Stadtbibliothek Heidenheim

Wie Menschen in Heidenheim Alltagsrassismus erleben – Betroffene erzählen ihre Geschichten

Gibt es in und um Heidenheim Alltagsrassismus? Und wie erleben Menschen diesen? Diesen Fragen gingen mehrere Menschen – darunter Betroffene – in einer Podiumsdiskussion in der Stadtbibliothek Heidenheim nach.

Es gibt da diese eine Gemeinderatssitzung in Heubach, die Dr. Joy Alemazung wohl niemals vergessen wird. An jenem Abend treffen alle Teilnehmenden nach und nach ein – unter ihnen auch Alemazung. Im Anzug und mit seinen Unterlagen unterm Arm betritt er den Raum. Kurz darauf wird der gebürtige Kameruner angesprochen. Das Ausländeramt sei dort drüben, erklärt ihm sein Gegenüber, er müsse sich im Gebäude geirrt haben. Daraufhin schmunzelt Alemazung. „Alles in Ordnung“, antwortet er, „Ich bin der Bürgermeister.“

Vorurteile und Diskriminierung erleben viele Menschen, auch hier in der Region und in Heidenheim – so etwa der Heubacher Bürgermeister. Fremdenhass existiert unter anderem als struktureller und institutioneller Rassismus, aber auch als alltägliche, vielleicht sogar unbewusste Fremdenfeindlichkeit.

Betroffene erzählen ihre Geschichten

Zum Thema Alltagsrassismus organisierte das Forum für Bildung und Entwicklung in der Stadtbibliothek Heidenheim eine Podiumsdiskussion mit sechs Gästen. Im Mittelpunkt standen nicht offene Anfeindungen oder Gewalttaten mit rassistischem Hintergrund, sondern Situationen im Lebensalltag von Menschen mit Migrationsgeschichte. Die Betroffenen erzählten an diesem Abend ihre Geschichten.

Für Grace Peterson, die ursprünglich aus Trinidad und Tobago kommt, war das Busfahren vor dem Umzug aufs Land nie ein Problem gewesen. Als starrende Blicke und auf sie gerichtete Zeigefinger sich häuften, beschloss Peterson: „Jetzt mache ich meinen Führerschein.“ Auch Rachma Huber erfuhr Fremdenfeindlichkeit. Wenn sie mit der chinesischen Grußformel „Ni Hao“ gegrüßt wird, obwohl sie aus Indonesien stammt, fühlt sie sich auf ihr asiatisches Aussehen reduziert, nicht als Mensch wahrgenommen.

Kontroverse Frage aus dem Publikum

Moderator Holger Witzenleiter, selbst gebürtiger Gerstetter, stellte an diesem Abend auch Stimmen aus dem Internet vor. Eine zweite Generation einer Migrantenfamilie berichtete von doppelt erlebter Ausgrenzung: in Deutschland als Ausländer abgetan, im Herkunftsland der Eltern nicht zugehörig. Hierzulande ist ein nicht klassisch-deutscher Name dazu mit strukturellen Benachteiligungen belastet; Schulnoten, Arbeitsmarkt, Wohnungssuche – all das sei erschwert durch Diskriminierung im Alltag, ergänzte auch das Panel.

Dass Rassismus ebenso unterbewusst stattfinden kann, zeigte sich auch durch teils fragwürdig formulierte Impulse aus dem Publikum. Die Aussage „Sie sprechen aber gutes Deutsch“ sei ja nicht rassistisch, teilte ein Zuhörer seine Annahme. Schließlich hatte auch er in Lateinamerika oft Komplimente für sein gutes Spanisch erhalten. Die Antwort aus dem Podium war eindeutig: Nicht die Aussage an sich, sondern das zugrunde liegende Denkmuster sei das Problem.

Wir sind alle gar nicht so verschieden – der kleine Unterschied liegt in der Hautfarbe, mehr nicht.

Dr. Joy Alemazung, Bürgermeister von Heubach

Verblüfft die Sprachkenntnisse eines dunkelhäutigen Mitbürgers zu loben, impliziere, dass Deutsch und Schwarz sein einander ausschließen würden. Das Fazit der Runde: Der Satz ist nicht wertschätzend, sondern ausgrenzend – ein Spiegel für tief verwurzelte Vorstellungen davon, wer als „wirklich deutsch“ gelte.

Der Mut, sich selbst zu hinterfragen, sei entscheidend, fügte Hüseyin Günes in Bezug auf unbewusst rassistisches Denken hinzu. Anstatt Annahmen sollte ehrliches Interesse im Vordergrund stehen. Offene Fragen verbinden, erzeugen Verständnis und Vertrauen, betonten die Sprecher wiederholt. Beim Kontakt zueinander fällt laut Joy Alemazung auf: „Wir sind alle gar nicht so verschieden – der kleine Unterschied liegt in der Hautfarbe, mehr nicht.“