Zufallsfund bei Haussanierung

Wofür Heidenheimer Tageszeitungen auch nach Jahrzehnten zu gebrauchen sind

Der „Grenzbote“ war eine in Heidenheim gedruckte Tageszeitung. 86 Jahre nach dem Erscheinungstag findet ein HZ-Leser jetzt bei Sanierungsarbeiten Reste einer Ausgabe. Wozu sie seither gedient haben:

Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern. Heißt es nicht erst seit vorgestern. Und ganz verkehrt scheint diese Erkenntnis nicht zu sein, andernfalls wäre ihr der Status eines Sprichworts garantiert versagt geblieben. Es lässt sich ja auch wirklich nicht leugnen: Manchmal ist das Blatt noch gar nicht gedruckt, da hat die Realität längst schon alles auf den Kopf gestellt.

Aber mal ehrlich: Das war doch seit Ewigkeiten so, ohne dass irgendjemand daran Anstoß genommen hätte, weil es nun einmal in der Natur der technologischen Sache liegt. Und nicht selten erweist sich der vermeintlich unschlagbare Vorteil der sogenannten sozialen Medien, unübertrefflich aktuell zu sein, als Augenwischerei – sobald nämlich unreflektiertes Tempo im Nachhinein ziemlich alt aussieht gegenüber journalistischer Sorgfalt.

Isolierung rund um Fensterrahmen

Auch nicht außer Acht zu lassen: Handys, Tablets und Laptops vermögen hinsichtlich Wärme- und Schallschutz nicht zu überzeugen. Im Gegensatz zu alten Zeitungen. Diese Erfahrung machte jetzt HZ-Leser Werner Radenbach, als er bei der Sanierung eines Hauses anpackte, das sein Sohn in der Vohbergsiedlung gekauft hat. Beim Ausbau der Fenster stieß er zwischen Rahmen und Laibung auf papierene Fetzen, die dort offenkundig als Isoliermaterial gedient hatten.

Der Aufdruck „Der Grenzbote. Freitag, 9. Juni 1939“ belegt zum einen, dass sie jener Zeitung entstammen, die einst von den Nationalsozialisten zu einem Parteiorgan gleichgeschaltet, nach dem Zweiten Weltkrieg dann als Bestandteil der freien Presse mit der Heidenheimer Zeitung zusammengelegt wurde. Zum anderen lässt das Produktionsdatum Rückschlüsse auf den Inhalt zu.

Frankreich plant Kanaltunnel

Der wiederum tut sich beim Kontrollblick ins Archiv des Pressehauses auf: Frankreich schlägt der britischen Heeresleitung den Bau eines Kanaltunnels vor, um im Kriegsfall England mit Lebensmitteln versorgen zu können. Adolf Hitler stattet dem halbfertigen Volkswagenwerk in Fallersleben einen überraschenden Besuch ab. Und in Heidenheim lädt das 1. Handharmonika-Orchester zu seinem Waldfest „auf dem Platze oberhalb des kleinen Katzentales“.

Wir lernen daraus: Papier ist geduldig. Es weiß noch nach Jahrzehnten zu berichten, was kein soziales Medium je in die Welt blies. Gilt im Übrigen auch für den „Grenzboten“ vom 16. August 1939. Vier Seiten dieser Ausgabe hat Radenbach bei nochmaligem Nachschauen ebenfalls aus einer Ritze im Mauerwerk gefischt. Offenkundig wurde also auch schon vor einem knappen Jahrhundert nach Sprichwörtern gehandelt: Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost zum Hausbau tragen. Oder so ähnlich.