Zum Welthungertag

Wieso Ute Arndt aus Heidenheim ihr sicheres Leben aufgab, um Kindern und Frauen in Tansania zu helfen

Ute Arndt hat alles hinter sich gelassen, um Kindern und Frauen in Tansania Bildung, Gemeinschaft und tägliche Mahlzeiten zu ermöglichen. Weshalb sie diesen Schritt wagte und was sie mit ihrer Initiative „we.are.elimu“ noch plant.

Wenn Ute Arndt von ihren Erlebnissen in Tansania erzählt, wirkt sie gefasst und ausgeglichen. In Deutschland hatte die Heidenheimerin eine sichere Anstellung in der Produktentwicklung und im Marketing – ein geregeltes Leben. Doch eine Reise nach Afrika Ende 2020 veränderte alles. Ute Arndt sah extreme Armut und unterernährte Kinder. „Hunger verändert einen Menschen“, sagt sie.

Kürzlich reiste sie wieder nach Tansania, in ihre „zweite Heimat“. Mit ihrer Initiative „we.are.elimu“, die sie 2021 gründete, will sie Kindern und Frauen mehr bieten als Spenden: Bildung, Gemeinschaft und tägliche Mahlzeiten: „Für viele ist es die einzige Mahlzeit des Tages.“ Zum Welthungertag am 16. Oktober möchte Arndt zeigen, wie eng Bildung und Ernährung zusammenhängen – und dass schon kleine Beiträge etwas bewirken können.

Vom Büro in die Schule

Geboren in Stuttgart und aufgewachsen in Heidenheim, arbeitete Arndt zuletzt in München bei einem großen Hersteller von Hygiene- und Pflegeprodukten. Afrika hatte sie bisher nur touristisch erlebt. Dann kam die Corona-Pandemie – und der Wunsch nach beruflicher Neuorientierung entstand. Ein Entschluss zu einer längeren beruflichen Auszeit führte sie letztlich an eine Schule in Mtwara, im Süden Tansanias. Fünf Monate lang unterrichtete sie dort Geografie und Englisch.

Herausforderungen vor Ort

„Afrika hat eine unheimlich reiche Natur, aber ganz schwierige Lebensumstände“, sagt Arndt. Eine Klasse umfasse häufig 90 bis 120 Kinder, meist mit nur einer Lehrkraft. „Tansania hat eines der am schlechtesten ausgebildeten Schulsysteme überhaupt.“ Worauf sie nicht vorbereitet gewesen sei, war die Armut. An der Schule gab es rund 1000 Kinder, einen Brunnen, zwei Toiletten – aber keine Mahlzeiten und oft tagelang kein Trinkwasser, erzählt sie. „Ich kann mir die beste Lehr- oder Spielmethode ausdenken – wenn nichts zu essen oder zu trinken da ist, bringt das alles nichts.“ Auch inmitten von Schmutz und Müll spielten die Kinder. „Diese Kinder sind so sehr physischer Gewalt durch Lehrer, und der Brutalität des Lebens ausgesetzt.“

An der Schule bat sie den Rektor, eine zweite Klasse übernehmen zu dürfen – und bekam die Erlaubnis. Gemeinsam mit den Kindern bemalte sie ihr Klassenzimmer und startete erste Spendenaktionen, zunächst für Möbel und Schuhe.

Die Geburt der Initiative „we.are.elimu“

Nach der Rückkehr nach Deutschland ließ sie das Erlebte nicht los. „Das war wie ein Stachel. Ich habe das alles gesehen, ein bisschen ausprobiert – und soll jetzt einfach in mein altes Leben zurück?“ Ernüchtert war sie auch über die Effektivität großer Hilfsorganisationen, durch die nur wenig der Spenden tatsächlich dort ankämen, wo sie benötigt werden.

Die Idee für „we.are.elimu“ entstand „ganz klein“, sagt sie. Arndt überlegte, welche Lösungen es geben könnte. „Typisch deutsch halt. Aber wie wir es hier machen, passt nicht einfach nach Afrika.“ Also lernte sie Suaheli und setzte sich mit der Kultur auseinander. „Elimu“ ist das Suaheli-Wort für Bildung.

Ein paar Monate später reiste sie erneut nach Tansania – diesmal mit dem festen Ziel, etwas aufzubauen. Vor Ort traf Arndt Bekannte aus ihrer ersten Zeit wieder. Über den Bürgermeister, der sie kannte, bekam sie ein Grundstück zur Miete. Zwei Einheimische schlossen sich ihr an: ein Massai und eine Frau aus einem anderen Stamm.

Ein Konzept nicht nur für Kinder

Arndts Ziel war nicht einfach eine weitere Schule, sondern ein „Bildungs- und Community-Center für Kinder und Frauen“. Das Haus renovierten sie mit privaten Mitteln und Spenden. Für den Kauf des Grundstücks reichte es zunächst nicht, also entstand ein Anbau als erstes Klassenzimmer. Mit 32 Kindern aus der Umgebung und einer Lehrerin begann alles – nach dem Prinzip „Trial-and-Error“.

