Nichtöffentlichkeit im Gemeinderat

Wie Heidenheims OB Michael Salomo versucht, geheime Dinge geheim zu halten

Die Heidenheimer Stadtverwaltung hat ein Gutachten beauftragt, in dem es um nichtöffentliche Sitzungen geht. Was man damit bezwecken will.

Es gibt Gemeinderatssitzung, die öffentlich sind, andere finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit – und damit auch der Medien – statt. Häufig nutzen die Kommunen auch im Landkreis Heidenheim die Möglichkeit, Gemeinderatssitzung teils öffentlich und teils nichtöffentlich abzuhalten. Das ist über Paragraf 35 der Gemeindeordnung Baden-Württemberg auch durchaus legitim.

Dort steht auch zu lesen: „Die Sitzungen des Gemeinderats sind öffentlich“, das gilt also grundsätzlich. Klar geregelt sind auch die Ausnahmen: „Nichtöffentlich darf nur verhandelt werden, wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern.“ Dass sich viele Verwaltungen und Gemeinderäte nicht daran halten, und den Ausschluss der Öffentlichkeit nutzen, Themen intensiv vorzuberaten, vielleicht auch verdeckt vor den Augen der Bürgerinnen und Bürger zu streiten, kann man nur vermuten. Denn was hinter verschlossenen Türen geschieht, kann man ja nicht wissen.

Es sei denn natürlich, es dringen Informationen durch die geschlossenen Saaltüren nach außen. Das passiert regelmäßig, in der  Bundes-, Landes-, aber natürlich auch in der Kommunalpolitik. So war es auch, als der Heidenheimer Gemeinderat Ende Juni eine Personalentscheidung treffen sollte. Es ging um die Besetzung der Leitung des Fachbereichs Familie, Bildung und Sport, die für einige Turbulenzen sorgte. Als unsere Redaktion davon erfuhr, berichteten wir Anfang August über die Vorgänge.

Das wiederum scheint Oberbürgermeister Michael Salomo nicht sonderlich gefallen zu haben. Denn in der Folge beauftragte er eine Rechtsanwaltskanzlei aus Freiburg damit, eine Erläuterung zu Anwendungsbereich und Reichweite der Verschwiegenheitspflicht sowie zu drohenden Konsequenzen bei einem Verstoß zu verfassen. Diese Erläuterungen sollten dann den Mitgliedern des Gremiums übergeben werden, um zu verhindern, dass sie aus nichtöffentlicher Sitzung plaudern. Schon in der Vergangenheit, das war bereits mehrfach zu hören, soll er die Stadträtinnen und -räte wiederholt darauf hingewiesen und ihnen sogar mit Konsequenzen bei Verstößen gedroht haben.

Drei Seiten Gutachten

Das Gutachten der Kanzlei Heilshorn Mock Edelbluth Werner liegt unserer Redaktion vor. Auf etwas mehr als drei Seiten geht es um die Verschwiegenheitspflicht von Stadträtinnen und Stadträten aus unterschiedlichen Perspektiven und zu unterschiedlichen Sachverhalten, wobei in den meisten Fällen auf die Gemeindeordnung verwiesen wird. „Der Gemeinderat kann im Falle eines Verstoßes dem Betroffenen nach seinem pflichtgemäßen Ermessen ein Ordnungsgeld bis zu 1000 Euro auferlegen“, heißt es in der rechtlichen Ausarbeitung. Zivilrechtlich komme im Fall eines Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht eine persönliche Haftung des Gemeinderats in Betracht. Im Regelfall scheide jedoch eine Strafbarkeit von Gemeinderäten aus, heißt es in dem Gutachten.

Doch was bezweckt Salomo mit dem Gutachten? Versucht er, den Gemeinderat unter Druck zu setzen, indem er eine Drohkulisse aufbaut? So jedenfalls klingt das Anschreiben, mit dem den Mitgliedern des Stadtparlaments das Papier der Rechtsanwälte zugesandt wurde: „Ich möchte Sie … ausdrücklich darauf hinweisen, dass Verstöße gegen die Verschwiegenheitspflicht weitreichende Folgen haben können. Durch diese ausdrückliche Handreichung unserer Anwaltskanzlei werde ich künftige Verstöße als vorsätzliche Handlung ansehen“, schreibt der OB.

Allzu groß also scheint das Vertrauen des Stadtoberhaupts gegenüber dem Gemeinderat nicht zu sein, und auch Teile des Gremiums scheinen Salomo zumindest skeptisch gegenüberzustehen, das ist auch in Sitzungen des Gremiums wahrzunehmen - in öffentlichen. Keine gute Ausgangssituation für eine gute Kommunalpolitik.

Verwaltung nimmt Stellung

„In den vergangenen Monaten kam es wiederholt vor, dass Informationen aus nichtöffentlichen Sitzungen des Gemeinderates an die Öffentlichkeit gelangt sind. Solche vertraulichen Inhalte unterliegen jedoch einer strikten gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht. Sie dient nicht nur dem Schutz sensibler Informationen, sondern vor allem der Funktionsfähigkeit des Gemeinderates und der Verwaltung“, heißt es von der städtischen Pressestelle. Und weiter: „Da diese Pflicht in jüngerer Vergangenheit mehrfach missachtet wurde, sah sich die Stadtverwaltung im August gezwungen, rechtliche Klarheit zu schaffen.“

OB Salomo wird in der schriftlichen Stellungnahme zitiert: „Wie kann man von der Bevölkerung erwarten, dass sie Gesetze einhält und respektiert, wenn sich nicht einmal alle Beteiligten einer Gemeinderatssitzung an die gesetzlichen Grundlagen halten. So ein Verhalten ist unmissverständlich ein Angriff auf unsere Demokratie, da die Gemeindeordnung ein Gesetz des Landes Baden-Württemberg ist, das der Landtag beschlossen hat.“ Die Verwaltung erhoffe sich von dieser rechtlichen Klarstellung, dass künftig alle Beteiligten ihrer gesetzlichen Pflicht konsequent nachkommen. Nur wenn der Gemeinderat in einem vertrauensvollen Rahmen arbeiten könne, ließen sich wichtige Entscheidungen zum Wohle der Stadt sachlich vorbereiten und umsetzen, so Pressesprecher Christoph Steeger.

Die Beauftragung des Gutachtens sei unmittelbar durch die Verwaltung veranlasst worden, ohne dass der Gemeinderat zuvor über diesen Schritt abstimmte. „Die Kosten für das Gutachten dürfen nicht öffentlich genannt werden, da sie dem anwaltlichen Mandatsgeheimnis unterliegen“, heißt es auf Nachfrage.

Regelungen in der Gemeindeordnung

Die Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (GemO BW) ist das Gesetz, das die Selbstverwaltung der Gemeinden im Land regelt und die rechtlichen Grundlagen für ihre Struktur, Aufgaben, Organe wie Gemeinderat und Bürgermeister sowie für Bürgerbeteiligung und Haushaltsführung festlegt. Sie ist quasi die Grundlage aller kommunalpolitischer Handlungen