Mehrere Anklagepunkte

Weshalb der Berufungsprozess gegen einen 29-jährigen Bolheimer frühzeitig eingestellt wurde

Einsicht, Reue, Kooperation: All das ließ ein 29-Jähriger aus Bolheim in seinen bisherigen Verhandlungen vermissen und legte folgerichtig auch Berufung ein. Für ihn lief dieser Prozess im Ellwanger Landgericht jedoch anders als gedacht:

Für einen 29-Jährigen aus Bolheim ging ein Berufungsprozess vor dem Ellwanger Landgericht nach hinten los. Statt seiner gewohnt frechen und uneinsichtigen Haltung gab es am Ende der Verhandlung sogar Tränen und Reue. Die vorherigen Urteile gegen den ortsbekannten Querulanten bleiben bestehen.

Verurteilt in zwei Fällen

Was war im Vorfeld passiert? Bereits zweimal wurde der 29-Jährige im Laufe dieses Jahres vor dem Heidenheimer Amtsgericht verurteilt: im März für monatelanges Nachstellen einer Mitarbeiterin seines Fitnessstudios und im August für das Terrorisieren seiner Nachbarn – mit daraus resultierender Körperverletzung infolge der psychischen Belastung.

Im Detail: Im März dieses Jahres wurde der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung verurteilt. Damals hatte er monatelang einer werdenden Mutter nachgestellt. Hunderte Anrufe und Nachrichten waren nur der Anfang des Stalkings; später folgten Besuche vor ihrem Haus. Zudem erhielt die Geschädigte zahlreiche Pakete, die sie angeblich bestellt haben sollte. Diese Zeit wirkte sich sowohl auf ihren Gesundheitszustand als auch auf ihre Arbeit aus, wie sie auch vor der dritten Strafkammer im Ellwanger Berufungsprozess betonte.

Im August erhielt er eine zehnmonatige Freiheitsstrafe wegen Körperverletzung in vier Fällen. Die Strafe wurde nicht zur Bewährung ausgesetzt. Das Leiden der vierköpfigen, jungen Nachbarsfamilie zeigte sich auch in dieser Verhandlung: Leistungsabfall in Schule und Beruf, gesundheitliche Schäden und psychiatrische Behandlungen waren Folgen seiner Taten. Über Monate hinweg hatte er die Geschädigten durch nächtliches Klopfen, Hämmern und Schreien wachgehalten, zudem bedrohte er Frau und Kinder vor dem Haus und wurde dem Familienvater gegenüber mehrfach ausfällig.

Die Verteidigungsstrategie

Nach beiden Verfahren legte der 29-Jährige sofort Berufung ein. In beiden Fällen sah er sich im Recht und verteidigte sich im Grunde selbst – ohne wirklich auf die Anklagepunkte einzugehen. Ging es etwa um die hunderten Anrufe, die er getätigt haben soll, um der Mitarbeiterin seines Fitnessstudios nachzustellen, beschwerte er sich lediglich darüber, dass er sein Fernstudium nicht fortsetzen könne, da seine Geräte beschlagnahmt worden seien.

Reue zeigte er zu keinem Zeitpunkt. Er schien nie ganz bei der Sache zu sein und erkannte den Ernst der Lage augenscheinlich nicht. Vor dem Heidenheimer Amtsgericht fiel er vor allem durch laute und provokante Zwischenrufe auf – geholfen hat ihm das in Anbetracht des Strafmaßes nicht. Auch in Ellwangen versuchte er, seinem Unmut Ausdruck zu verleihen, wurde jedoch umgehend von Richter Heiko Baumeister gestoppt: „Wenn ich rede, sind sie still. Und sie beantworten ausschließlich Fragen, die hier gestellt werden.“

So begann der Berufungsprozess vor der dritten Strafkammer. Zunächst wurde der Fall des Nachstellens der Fitnessstudio-Mitarbeiterin aufgearbeitet. Nach mehreren Versuchen Baumeisters, ihm ein Geständnis zu entlocken, zeigte sich der Angeklagte erstmals kooperativ: Er habe auf den Namen der Geschädigten Pakete und Zeitschriften liefern lassen. Dies habe er über einen Drittanbieter im Ausland veranlasst, dem er die Kontaktdaten der jungen Mutter weitergeleitet hatte. Dabei gab der 29-Jährige zu, dass er anfangs noch Kontrolle über die Bestellungen gehabt, das Programm inzwischen jedoch gelöscht habe. Außerdem widersprach er mehrfach seiner eigenen Aussage, er besitze keine technischen Geräte mehr.

Wenn ich rede, sind sie still. Und sie beantworten ausschließlich Fragen, die hier gestellt werden.

Heiko Baumeister, Richter

Auch auf seinen Gesundheitszustand wurde eingegangen. Obwohl sich der Angeklagte selbst als gesund einschätzte, suchte er mehrmals auf eigenen Wunsch eine psychiatrische Einrichtung auf. Dort wurde er jedoch jedes Mal als sozial angepasst eingestuft und wieder entlassen. Im Laufe der Vernehmung zeigte er dann erstmals Reue – und brach sogar in Tränen aus. „Ich wollte das alles nicht“, sagte er. Er habe sich missverstanden gefühlt und geglaubt, die Geschädigte suche ebenfalls den Kontakt. Als sie ihn schließlich ablehnte, versuchte er aus Frust, sie innerhalb einer Nacht mehrere hundert Male telefonisch zu erreichen. Auch ein gerichtliches Annäherungsverbot hielt er nicht ein – laut eigener Aussage sei sein nächtliches Auftauchen vor ihrem Haus aber „reiner Zufall“ gewesen.

Bevor der Fall weiter vertieft werden konnte, zog sich der 29-Jährige mit seinem Verteidiger zurück und entschied, die Berufungen in beiden Fällen zurückzunehmen. Für Richter Baumeister ging es anschließend nur noch um das Zusammenführen der beiden Urteile und das daraus resultierende Strafmaß. Dafür wurde in kurzer Form die Geschädigte erneut vernommen. Die Schöffen und Baumeister entschieden sich schließlich für eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten ohne Bewährung. Eine Revision könnte der Angeklagte zwar noch einlegen, das Oberlandesgericht würde das Urteil jedoch ausschließlich auf mögliche Verfahrensfehler überprüfen.