Ute Arndt unterrichtet in einem Klassenzimmer, das sie mit ihrem Team von ‚we.are.elimu‘ und Spenden aufgebaut hat. Ute Arndt

Heute umfasst die Initiative drei Klassenzimmer und einen Ruheraum: für jüngere und ältere Kinder, sowie für Frauen. Jede Gruppe hat einen eigenen Stundenplan. Die Kinder spielen, haben Fächer wie Englisch und Mathematik. Die Frauen lernen diese Fächer auch, zusätzlich aber noch „Lebenskunde“ – also Dinge wie Hygiene im weiblichen Zyklus, Aufklärung, das richtige Zähneputzen und gesunde Ernährung.

Traditionelle Mahlzeiten und soziale Verantwortung

„Jeder, der kommt, soll wissen, dass er keinen Hunger leiden muss“, sagt Arndt. Zwei Köchinnen bereiten täglich traditionelle Mahlzeiten auf offenem Feuer zu – etwa Maisbrei oder Pilau, ein ostafrikanisches Reisgericht mit Fleisch und Gewürzen. Neben Bildung kümmert sich das Team auch um soziale Themen. „Wenn ein Mann seine Frau schlägt, kann sie hier unterkommen“, sagt Arndt. Man spreche dann auch mit den Männern, um aufzuklären. „Bildung ist ja nicht nur lesen und schreiben, sondern auch Dinge verstehen.“

Traditionelle Küche: Die Mahlzeiten werden auf Holzkohle-Öfen von den Köchinnen zubereitet. Ute Arndt

Kinder mit guten Leistungen können auf die Secondary School wechseln, andere werden weiter betreut – sofern die Familien das wünschen. Wenn alles gut läuft, soll nach demselben Konzept ein zweiter Standort in einer Massai-Region weiter nördlich entstehen.

Beruflich ist Arndt heute selbstständig und betreut mehr Kunden aus dem Ausland. So oft es geht, pendelt sie zwischen Deutschland und Tansania. Eine Rückkehr in eine Festanstellung kommt für sie nicht infrage – auch wenn sie nun weniger verdient und ihren festen Wohnsitz wieder bei ihrer Mutter hat. Das Schönste sei für sie, sagt sie, „wenn Kinder selbstbewusster werden oder Eltern dankbar sind, dass ihr Kind eine andere Chance bekommt“. Dankbarkeit, habe sie gelernt, „ist ein unglaublich starkes Gefühl“.

Schon mit kleinen Gesten unterstützen

„Bei uns gibt es die Möglichkeit, die Kinder zu sehen, sie kennenzulernen – etwa per Videoanruf. Man kann Verbindungen aufbauen oder Patenschaften übernehmen“, sagt Arndt. Auch über das Airbnb auf dem Grundstück können Unterstützer aktiv werden. „Manche kommen einfach nur zum Urlaub machen, was auch völlig in Ordnung ist, andere helfen im Alltag freiwillig mit.“ Aktuell unterstützen zwei Volontärinnen das Projekt.

Wichtig ist Arndt, dass jeder Euro direkt ankommt. Spendeneinnahmen und ihr Instagram-Account werden von ihr selbst verwaltet. Einen eingetragenen Verein in Deutschland wollte sie bewusst nicht gründen – zu viel Bürokratie, zu wenig Wirkung vor Ort. ‚we.are.elimu‘ ist daher als lokale Initiative in Tansania registriert und trägt den Status einer Firma und Marke. Eine Kooperation mit einer Treuhandorganisation in Deutschland ist seit kurzem in Planung. Hinweis: Bei einer Online-Suche nach ‚we.are.elimu‘ findet man auch den Verein ‚Elimu‘. Auch der Verein hilft in Tansania, hat aber mit Initiative von Ute Arndt nichts zu tun.

Auch Sachspenden sind willkommen – etwa Spielzeug oder Schulsachen. „Es braucht nicht immer Geld“, sagt Arndt. Sie wünsche sich, dass Menschen erkennen, dass schon kleine Gesten helfen können: „Wenn jemand nur ein bisschen gibt, reicht das, damit ein Kind einen Tag oder eine Woche nicht hungern muss.“ Am meisten freue sie sich, wenn Unterstützung persönlich und nahbar bleibe – „nicht mit dem Zeigefinger, sondern aus echtem Mitgefühl“.

So entstand der Welthungertag

Am 16. Oktober 1945 wurde die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) als Sonderorganisation der UNO (Vereinte Nationen) mit der Aufgabe gegründet, die weltweite Ernährung sicherzustellen. Aus diesem Grund wurde auch der Welthungertag/Welternährungstag an diesem Datum ins Leben gerufen, um möglichst viele Menschen zur aktuellen Ernährungssituation in der Welt zu informieren und gemeinsam gegen den Hunger vorzugehen.

Interessierte, die Arndt und ihrem Team helfen möchten, können sie über ihren Instagram Account @we.are.elimu oder per E-Mail unter we.are.elimu@gmail.com kontaktieren.

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