Serielle Sanierung mit Fertigelementen

Wie Thomas und Renate Müller ihr Haus in Heidenheim zum Energie-Spar-Haus gemacht haben

Energieverbrauch und Wärmeverlust: Um ihr Haus, 1956 auf dem Heidenheimer Galgenberg erbaut, energetisch auf den neuesten Stand zu bringen, haben Thomas und Renate Müller nach Sanierungsmöglichkeiten gesucht. Die Entscheidung fiel auf eine serielle Sanierung – eine (noch?) seltene Art der Haussanierung.

Wie Thomas und Renate Müller ihr Haus in Heidenheim zum Energie-Spar-Haus gemacht haben

Abreißen und neu bauen. Für Thomas und Renate Müller kam das nicht in Frage. Sie entschieden sich stattdessen für die energetische Sanierung ihres 1956 gebauten Wohnhauses. Denn: Mit dem hohen Energieverbrauch und den Wärmeverlusten ihrer Immobilie auf dem Galgenberg, Renate Müllers Elternhaus, wollte sich das Heidenheimer Ehepaar nicht länger arrangieren. Mit Hilfe eines Energieberaters waren die Schwachpunkte des Hauses auch recht schnell erkannt: die Wände, die Fenster, die Decke zum Dachgeschoss und die Kellerdecke.

Weniger schnell ließ sich aber die Frage nach der Vorgehensweise beantworten. Sollten die einzelnen Gewerke nach und nach saniert werden? Oder wäre eine Erneuerung von Fenstern, Dämmung und Dach auf einen Schlag sinnvoller? Überlegungen über Überlegungen. Thomas Müller erinnert sich: „Das alles war für uns erst mal schwer vorstellbar.“ Und manches, was dem Standard entsprach, auch nicht gewünscht: „Ich habe mich lange gegen eine Dämmung mit Styroporplatten gewehrt“, sagt Renate Müller, von Beruf Krankenschwester.

Kommt ein Dach geflogen: Auf der Baustelle der Müllers wurde seriell saniert. Vorgefertigte Teile wurden mit Hilfe eines Krans am Haus angebracht. Müller

Zimmerei und Förderprogramm: für die Müllers eine perfekte Kombination

Dann der Glückstreffer auf einer Baumesse in Heidenheim. Dort wurde das Ehepaar auf eine Zimmerei aus dem bayerischen Oettingen aufmerksam, die sich seit einigen Jahren mit sogenannten Express-Komplettsanierungen beschäftigt. Außerdem hatte das Ehepaar Müller von einem Landesförderprogramm gehört, das Bauherren bei „seriellen Sanierungen“ finanziell unterstützt. Zimmerei und Förderprogramm – eine perfekte Kombination, wie sich im Fall von Renate und Thomas Müller zeigen sollte.

Vorab zur Begriffserklärung. Bei einer „seriellen Sanierung“ wird das bestehende Haus exakt vermessen. So entsteht ein 3D-Scan, anhand dessen die Zimmerei fertige Dach- und Wandelemente in Holzrahmenbauweise herstellt. Witterungsunabhängig im Betrieb. Per Kran werden diese Elemente, inklusive Fenster, Rollläden und Türen, dann am bestehenden Haus angebracht – quasi neue Wand auf alte Wand. Anschließend werden zur Dämmung Zelluloseflocken eingeblasen.

In den Wandelementen waren sogar die neuen Fenster schon eingebaut. Müller

Besonders geläufig ist diese Vorgehensweise bei Haussanierungen noch nicht. So erklärt sich auch, warum Thomas und Renate Müller die ersten waren, die bei dem 2019 frisch aufgelegten baden-württembergischen Förderprogramm zum Zug kamen. Und wohl auch die Bedingung des am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) angesiedelten Projektträgers Karlsruhe, den das Landesministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft mit der Abwicklung der Förderung beauftragt hatte: Man wünschte einen Bericht über das Bauvorhaben.

Vom Bauherr zum Energieberater: Thomas Müller hat sich selbstständig gemacht

Thomas Müller wurde so zum offiziellen Projektleiter seiner eigenen Haussanierung. 42 Seiten umfasst seine Abhandlung, die online zu finden ist. „Ich habe da über die Sanierung hinweg einen gewissen Ehrgeiz entwickelt“, sagt der Maschinenbau-Ingenieur, der sich inzwischen als Energieberater selbstständig gemacht hat. Immer wieder wird er eingeladen, über sein seriell saniertes Haus zu berichten. Zuletzt von der Deutschen Energie-Agentur (Dena), die sich um die Umsetzung der energie- und klimapolitischen Ziele der Bundesregierung kümmern soll.

