Im Notfall handeln

Wie sich das Heidenheimer Jugendamt um gefährdete junge Menschen kümmert

Wenn es Kindern und Jugendlichen in ihren Familien schlecht geht, schreitet häufig das Jugendamt ein. Wie das funktioniert, und welche Möglichkeiten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Heidenheim haben, wenn das Kindeswohl gefährdet ist.

Nicht immer läuft in Familien alles so, wie es sein sollte. Nicht immer ist das Zuhause für Kinder und Jugendliche ein sicherer und behüteter Ort, an dem die Eltern Schutz und Geborgenheit bieten. Denn nicht wenige Eltern sind mit der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder überfordert, aus ganz unterschiedlichen Gründen. Immer wieder kommt es unter diesen Rahmenbedingungen dazu, dass das Wohl der Kinder gefährdet ist, sie vernachlässigt werden, verwahrlosen, oder ihnen körperliche oder seelische Gewalt angetan wird.

Das ist auch im Landkreis Heidenheim der Fall, wie der Sozialdezernent am Landratsamt, Matthias Schauz, erklärt. Wenn der Verdacht besteht, dass das Kindeswohl in einer Familie gefährdet ist, sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des hier angesiedelten Jugendamts gefragt. Doch längst nicht immer bestätigt sich ein solcher Verdacht bei genauerem Hinsehen. „Wir haben im Durchschnitt knapp 400 Fälle im Jahr, bei denen eine Gefährdungseinschätzung gefragt ist“, sagt Schauz, „das ist durchschnittlich ein Fall pro Tag.“ Die Tendenz ist steigend.

Manchmal stellten sich die Verdachtsmomente als unbegründet heraus. „Es passiert durchaus mal, dass sich jemand ans Jugendamt wendet, nur weil ein Kind mehrere Tage lang dieselben Kleider trägt.“ Häufig aber sei auch Handeln gefragt. In diesen Fällen gibt es dem Sozialdezernenten zufolge eine ganz Palette an Maßnahmen, wie den Familien geholfen werden kann. „Dabei versuchen wir in erster Linie, die Betroffenen zu unterstützen und ihnen Hilfen anzubieten, damit es dem Kind besser geht und es in seinem gewohnten Umfeld bleiben kann.“

Manchmal melden sich Betroffene selbst

Doch wie erfährt das Jugendamt überhaupt, wenn in einer Familie etwas im Argen liegt? „Wir erhalten die Informationen von ganz unterschiedliche Seiten, das kann von Nachbarn, von Angehörigen, aus der Schule oder dem Kindergarten kommen. Manchmal melden sich auch die betroffenen Kinder oder Jugendlichen direkt bei uns“, sagt Schauz.

Fruchten die vom Jugendamt angebotenen Hilfestellungen nicht, und besteht eine akute Gefahr fürs Kindeswohl, dann ist schnelles Handeln gefragt. Deshalb gibt es beim Jugendamt einen Notdienst, der auch nachts und an Feiertagen in Bereitschaft ist. „Inobhutnahmen sind gesetzlich verankerte Schutzmaßnahmen, wenn das Wohl eines Kindes akut gefährdet ist“, erläutert der Sozialdezernent. Dass das auch im Landkreis Heidenheim keine Ausnahme ist, zeigt eine Zahl: Rund 50 mal pro Jahr werden Kinder und Jugendliche aus ihren Familien herausgeholt, um sie zu schützen. Das ist rein rechnerisch einmal pro Woche.

Und genau darin liegt ein großes Problem: „Es gibt zu wenige Plätze, an denen die betroffenen jungen Menschen untergebracht werden können“, sagt Schauz. Das sei nicht nur im Landkreis Heidenheim, sondern überall der Fall. „Wenn das Jugendamt feststellt, dass eine Inobhutnahme unausweichlich ist, muss sehr schnell ein Platz gefunden werden. Aktuell haben wir aber nur drei Plätze in drei stationären Wohngruppen im Landkreis zur Verfügung.“ Hinzu kämen noch 15 sogenannte Bereitschafts-Pflegefamilien, die 20 Plätze anbieten können, so Schauz. Schwierig werde es, wenn Geschwisterkinder aus Familien herausgenommen werden müssen, „denn wir versuchen natürlich, sie gemeinsam unterzubringen, wenn es möglich ist“.

Plätze sind sehr knapp

Wenn im Landkreis alle Plätze belegt sind, versucht das Jugendamt, die Betroffenen in anderen Einrichtungen unterzubringen. „Unsere Priorität liegt natürlich, in der näheren Umgebung, um die sozialen Strukturen der Kinder und Jugendlichen wie Schule, Kindergarten, Freunde oder Angehörige nicht auseinanderzureißen“, erklärt der Sozialdezernent. „Aber wenn alles belegt ist, müssen wird auch landes- und bundesweit nach Plätzen suchen.“

Um diese Situation zu verbessern, werde derzeit am Landratsamt darüber nachgedacht, zusätzliche stationäre Wohngruppen vor Ort zu schaffen, die speziell für Kinder und Jugendliche gedacht sind, die von der Inobhutnahme betroffen sind. „An der Zahl der Plätze hat sich in den vergangenen Jahren wenig geändert, da wollen wir etwas tun“, so Schauz. Doch diese Überlegungen stünden noch am Anfang, zunächst müsse das politisch entschieden und dann mit den Trägern der Einrichtungen gesprochen werden.

Dass der Bedarf an solchen Plätzen auch in der Zukunft nicht rückläufig sein wird, ist für den Dezernenten klar: „Trotz aller unserer Bemühungen, bei Problemen in Familien früh einzugreifen und zu helfen, wird es wohl immer so sein, dass Situationen eskalieren und eine Inobhutnahme notwendig ist. Das war auch in der Vergangenheit so, und wird sich wahrscheinlich nie ändern.“

Kosten von rund 18 Millionen Euro

Bei der Unterbringung von Kindern und Jugendliche, die in Obhut genommen werden, arbeitet das Jugendamt – wie auch in anderen Bereichen – mit unterschiedlichen Trägern zusammen, die beispielsweise die Wohngruppen betreiben. Natürlich kostet das den Landkreis auch eine Stange Geld. Im Haushalt fürs kommende Jahr sind allein für die Hilfe zur Erziehung, zu der zahlreiche ambulante, teilstationäre und stationäre Bereiche gehören, Ausgaben in Höhe von rund 18 Millionen Euro eingeplant.