Im Alter wird man langsamer, weniger fit und die Sehkraft lässt nach – für viele Menschen ganz normal. Deshalb stecken sich ältere Frauen und Männer oft weniger ehrgeizige Ziele. „Das schaffe ich in meinem Alter doch nicht mehr“, hört man häufig. Doch nicht so Helga Wolf aus Schnaitheim: Die 94-Jährige wagte einen Gleitschirm-Trike-Flug in 400 Metern Höhe – und hat jetzt schon Lust auf eine Wiederholung.
Die Familie als Inspiration
Der Wunsch, mit dem Gleitschirm-Trike zu fliegen, bestand für die gebürtige Heidenheimerin schon länger. Ihr Ehemann, Albert Wolf, war viele Jahre im Verein der Modellflug- und Segelflieger in Steinheim aktiv. Die eigentliche Inspiration gaben ihr jedoch Monika Oechsle und deren Partner Hans Peter Puritscher. Mit beiden ist Wolf zwar nicht verwandt, sie gehören für sie aber zur Familie. „Ich wuchs als kleines Mädchen im selben Haus auf wie Tante Helga und war oft bei ihr“, erzählt Oechsle. Deshalb nennen sie und Puritscher die Seniorin, die in Schnaitheim wohnt, liebevoll ihre Tante.

Koordination hinter dem Ausflug
Puritscher ist stellvertretender Vorsitzender des Fliegervereins Walxheim, wo auch Helga Wolfs Flug stattfand. Der 62-Jährige fliegt seit 30 Jahren – mit Drachen wie mit Gleitschirm. Er bezeichnet sich selbst als „Wingman“ für den Tandempiloten des Vereins, Andreas Birkhold. „Wir sind ein eingespieltes Team“, sagt er. Bei Passagierflügen begleitet Puritscher mit seinem Drachen, fliegt mit 50 bis 60 km/h nebenher und hält Fotos und Videos fest. „Sie war immer sehr interessiert an meinem Hobby, stellte Fragen und hörte genau zu, wenn ich davon erzählte“, sagt Puritscher. So sei die Idee eines Fluges mit dem Gleitschirm-Trike schon länger in ihr gewachsen.
Ein Gleitschirm-Trike kombiniert einen Gleitschirm mit einem dreirädrigen Fahrgestell und Motor. Es ermöglicht, sitzend zu starten und zu landen und eignet sich für längere Flüge mit Passagieren.
Von der Idee bis zur spontanen Umsetzung
„Viele Interessenten, die einen Tandemflug machen wollen, ziehen am Ende zurück“, so Puritscher. Umso mehr hätten er und Birkhold die Seniorin bewundert, die sich ohne Zögern auf das Abenteuer einließ. Der Termin für den Flug ergab sich eher zufällig. „Ich rief unsere Tante an und sagte ihr: ‚Montag wäre ein guter Zeitpunkt‘“, erzählt Oechsle. Darauf folgte ein entschlossenes „Ich bin dabei“ von der 94-Jährigen. An diesem Tag organisierten sie den Flug und trafen sich am Flugplatz des Vereins in Unterschneidheim. Auch ihre 92-jährige Schwester war dabei – begeistert, aber auch ängstlich. „Sie hatte die Sorge, ich komme gar nicht mehr runter“, erzählt Wolf.

Für so einen Flug ist einiges an Vorbereitung nötig: „Helga musste eine Stunde auf die richtigen Windbedingungen warten“, erklärt Puritscher. Die Bedingungen sollten möglichst ruhig sein, mit wenig Aufwinden und Thermik. Optimal sei ein leichter Wind von vorn. Auch die Temperatur spielt eine Rolle. Geflogen wird meist frühmorgens oder am Abend, um den Sonnenauf- oder -untergang zu erleben. Wenn alles passt, wird die Passagierin auf den Sitz gesetzt und sorgfältig gesichert. Für mehr Bequemlichkeit bekam Wolf ein Kissen unter die Füße. Für sie sei es ein Gefühl wie in einem Liegestuhl gewesen. Geflogen wird in normaler Kleidung, dazu gibt es Helm und Bluetooth-Verbindung über 500 bis 800 Meter zu Birkhold und Puritscher, die sie begleiteten.
Nächster Flug ist schon gewünscht
Als sie starteten und in die Lüfte stiegen, war Wolf überwältigt: „Was in mir vorging während dem Flug, kann ich nicht beschreiben“, sagt die 94-Jährige. „Es war ein einmaliges Ereignis für mich.“ Andreas Birkhold erzählte ihr währenddessen interessante Informationen über die Orte und die Gegend um Ellwangen. An Wolken, Feldern und blauem Himmel konnte sie sich nicht sattsehen. Das Beobachten funktioniere gut, denn mit 40 Kilometern pro Stunde bewegt sich das Gleitschirm-Trike gemütlich durch die Lüfte. Es sei außerdem mit einem Fallschirm ausgestattet, der im Notfall 200 Kilogramm tragen könne, erzählt Puritscher. Wolf hatte zu ihrem 70. Geburtstag bereits eine Ballonfahrt geschenkt bekommen, bei der sie allerdings nervöser gewesen sei als beim jetzigen Flug.
Unten angekommen, waren ihre Beine etwas wackelig – glücklicher hätte sie aber nicht sein können. „Ich bin mit meinem Leben nicht unzufrieden. Wenn ich das noch so lang wie möglich genießen kann, freue ich mich“, sagt sie. „Ich bin froh, dass ich die Schneid aufgebracht hab.“ Und sie macht sich gedanklich schon bereit, denn mit 95, sagt sie, möchte sie gleich noch einmal fliegen.