Durch die Löcher wurden am Ende Zelloloseflocken zur Dämmung eingeblasen. Müller

Wenig überraschend, dass Thomas Müller nicht lange überlegen muss, wenn man ihn nach den einzelnen Sanierungsschritten fragt: „Am Montag haben sie angefangen, das Dach abzudecken, am Dienstag wurde der Dachstuhl entfernt. Am Mittwoch wurde der erste Teil der Fassadenelemente angebracht, am Donnerstag die restlichen Fassadenelemente und ein Teil des Dachs. Am Freitag wurde dann das Dach fertiggestellt.“ Fünf Tage, viel geschafft.

Zuvor war freilich einiges an Vorarbeiten nötig. So wurde im gesamten Haus die Elektrik erneuert. Das Klopfen von Schlitzen konnten sich Thomas und Renate Müller dabei größtenteils sparen: Die neuen Kabel konnten praktischerweise auf der alten Fassade verlegt werden. Ebenso die neuen Heizungsrohre und Leitungen. Um das Haus besser dämmen zu können, wurde außerdem die Garage abgerissen. Kurz vor Anbringung der Fassadenelemente ging es ans Herausbrechen der alten Fenster.

Das neue Dach ist mit Photovoltaik und Solarthermie ausgestattet. Rudi Penk

Nach der seriellen Sanierung: jetzt energieautark?

Weiter wurden neben einer Lüftungsanlage auch zwei Wasserzisternen und eine Deckenheizung eingebaut. Außerdem eine neue Heizungsanlage, die Wahl fiel hier auf eine Kombination aus Solarthermie, Speicher und Wärmepumpe. „Unseren Gasanschluss haben wir kappen lassen“, sagt Thomas Müller. Energetisch autark lebt das Ehepaar in seinem sanierten Haus zwar nicht, aber: 70 Prozent des Wärmebedarfs können Müllers seit der Sanierung mit Sonnenenergie decken, den Rest steuert eine Wärmepumpe bei. Thomas Müller: „Besonders im Winter sind wir natürlich trotzdem abhängig.“

Der Energieausweis für ihr saniertes Eigenheim liegt dem Ehepaar noch nicht vor. „Wir haben KfW 55 beantragt, haben aber eigentlich alle Maßnahmen besser ausgeführt als vorgegeben“, sagt der 62-Jährige. So erreiche man eventuell sogar den KfW-Standard 40. Und die Kosten für die serielle Sanierung? „Ohne die Förderung wäre das für uns schwer finanzierbar gewesen“, das steht für Thomas Müller schon allein aus Altersgründen fest. Da diese Art der Haussanierung noch selten und daher nur wenig standardisiert sei, seien die vorgefertigten Elemente doch recht teuer. Aber das könnte sich in der Zukunft ja noch ändern.

Welche Förderungen gibt es?

Das Landesförderprogramm „Serielle Sanierung von Wohngebäuden“ hat den Sinn, Gebäude qualitativ hochwertig und schnell zu sanieren. Hintergrund ist, dem Ziel eines „klimaneutralen Gebäudebestands bis 2050 näher zu kommen“. Mit maximal 500.000 Euro förderfähig sind Außenwand, Dach, Fenster, Fenstertüren, Dachflächenfenster, Außentüren, die Dämmung der Kellerdecke, technische Anlagen, Monitoringsysteme und Lüftungskonzepte – allerdings nur für Gebäude, deren Bauantrag vor dem 1. Februar 2002 gestellt wurde. Der Stichtag zur Einreichung von Förderanträgen ist der 21. Dezember 2023.

Das Bundesförderprogramm „Serielles Sanieren“ bezieht sich unter anderem auf Unternehmen, gemeinnützige Organisationen, Genossenschaften sowie kleine und mittlere Unternehmen. Bei der KfW gibt es ebenfalls verschiedene Möglichkeiten zur Unterstützung von seriellen Wohnhaus-Sanierungen. Einen Bonus von bis zu 15 Prozent gibt es hier, wenn man durch die Haussanierung die Effizienzhaus-Stufe 40 oder 55 erreicht.

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