sei nicht gegen eine innerörtliche Verdichtung, dies sollte aber unter Berücksichtigung und Anpassung an die umliegende Bebauung geschehen.

„Als Anwohner wäre ich auch nicht begeistert“, pflichtete Peter Koptisch (Freie Wähler) dem bei. „Den Bewohnern im Härtweg ist klar, dass dort Mehrfamilienhäuser entstehen, aber das hier sticht ins Auge.“ Man könne nicht über die Einwände der Bewohner hinweggehen. Dieter Mathes (CDU) sah das auch so: „Die Anwohner sehen dann keine Sonne mehr.“ Er habe mit vier Stockwerken schon ein Problem, fünf gingen keinesfalls. Dem stimmte auch Simon Zimmermann (Freie Wähler) zu. „Bei vier Stockwerken plus Staffelgeschoss bin ich nicht dabei, auch wenn wir Wohnraum brauchen.“

Zankapfel zwei: die Parkplatzsituation am Amselweg

Und auch die von der Verwaltung vorgeschlagenen und der Kreisbau gewünschte Stellplatzreduzierung geht einigen Anwohnern gegen den Strich: „Schon heute sind die bestehenden Parkplätze fast ausgereizt“, heißt es in ihrem Schreiben. Bei einer Schaffung von weiteren Wohnungen würde die Reduzierung des Stellplatzschlüssels zu einem „Park-Chaos“ führen. Das befürchtete auch die Mehrheit der Ausschuss-Mitglieder. Peter Koptisch: „Ich war ein Verfechter der zwei Stellplätze. In meinem Wohngebiet hat die Mehrzahl der Haushalte zwei Fahrzeuge, manche sogar drei.“ Zwei sei das Maß aller Dinge. Und Dieter Mathes ergänzte: „Abends und an den Wochenenden ist rund um den Amselweg jetzt schon alles zugeparkt.“

Dem widersprach Bürgermeister Vogt vehement. Die Verwaltung habe mehrere Begehungen gemacht – und zwar nicht nur, wie von ein paar Räten vorgeworfen, um die Mittagszeit. „Die Gesamtkapazität der Parkplätze ist absolut ausreichend. Das Problem ist, dass von Anwohnern nicht gern weitere Laufwege in Kauf genommen werden.“

Kreisbau-Geschäftsführer Schipek folgte der etwas festgefahrenen Debatte und wand ein: „Dieser Plan war ein Angebot an Sie, bestmöglich nachzuverdichten und geförderten und damit kostengünstigen Wohnraum zu schaffen.“ Aber: „Wir bauen auch drei Stockwerke mit 1,5 Parkplätzen pro Wohnung, ich bin da leidenschaftslos.“ Mit dem öffentlich geförderten Wohnraum werde es dann allerdings nichts. „Das rentiert sich unter diesen Bedingungen nicht. Das ist nicht wirtschaftlich für uns.“

Kreisbau-Geschäftsführer: "Stellplätze sind die Preistreiber"

Das Bauen habe sich in den vergangenen Jahren verändert, gab Schipek zu Bedenken. „Als die Zinsen noch bei null Prozent lagen, war die Welt eine andere. Heute müssen wir alle Register ziehen, um überhaupt wirtschaftlich bauen zu können.“ Der Preistreiber und gleichzeitig eine Stellschraube, um günstiger bauen zu können, seien eben die Stellplätze. Insbesondere bei Tiefgaragenplätzen, aber auch oberirdische. Schipek appellierte dafür, mit dem Thema Stellplatz flexibler umzugehen. „In Giengen realisieren wir gerade ein ähnlich großes Projekt, wo ein Stellplatzschlüssel von 1,0 festgelegt wurde. Und da hat man sich auch Gedanken gemacht.“ Insbesondere bei kleinen Wohnungen brauche es nur einen kleinen Stellplatzschlüssel.

Klar für die Vorschläge der Kreisbau sprachen sich Bürgermeister Vogt und Robert Smejkal (CDU) aus. „Durch die Baupreisentwicklung kann sich die breite Masse heute kein Einfamilienhaus mehr leisten“, so Vogt. Und Smejkal: „Wenn wir in Herbrechtingen keinen günstigen Wohnraum anbieten, ziehen die Leute nach Heidenheim oder Giengen.“ Er sei dafür, jungen Familien diesen geförderten Wohnraum anzubieten und auch mit fünf Stockwerken einverstanden. „Ich bin mir bewusst darüber, dass ich mit meinem Einfamilienhaus und freier Sicht absolut privilegiert bin.“

Diese Einlassungen blieben nicht ohne Wirkung. Ab welcher Wohnungs- und Stellplatzanzahl denn preisgebundene Mieten möglich wären, wollten etwa Michael Wiedenmann (Freie Wähler) und Cornelia Stahl (Grüne) wissen. „Das kann ich aus dem Stegreif nicht sagen“, so Schipek. In Gerstetten habe man deshalb jüngst bei einem Projekt einen anderen Weg eingeschlagen. „Wir sind ohne Stellplatzschlüssel in die Planung gegangen und haben dann den Schlüssel genommen, der sich aus der Planung ergab.“

Die Varianten für den Amselweg

Dazu konnte man sich im Ausschuss nicht durchringen, aber man fand einen Kompromiss und schließlich lagen drei Varianten für den Amselweg auf dem Tisch. Die erste war der Entwurf der Kreisbau mit zwei niedrigeren Häusern und dem mietpreisgebunden 16,5 Meter hohen Haus und einem Stellplatzschlüssel von 1,25. Dem stimmten nur Bürgermeister Vogt und Robert Smejkal stimmten zu.

Variante zwei ging auf einen Antrag von Simon Zimmermann zurück und beinhaltete drei dreigeschossige Gebäude mit Staffelgeschoss und einem Stellplatzschlüssel von Minimum 1,1 – unter der Bedingung, dass in einem der Gebäude geförderter Wohnraum ermöglicht wird. Dem Vorschlag folgten sieben Räte, vier stimmten dagegen. Sollte die Kreisbau allerdings zur Einsicht gelangen, dass sich die preisgebundene Miete trotz des niedrigeren Stellplatzschlüssels nicht rechnet, wird die dritte Variante planerisch vorangetrieben: drei dreigeschossige Gebäude mit Staffelgeschoss und einem Stellplatzschlüssel von 1,5.

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