Streit ums Pferd

Warum ein Wischmopp vor dem Amtsgericht Heidenheim die Hauptrolle spielte

Vor fast anderthalb Jahren gerieten in Bolheim drei Frauen in Streit, jetzt bemühte sich das Amtsgericht Heidenheim um Aufklärung. Das gelang trotz beharrlichen Nachfragens nur zum Teil.

Für gewöhnlich nutzt ein Richter seine Urteilsverkündung als Gelegenheit, einer Angeklagten (oder einem Angeklagten) noch einmal ins Gewissen zu reden, auf dass er (oder sie) sich in Zukunft besser verhalten möge. Am Montag legte Richter Dr. Christoph Edler am Heidenheimer Amtsgericht seinen Schwerpunkt anders. Am Ende einer stark mit Nebenschauplätzen angereicherten Verhandlung attestierte Edler der Polizei, „deutlich unterdurchschnittliche“, gar „schlechte“ Ermittlungen geführt zu haben. Fotos vom Tatort gab es nicht, auch nicht von der mutmaßlichen Tatwaffe – einem Wischmopp. Die handschriftlich notierten Aussagen wurden demnach noch vor Ort von den Beteiligten unterschrieben. Die beiden angeklagten Frauen wurden dennoch zu empfindlichen Geldstrafen verurteilt.

Der Vorfall

Im Oktober besuchte eine Frau ihr in einer Pferdepension in Bolheim untergebrachtes Pferd und stellte eine Verletzung am Leib des Tieres fest. Zu deren Muster passte eine Mistgabel, die sich im Stall fand. In der Annahme, dass ihr Pferd misshandelt worden sei, ging die Besitzerin auf die Frau zu, die sich um den Stall kümmerte. Es kam zu einem Wortgefecht, an dem sich bald auch die Tochter der beschuldigten Frau beteiligte. Die Pferdebesitzerin gab an, die Angeklagte habe nach ihr getreten, sie mit dem Mopp auf den Kopf geschlagen und gewürgt. Die Tochter wiederum habe sie rüde beleidigt und an den Haaren gezogen. Noch Wochen nach dem Vorfall machte die Frau gegenüber ihrem Arzt Panikattacken und Schlafstörungen geltend. Der Freund der Tochter trennte die Kontrahentinnen schließlich, die Geschädigte rief die Polizei.

Die Anklage

Staatsanwältin Andrea Koller legte der 59-Jährigen gefährliche Körperverletzung zur Last. Der gleiche Vorwurf traf ihre 29-jährige Tochter, die zudem der Beleidigung beschuldigt wurde. Der Wischmopp wurde dabei als gefährliches Werkzeug gewertet.

Die Angeklagten

Die beiden Frauen räumten Teile der Vorwürfe ein, die Beleidigung etwa. Keineswegs aber habe es einen Schlag mit dem Mopp gegeben. Man habe sich gestritten und geschubst. „Nicht, dass ich wüsste“, sagte die ältere Angeklagte auf die Frage, ob die Geschädigte gewürgt worden sei. Die gleiche Antwort gab die Tochter auf die Frage, ob sie die Gegnerin an den Haaren gezogen habe.

Die Zeugen

Eine Freundin, die die Pferdebesitzerin begleitet hatte, sagt aus, die Geschädigte habe mit dem Mann der 59-Jährigen als Besitzer der Pension sprechen wollen, sei dann aber auf die Angeklagte getroffen, die das Treppenhaus am Haus neben der Pension putzte. Schnell sei es zum Wortgefecht gekommen. Die Geschädigte verschwieg im Zeugenstand nicht, dass sie auf die Beleidigung ebenso unfreundlich reagiert habe. Der Mopp sei bei dem Angriff sogar zerbrochen. Das wiederum quittierte die Angeklagte mit einem Schnauben.

Der Zorn der Staatsanwältin

Nach gut einer Stunde Verhandlungsdauer regte Staatsanwältin Koller eine Entschuldigung der beiden Angeklagten an und deutete an, solch ein Verhalten könne sich vor Gericht positiv auswirken. „Warum soll ich mich entschuldigen?“, gab die 59-Jährige knapp zurück. Dem Pensionsbesitzer, der die Tat nach übereinstimmenden Aussagen still beobachtet hatte, warf Koller gar eine „Harakiri-Aussage“ vor, weil er den Ablauf beschönigt habe und zentrale Momente nicht gesehen haben wollte. „Jetzt drohen Sie dem Mann doch nicht“, nahm Verteidiger Ulrich Carle den Zeugen in Schutz. Spätestens bei der Aussage des Freundes der Tochter war es um das Wohlwollen der Anklägerin geschehen. Ihm, der von Schlägen nichts mitbekommen haben wollte, warf Koller Falschaussage vor und kündigte ein Verfahren gegen ihn an.

Die Plädoyers

Die Staatsanwältin sah die Vorwürfe als erwiesen an, bemängelte aber auch, dass es seitens der Polizei keinerlei Fotos von der Situation vor Ort gegeben habe. Sie forderte Geldstrafen für beide Angeklagten. Verteidiger Carle, der die Mutter vertrat, bestritt eine gefährliche Körperverletzung und forderte einen Freispruch. „Eigentlich gehört so etwas eingestellt“, sagte Judith Kübler, Verteidigerin der Tochter. Ein Nachweis für die Körperverletzung sei nicht erbracht worden. Für die Beleidigung sei allenfalls eine niedrige Geldstrafe angebracht. Auf ein letztes Wort verzichteten die Angeklagten.

Das Urteil

Richter Edler verzichtete dagegen auf eine Pause und verkündete sein Urteil unmittelbar nach den Plädoyers: Die Mutter muss 190 Tagessätze zu 40 Euro bezahlen, die Tochter 120 Tagessätze in gleicher Höhe. Damit blieb Edler unter der Forderung der Staatsanwältin. Damit sah Edler die Vorwürfe als erwiesen, den beiden Zeugen der Verteidigung schrieb er abschließend „Rumgeeiere“ ins Stammbuch.

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