Erinnerungen haben ziemlich viel Macht. Sie können durch schwere Zeiten tragen, sie können Menschen verbinden. Und sie können zu neuen Projekten animieren. Das zeigt einmal mehr die Geschichte von Gerhard Kilzer (38) und Wolfgang Künzel (73).
Die beiden haben zusammen einen alten Mercedes-Getränke-Laster zu neuem Leben erweckt, ihn in unzähligen Stunden auf Originalzustand getrimmt. Heute fahren sie damit von Oldtimertreffen zu Oldtimertreffen – und zurück in die eigene Vergangenheit. Denn der Wagen verbindet die beiden auf ganz besondere Weise.
Gerhard Kilzer verlor seinen Vater und fand neuen Halt
Rückblick. Es ist das Jahr 1995. Gerhard Kilzer ist gerade einmal acht Jahre alt, als sein Vater stirbt. Er wächst fortan bei der Mutter auf. In der Nachbarschaft kennt man sich. Wolfgang Künzel ist selbstständig mit einem Getränkehandel und ist mit seinem Lieferservice öfter um den Weg.
Wenn ich da drinsitze, denke ich an die gute alte Zeit zurück, die in meinen Augen einfach super war.
Gerhard Kilzer, hat mit seinem Ziehvater einen Getränke-Laster restauriert
Eines Tages fragt er den kleinen Gerhard, ob er mitfahren möchte. Und aus der spontanen Mitfahr-Gelegenheit wurde Routine, es entstand eine Freundschaft, mehr noch: ein familiäres Band. Wolfgang Künzel wird Ziehvater, Vorbild und Ratgeber für den damals achtjährigen Gerhard. Bis heute sind die beiden verbunden. „Ohne ihn wäre ich nicht da, wo ich heute bin“, sagt Gerhard Kilzer.

Zusammen haben sie unzählige Stunden im Getränkewagen verbracht. Während hinten Spezi und Bier in den Flaschen schwappten, wurden in der Fahrerkabine Gespräche geführt, über Witze gelacht, sogar Hausaufgaben wurden hier erledigt. Bei der Erinnerung muss Gerhard Kilzer lachen.
„Wenn man so etwas macht, muss man ganz vorne anfangen.“
Wolfgang Künzel, hat einen alten Getränke-Laster restauriert
Nach drei Jahrzehnten keimte bei ihm der Wunsch, wieder in einem solchen Wagen unterwegs zu sein. „Es war mein Traum, wieder ein solches Fahrzeug zu haben und damit die alten Zeiten wieder aufleben zu lassen“, erzählt er.
2023 wurde mit den Arbeiten begonnen, 2025 war der Wagen fertig
Er durchforstete das Internet, verglich Angebote und wurde 2023 schließlich fündig. In München kaufte er einen Mercedes-Laster 609D, Baujahr 1994. Dieser war als Baustellenfahrzeug genutzt worden – und in einem entsprechenden Zustand. „Der war richtig heruntergekommen“, erinnert sich Wolfgang Künzel. Viele Stunden und „aus Spaß an der Freude“ waren die Männer am Werk. Sie nutzten jede freie Minute, um das Gefährt wieder auf Vordermann zu bringen.

Die Karosserie wurde auseinandergenommen, die Pritsche instand gesetzt, die Leitungen wurden neu gezogen. Es wurde abgeschliffen, lackiert und sandgestrahlt – oft bis spät am Abend. Die Bordwände wurden mit dem Hammer ausgedengelt, die Fenster erneuert. Handarbeit und Muskelkraft waren gefragt. Wolfgang Künzel verrät: „Wenn man so etwas macht, muss man ganz vorne anfangen.“

Im März 2025 war der Laster schließlich fertig. Alles wurde im Originalzustand nachgebaut oder wiederhergestellt. Sogar die Sitzbank wurde originalgetreu gepolstert. Seitdem können die zwei Männer wieder in Erinnerungen schwelgen. „Wenn ich da drinsitze, denke ich an die gute alte Zeit zurück, die in meinen Augen einfach super war“, sagt Gerhard Kilzer, der heute als Werkstattleiter einer Spedition arbeitet.
Lobende Worte und Kaufanfragen bei Oldtimertreffen
Für ihr Gefährt bekommen die beiden allerlei lobende Worte. Ihnen wird auf den Straßen hinterhergeschaut, auf Oldtimertreffen werden ordentliche Summen geboten und bei so manchem Betrachter klopft beim Anblick die Vergangenheit wieder an. „Eigentlich fehlen nur noch die Kisten hinten drauf, dann wäre wirklich alles wie früher“, sagt Gerhard Kilzer und lacht.
Doch auch dafür gibt es bereits Ideen. Die Männer möchten sich eine Art Kajüte, einen Übernachtungsplatz auf der Pritsche bauen. Aus Getränkekisten, wie könnte es auch anders sein. So lassen sich dann auch weiter entfernte Oldtimertreffen bequem anfahren. Denn eines ist sicher: In dieser Hinsicht haben die beiden noch einiges vor.